21.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 17

Klaus ErnstDIE LINKE - Mindestlohn

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von 2003 bis 2013 sind die Reallöhne in der Bundesrepublik Deutschland um 0,7 Prozent gesunken; das bedeutet 0,7 Prozent weniger für die Arbeitnehmer, obwohl gleichzeitig ein Wirtschaftswachstum von 13,6 Prozent real zu verzeichnen war. Wir haben besonders sinkende Löhne bei denen, die schon niedrige Löhne haben. Ich sage Ihnen: Eine Ursache dafür ist, dass bei uns, obwohl wir seit Jahren dieses Thema debattieren, nach wie vor kein gesetzlicher Mindestlohn vorhanden ist. Deshalb freue ich mich, dass die bei diesem Thema zahlreich anwesende Regierung einen Mindestlohn auf den Weg bringen will. Angesichts der Tatsache, dass das ein zentrales Thema dieser Regierung sein soll, steht die Anwesenheit hier im diametralen Gegensatz zur Bedeutung des Mindestlohns.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das liegt an Ihrem Antrag, nicht am Thema!)

Der Mindestlohn ist überfällig. Immer mehr Menschen sind im Niedriglohnbereich. 2012 waren es im Vergleich zu 1995 allein 2,5 Millionen Menschen mehr. Wir haben inzwischen 8,4 Millionen Menschen im Niedriglohnbereich. Da heute Equal Pay Day ist, aber nicht nur deshalb, möchte ich darauf hinweisen, dass es insbesondere Frauen sind, die von diesen Niedriglöhnen betroffen sind.

Es ist gut, dass ein Gesetz vorgelegt wurde. Ich finde es auch gut, mit welcher Leidenschaft inzwischen in der Koalition das Thema diskutiert wird. Was ich allerdings ein wenig befürchte, ist, dass zumindest ein Teil der Koalition besondere Leidenschaft den Ausnahmeregelungen widmet und nicht dem schnellen Zustandekommen eines Mindestlohns.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist sehr bedauerlich. Ich möchte Ihnen noch einmal ans Herz legen, warum nach unserer Auffassung diese 8,50 Euro wirklich zu wenig sind und warum wir einen Mindestlohn von 10 Euro dringend sofort bräuchten. Dafür gibt es einige Argumente.

Wir wissen, dass mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro die Leute gerade einmal so über das Existenzminimum kommen. Wir wissen aber auch, dass nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit 740 000 Menschen, 41 Prozent der alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger, trotz einer Vollzeitstelle bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro weiter im Hartz-IV-Bezug wären.

Die neueste Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation von 2014 zeigt, dass die Niedriglohnschwelle bei 9,30 Euro liegt. Wenn die Niedriglohnschwelle bei 9,30 Euro liegt, kommt niemand mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro aus dem Niedriglohnsektor heraus. Alle bleiben darin. Deshalb ist es doch logisch, dass 8,50 Euro zumindest dann, wenn man die Leute aus dem Niedriglohnsektor herausbringen will, eindeutig zu wenig sind. Deshalb brauchen wir einen Mindestlohn von 10 Euro.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiteres Argument. Wir haben nun auch die Aussage der Bundesregierung, dass 10 Euro notwendig wären, um mehr als die Grundsicherung im Alter zu bekommen, wenn man sein ganzes Leben lang für 10 Euro pro Stunde gearbeitet hat. Wir produzieren also die Leute, die im Alter wieder bedürftig sind.

Wir wissen weiter, dass Sie bis 2018 keine Erhöhung des Mindestlohns planen. Die 8,50 Euro Mindestlohn des Jahres 2010 – damals sind die entsprechenden gewerkschaftlichen Forderungen entstanden – werden im Jahr 2017 nach Abzug der Preissteigerungen nur noch 7,38 Euro wert sein. Im Jahr 2017 gibt es also bei weitem mehr Bedürftigkeit als jetzt. Die 8,50 Euro müssten zumindest dynamisiert werden. Daran, dass er nicht dynamisiert wird, übt übrigens auch der DGB heftige Kritik.

Ein weiteres Argument. Wir sind das wirtschaftlich stärkste Land in Europa; da liegen 8,50 Euro gerade so im Mittelfeld. Luxemburg, Frankreich, Niederlande, Belgien, Irland – alle liegen mit ihren Mindestlöhnen schon heute darüber. Deshalb sagen wir: Wir brauchen einen Mindestlohn von 10 Euro – sofort. Wir brauchen nach dieser langen Debatte nicht mehr lange herumzudiskutieren; die Debatten sind doch längst gelaufen.

Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will – das sagen alle Umfragen – 10 Euro und sogar ein bisschen mehr. Nach einer vom Handelsblatt in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage, veröffentlicht am 14. Juli 2013, haben selbst die Manager gesagt, dass 8,50 Euro zu wenig sind. Selbst die Manager haben sich für 8,88 Euro ausgesprochen – im letzten Jahr. Geben Sie sich doch einmal einen Ruck, und knausern Sie an dieser Lohnhöhe nicht so herum! Sie sind eh nicht betroffen; es sind eh die anderen betroffen. Daher könnten Sie an dieser Stelle doch wenigstens einmal das herbeiführen, was die Leute wirklich brauchen, nämlich ein Einkommen, das über der Armutsschwelle liegt – wenigstens das.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch deshalb schlagen wir in unserem Antrag die Koppelung an den Lohnindex vor.

Ich weiß überhaupt nicht, wie Sie begründen wollen, dass wir hier im Bundestag beschließen, die Abgeordnetendiäten direkt an den Lohnindex zu koppeln, um damit zu erreichen, dass die Abgeordneten nicht besser-, aber auch nicht schlechtergestellt werden, und dass Sie gleichzeitig diese Ankoppelung an den Lohnindex den abhängig Beschäftigten verweigern, besonders denen, die an der untersten Einkommensschwelle in dieser Republik liegen. Das ist mir so was von unverständlich, und im Übrigen finde ich es auch schofelig. Wie wollen Sie das draußen in Ihren Wahlkreisen begründen? Ich habe den Eindruck, Sie kommen mit den Leuten dort sehr wenig zusammen.

(Beifall bei der LINKEN – Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist eine starke Unterstellung!)

Meine Damen und Herren, geben Sie sich einen Ruck! An dieser Stelle ist noch viel zu verändern. Ich bitte Sie auch, über die von Ihnen geplanten Ausnahmeregelungen nachzudenken. Das Alter 18 Jahre als Untergrenze für den Mindestlohn einzuführen, ist eine Altersdiskriminierung. Ich garantiere Ihnen: Bei Klagen hat diese Regelung vor keinem Gericht Bestand.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Karl Schiewerling, CDU/CSU.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3232559
Wahlperiode 18
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Mindestlohn
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