Michaela Engelmeier-HeiteSPD - EU-Afrika-Gipfel
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach Kairo, Lissabon und Tripolis geht es nun Anfang April erneut um die weitere Zusammenarbeit zwischen der EU und den afrikanischen Staaten, und zwar – das möchte ich in aller Deutlichkeit betonen – um die partnerschaftliche Zusammenarbeit der beiden Nachbarkontinente. Ich betone das insbesondere mit Blick auf den Antrag der Fraktion Die Linke. In diesem stellen Sie den bevorstehenden EU-Afrika-Gipfel in eine neokoloniale Ecke. Ich meine, Sie tun unseren afrikanischen Partnern unrecht, indem Sie sie dadurch implizit als schwächere Seite erscheinen lassen, die auf eine rein von europäischen Interessen geleitete Seite trifft. Das ist eine ganz schön arrogante Haltung, meine ich.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nein, in Brüssel trifft nicht ein schwaches Afrika auf ein allmächtiges Europa. Vielmehr treffen sich im kommenden Monat die Vertreterinnen und Vertreter eines starken und selbstbewussten Kontinents, eben Afrikas, mit denen Europas, um die zum großen Teil bereits erfolgreiche Zusammenarbeit seit 2007 zu evaluieren und über die Vertiefung der zukünftigen Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu verhandeln. Ich freue mich, dass kein schwaches Afrika auf ein überstarkes Europa trifft. Das zeigt, dass unsere entwicklungspolitischen Bemühungen durchaus erfolgreich waren und sind, zeugen sie doch von einer sozialdemokratischen Ausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik: weg von der Nehmer- Geber-Charakterisierung hin zu einer partnerschaftlichen Beziehung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir legen auch weiterhin großen Wert darauf, die afrikanischen Staaten als gleichwertige Partner bei der Festlegung gemeinsamer Aufgaben und gemeinsamer Ziele zu betrachten. Bei aller ernstgenommenen und zum Teil auch berechtigten kritischen Betrachtung der Fehler in der Vergangenheit betrachten wir den kommenden Gipfel der Europäischen Union und Afrikas als Chance. Das ist eine Chance, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, und das ist eine Chance für neue Impulse in der entwicklungspolitischen Partnerschaft.
Dabei bauen unsere afrikanischen Partner insbesondere auf Deutschland. Sie erwarten gerade von uns besondere Impulse für eine nachhaltige Entwicklungspolitik auf ihrem Kontinent. Deutschland und Europa stehen nicht nur in der Pflicht, gemeinsam mit ihren afrikanischen Partnern das gemeinsame Engagement festzulegen und auszubauen; Deutschland und Europa teilen mit ihren afrikanischen Partnern auch das gemeinsame Interesse, die offenen und neuen Herausforderungen gemeinsam anzupacken. Diese Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen. Daher begrüßen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den vereinbarten Schwerpunkt „Investieren in Menschen, in Wohlstand und in Frieden“ des kommenden EU-Afrika-Gipfels. Insbesondere der Punkt Frieden ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des afrikanischen Kontinents.
Bewaffnete Konflikte zerstören nicht nur unsere gemeinsamen Entwicklungsbemühungen, sondern sie verhindern sie auch auf lange Zeit, nicht nur für die Dauer des Konflikts, sondern auch in den Folgejahren. Leidtragende dieser Konflikte sind vor allem Frauen und Kinder. Sie sind auch die Leidtragenden in den fragilen Staaten. Dort sind sie von Unterdrückung, mangelnder Beachtung ihrer Rechte und mangelnden Partizipationsmöglichkeiten betroffen. Dabei wissen wir doch alle, dass gerade Frauen eine ganz wichtige Rolle in der Entwicklung der Länder einnehmen und einnehmen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang einen kleinen Blick nach Ruanda. Ruanda ist das Land mit dem höchsten Anteil an Frauen im Parlament – à la bonne heure! Aus diesem Grund müssen wir unser besonderes Augenmerk auf die Förderung von Frauen und Kindern legen. Sie sind es, in die wir investieren müssen. Die Punkte 6 und 11 unseres Antrages betonen unsere Forderung, Perspektiven nicht nur für junge Männer, sondern auch für junge Frauen zu schaffen und allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich brauche nicht hervorzuheben, dass Bildung der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Entwicklung ist. Jegliche Investition in Frauen und Kinder muss daher immer als eine Investition in eine nachhaltige Entwicklung und als eine Investition in die Zukunft angesehen werden.
