Dagmar WöhrlCDU/CSU - EU-Afrika-Gipfel
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen beherrschen die Entwicklungen in der Ukraine und insbesondere auf der Krim die Nachrichten. Viele sagen, wir stünden davor, in die alte Politik des Nullsummenspiels zurückzufallen, ganz im Sinne der harten Realpolitik der 60er-Jahre, wo es nur Gewinner und Verlierer geben konnte. Ich glaube, sagen zu können: Wir als Deutsche und Europäer werden uns nicht in die Rolle des Kalten Kriegers zurückdrängen lassen. Viele deuten das als Zeichen der faktischen Schwäche. Ich würde sagen: Es zeigt, dass Europa diplomatische Stärke hat.
Die tragende Säule unserer Partnerschaften in der Welt war und ist unsere Werteorientiertheit.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Werteorientiertheit?)
Auch der jetzt vor uns liegende EU-Afrika-Gipfel gibt uns die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir weiterhin eine kooperative Weltpolitik praktizieren und so echte Partnerschaften ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 14 Jahre ist es nun her, seit der erste EU-Afrika-Gipfel im Jahr 2000 stattgefunden hat. Afrika ist ein Kontinent der permanenten Veränderungen; er ändert sich manchmal schneller als unser eigenes Bild von ihm. In dieser Zeit gab es viele Katastrophenmeldungen, es gab aber auch viele Erfolgsmeldungen.
Bei Katastrophenmeldungen denken wir an die große Dürrekatastrophe in der Sahelzone 2012. Nur fünf Jahre vorher gab es in dieser Region große Überschwemmungen und dadurch eine hohe Obdachlosigkeit.
In Nordafrika waren wir in den letzten drei Jahren Zeuge des größten demokratischen Aufbruchs, den man sich überhaupt vorstellen kann. Der Arabische Frühling hat auf der ganzen Welt enorme Hoffnungen geweckt. Tunesien hat sich gerade eine der fortschrittlichsten Verfassungen der arabischen Welt gegeben und so in Bezug auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau neue Maßstäbe gesetzt sowie Glaubensfreiheit und Bekenntnisfreiheit verankert. Solche Fortschritte hat man sich vor ein paar Monaten noch nicht vorstellen können.
Es gibt auch eine andere Seite. In Ägypten beispielsweise scheint sich die Uhr zurückzudrehen. Hier prägt das Militär die Politik.
Nehmen wir das Beispiel Demokratische Republik Kongo. 2003 wurde ein Friedensabkommen verabschiedet, 2007 war das schon wieder obsolet, der Dritte Kongokrieg begann.
Nehmen wir als Beispiel die Zentralafrikanische Republik, die ich letzte Woche gemeinsam mit dem Minister besucht habe: 20 Jahre nach dem Genozid in Ruanda ist vor den Augen der Weltöffentlichkeit einer der größten Konflikte zwischen Muslimen und Christen entbrannt. Ein Versöhnungsprozess liegt in ganz weiter Ferne, und es ist auch nicht möglich – das kann man sich nicht vorstellen –, einen Versöhnungsprozess in Gang zu setzen, weil es keine funktionierende Justiz, keine entsprechenden Strukturen gibt. Der Wiederaufbau dieses Landes wird Jahrzehnte dauern.
14 Jahre nach dem ersten EU-Afrika-Gipfel und kurz vor dem vierten Gipfel ist es wichtig, dass wir zurückblicken. Aber wir sollten uns auch fragen: Wo steht Afrika heute? Wie ist das Afrika von 2014? Wie hat sich der Kontinent gewandelt? Welches Afrika-Bild haben wir? Wie soll die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika künftig gestaltet werden?
Wenn wir ein ehrliches Bild von Afrika wollen, dann müssen wir auch einen ehrlichen Blick zulassen. Das Bild von Afrika ist weder schwarz noch weiß, sondern unwahrscheinlich bunt.
Seit dem Jahr 2000 haben sich die Malariafälle um 75 Prozent reduziert. 2002 erhielten nur 50 000 Menschen Arzneimittel gegen HIV und Aids, inzwischen sind es 7,5 Millionen. Die Kindersterblichkeit ist rapide zurückgegangen: um 41 Prozent in 20 Jahren. Das ist immer noch zu hoch, trotzdem ist das eine der spektakulärsten Erfolgsgeschichten unserer weltweiten Entwicklungspolitik.
Afrika ist ein Magnet für ausländische Direktinvestitionen. Sie haben sich seit 2003 verdreifacht. Allein 2012 wurden 46 Milliarden Euro in diesen Kontinent investiert. Der Minister hat es vorhin angesprochen: Von den zehn am schnellsten wachsenden Ländern sind sechs aus Afrika. Es wird mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 6 Prozent gerechnet. Afrika ist also auch ein Chancenkontinent.