Mit Punkt 11 streben wir die explizite Förderung von Frauen als wesentliche Motoren für nachhaltige Entwicklung in unseren Partnerländern an. Die Bundesregierung wird hierin aufgefordert, beim anstehenden Gipfel auf die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Mädchen, auf den Schutz vor jeglicher Form von Gewalt und auf den Zugang zu Bildung, Eigentum und guten Arbeitsplätzen hinzuwirken. Frauen sollen darüber hinaus künftig stärker an allen Kooperations- und Entscheidungsprozessen aktiv beteiligt werden. An dieser Stelle betone ich noch einmal unseren Wunsch und unser Streben, die Kräfte Afrikas zu mobilisieren und zu stärken, damit wir, Europa und die Welt, unseren afrikanischen Partnern auf Augenhöhe begegnen.
Ich möchte nochmals auf den bereits erwähnten Gipfelschwerpunkt „Investieren in Menschen, in Wohlstand und in Frieden“ und damit auf aus meiner Sicht wichtige Aspekte zurückkommen. In Entwicklungsländern sterben täglich etwa 800 Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt. Es bedarf sicherlich keiner weiteren Erläuterung, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass Schwangerschaften, die als Folge sexueller Gewalt, zum Beispiel in Kriegen und gewaltsamen Konflikten, entstehen, für Frauen besonders dramatisch sind. Daher müssen sie unseren besonderen Schutz genießen, aber auch die Kinder, die in Krisengebieten leben.
In Art. 6 der UN-Kinderrechtskonvention steht, dass jedes Kind von Geburt an das Recht hat, zu leben. Wir müssen die Ziele der UN-Kinderrechtskonvention unterstützen, um den Kindern in diesen Ländern das Überleben zu sichern. Dazu gehört auch eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung, insbesondere auf unserem afrikanischen Partnerkontinent. Gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern müssen wir dafür sorgen, dass Frauen und Kinder Zugang zu einer menschenwürdigen Gesundheitsversorgung haben.
Das Ziel, dass nicht mehr vier von fünf Kindern vor ihrem fünften Geburtstag sterben müssen, müssen wir erreichen. Nach wie vor sind nämlich Lungenentzündung, Komplikationen infolge einer Frühgeburt oder während der Geburt, Durchfallerkrankungen und Malaria mit Abstand die häufigsten Todesursachen. Es sind Fortschritte erreicht worden, aber im Kampf gegen die Kindersterblichkeit wird das UN-Millenniumsziel 4 klar verfehlt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an einen Antrag meiner Fraktion aus der vergangenen Wahlperiode. Sollten wir das darin formulierte Ziel, 2015 zum Jahr der ersten HIV/Aids-freien Generation erklären zu können, erreichen, sind wir einen ganz großen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte aber auch noch auf ein weiteres Problem besonders hinweisen: die Registrierung von Kindern. Ebenfalls in der UN-Kinderrechtskonvention ist in den Art. 7 und 8 das Recht verbrieft, dass jedes Kind ein Recht auf seine Identität hat, das Recht hat, zu wissen, wer es ist, zu welchem Staat es gehört und wer seine Eltern sind. Warum ist das so wichtig? Es handelt sich hier nicht nur um einen rein bürokratischen Akt, den man vernachlässigen kann, nein. Weltweit sind rund 230 Millionen Kinder unter fünf Jahren in keinem Geburtsregister eingetragen, mit weitreichenden Folgen: Weder können sie ihre Nationalität nachweisen noch wann sie geboren wurden noch wie sie heißen.
Frau Kollegin, Sie müssen – –
Ja. – In Afrika südlich der Sahara besitzen 56 Prozent der Kinder Geburtsdokumente. In Somalia und Liberia werden aber nur 3 respektive 4 Prozent der Kinder registriert. Eines muss klar sein: Kinder ohne Geburtsschein sind juristisch inexistent und deshalb stärker dem Risiko von Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt ausgesetzt. Nicht registrierte Kinder sind in erhöhtem Maße gefährdet, Kinderhandel, Kinderarbeit oder einem verfrühten Einzug in bewaffnete Konflikte ausgesetzt zu sein.
Sie sehen: Es gibt noch viele, vor allem immens wichtige Herausforderungen, denen wir uns auf nationaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene gemeinsam mit unseren afrikanischen Partnern stellen müssen.
Das war ein hervorragender Schlusssatz.
Der EU-Afrika-Gipfel wird ein Meilenstein auf diesem Weg sein.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nun erhält der Kollege Johannes Selle das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3232525 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | EU-Afrika-Gipfel |