Die Liste der Erfolgsgeschichten und Katastrophenmeldungen könnte nicht vielfältiger sein, ebenso wie der Kontinent nicht vielfältiger sein könnte: 54 Länder, 885 Millionen Menschen, 3 000 Bevölkerungsgruppen und 2 000 Sprachen.
Wie sieht unsere Rolle, wie sieht die Rolle der EU in Afrika künftig aus? Wer, wenn nicht wir in Europa, kann aufgrund der geografischen Nähe, die wir zu unserem Nachbarkontinent haben, und aufgrund der eigenen Geschichte ein ernsthafter Partner Afrikas sein?
Was sind die Ursachen für das permanente Auf und Ab in Afrika? Sind es die Naturkatastrophen, von denen der Kontinent Afrika immer wieder heimgesucht wird? Nein, es sind die Menschen, die für Licht und Schatten Verantwortung tragen.
Alle Erfolge und auch die meisten Misserfolge, die ich eben erwähnt habe, sind von Menschen gemacht. Menschen sind es aber auch, die vor Ort lokale Lösungen schaffen für lokale Probleme, die schon seit Jahrzehnten bestehen. Deswegen begrüße ich das Motto des diesjährigen Gipfels: „Investing in People, Prosperity and Peace“. Beachtenswert finde ich, dass die Afrikaner das Wort „People“ auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Wir sind immer für Hilfe zur Selbsthilfe, aber das darf nicht nur ein leerer Slogan sein. Wir wissen, dass 50 Prozent der jungen Menschen in Afrika jünger als 18 Jahre sind. In sie muss investiert werden. Wenn uns das gelingt, dann sind langfristig auch Prosperity und Peace möglich.
Wo führt unsere Partnerschaft wirtschaftlich, kulturell und menschlich hin? Europa ist nach den USA und China der wichtigste Markt für afrikanische Exporte. Umgekehrt repräsentiert Afrika nahezu 10 Prozent des Außenhandels der Europäischen Union.
Neben den vielen Milliarden, die nach Afrika geflossen sind, war es für uns immer wichtig, unser Know- how, unser technisches Wissen und unsere Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu transferieren. All das hilft, den Kontinent mit aufzubauen. Unser Ziel ist es und wird es immer sein, die Abhängigkeit von Entwicklungsgeldern, die teilweise immer noch besteht, abzubauen.
Transparenz, Gleichberechtigung, politische Teilhabe – das ist unsere Vision von Partnerschaft. Der Hass gegenüber Homosexuellen in Uganda, die Homophobie, und die beispiellose Hetzjagd dort – das haben meine Kollegen schon angesprochen – dürfen in unserer Partnerschaft absolut keinen Platz haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deswegen ist es wichtig und richtig, dass die Auszahlung der nächsten Tranche der EU-Budgethilfe von 20 Millionen Euro für Uganda zurückgestellt worden ist.
Wir haben eine Vision für Afrika. Afrika ist ein Kontinent der Chancen, der Potenziale, der enormen Möglichkeiten. Wir müssen in die Menschen investieren, damit sie fähig sind, die Zukunft ihres Kontinents selbst in die Hand zu nehmen. Die derzeitige Schulbildung reicht dafür aber nicht aus. Wir müssen viel mehr auf Qualität setzen. Es nützt nichts, wenn die Kinder endlich die Schule besuchen, aber nach fünf Jahren Schulbesuch immer noch nicht rechnen und schreiben können. Wir müssen auf eine bessere Qualität hinarbeiten.
Frau Kollegin.
Nelson Mandela hat gesagt: Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern. – Ich glaube, auf der Bildung muss zukünftig der Schwerpunkt liegen. Wir wollen der Bevölkerung Afrikas, insbesondere den jungen Menschen, gute Gründe geben, zu Hause zu bleiben und ihr Land aufzubauen und nicht Leib und Leben zu riskieren, indem sie sich auf kleine Flüchtlingsboote quetschen, um nach Europa zu kommen.
Herr Minister, wir wünschen Ihnen das Beste. Wir werden Sie beim EU-Afrika-Gipfel unterstützen.
Frau Kollegin, Sie müssen nun aber wirklich zum Schluss kommen.
Ich wünsche mir nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen: dass wir es wirklich schaffen, bei diesem EU- Afrika-Gipfel hinsichtlich Migration, Post-2015, Klimawandel und ländliche Entwicklung zu konkreten Ergebnissen zu kommen. Ich hoffe auf konkretere Ergebnisse als die, die der letzte Gipfel hervorgebracht hat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Kollegin Engelmeier-Heite hat für die SPD-Fraktion als nächste Rednerin das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3232520 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | EU-Afrika-Gipfel |