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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Paschke hat gerade Theodor Storm zitiert. Theodor Storm kam mir auch in den Sinn, als ich den Antrag der Linken gelesen habe, aber in anderer Form. Theodor Storm hat die Geschichte vom kleinen Häwelmann geschrieben. Ich weiß nicht, wer von Ihnen diese Geschichte seinen Kindern vorgelesen hat. Der kleine Häwelmann konnte nie genug bekommen und hat sich in seinem Bettchen herumfahren lassen, bis die Sonne aufging und ihn ins Meer warf. Der kleine Häwelmann sagte immer: Mehr, mehr! Das hat, genau wie Ihr Antrag, Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, mit der Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Menschen hier im Land und ihren tatsächlichen Bedürfnissen nur wenig zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn ich mir Ihren Antrag durchlese, wird mir vor allem eines klar: Sie denken dabei nicht an die Langzeitarbeitslosen und auch nicht an die Erwerbsgeminderten. Genau die Gruppen, zu deren Anwalt Sie sich hier ständig berufen, vergessen Sie also.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie missachten mit Ihrer Forderung eines Mindestlohns von 10 Euro auch sämtliche Erfahrungen, die in anderen Ländern oder auch Studien gemacht worden sind. Ich möchte einmal das Beispiel Frankreich anführen. Frankreich ist ein Musterbeispiel dafür, dass Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten und den Einstieg in den Arbeitsmarkt von vornherein verhindern. Der Mindestlohn in Frankreich betrug zuletzt 9,43 Euro, und die Arbeitslosigkeit der 15- bis 24-Jährigen lag im letzten Jahr nach einer OECD-Studie bei fast 24 Prozent. Vor diesem Hintergrund stellen Sie sich hier hin und fordern einen Mindestlohn von 10 Euro! Da ist die Katastrophe für den deutschen Arbeitsmarkt doch vorprogrammiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um was geht es Ihnen bei Ihrem Antrag? Ich habe das Gefühl, es geht Ihnen einzig und allein darum, Ihr politisches Süppchen zu kochen. Seien Sie aber vorsichtig, Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, dass Ihnen das, was Sie da anrichten, nicht überkocht; denn in Ihrem Forderungstopf ist eindeutig zu viel drin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Über die Konsequenzen denken Sie anscheinend auch nur wenig nach. Das ist in meinen Augen nur eines: verantwortungslos.

Eines ist gewiss: Bei der Einführung einer Lohnuntergrenze ist Sensibilität notwendig. Für die Menschen, für die Wirtschaft und für unser ganzes Land steht zu viel auf dem Spiel.

Ja, es ist richtig: Der Mensch soll mit seiner Hände Arbeit wenigstens so viel erwirtschaften, dass er damit eine einfache Existenz sichern kann. Es ist ein Verdienst von beiden Parteien in der Koalition, dass wir uns zusammengefunden haben, gerade weil es uns um die Interessen der Menschen geht und auch, um im Interesse der Menschen zu handeln und zu entscheiden, die nicht die Kraft haben, sich hier durchzusetzen, auch im Interesse der Menschen, die keine Lobby für die Dimension dieser Herausforderung haben.

Auch wenn die Koalitionspartner verschiedene Denkansätze verfolgen, die SPD mit ihrem eher staatlich geprägten Denken, wir, die Unionsfraktion, von marktwirtschaftlichen Prinzipien geleitet –

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

diese marktwirtschaftlichen Prinzipien ermöglichen erfolgreiches Wirtschaften in Partnerschaft und haben uns gerade in den Jahren 2008/2009 durch die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise geführt –, so eint uns in der Koalition doch ein gemeinsames Ziel: Wir wollen, dass es den Menschen gut geht und damit unserem Land.

Was sagen Sie, Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, jungen Menschen ohne Schulabschluss, Geringqualifizierten, Langzeitarbeitslosen, denen der Einstieg in die Arbeitswelt durch den von Ihnen geforderten Mindestlohn erschwert wird? Ihr Ansatz bringt diesen Menschen keine Lösung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gehört nicht auch beim Thema Mindestlohn zur Wahrheit: „Um einen Mindestlohn zu erhalten, muss eine Mindestleistung erbracht werden“? Deshalb sagen wir als Unionsfraktion: Um Langzeitarbeitslosen den Einstieg in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, werden sie in den ersten Monaten ihrer Arbeit aus diesem Mindestlohnmodell herausgenommen; denn sozial ist, was Arbeit schafft. Wichtig ist uns in der Unionsfraktion: Ein Mindestlohn darf kein politischer Lohn werden, sondern muss ein von den Tarifpartnern ausgehandelter Lohn sein. Das hat sich bewährt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Daher lehnen wir als Unionsfraktion den vorliegenden Antrag ab; denn bei der Problemlösung hilft keine Radikalität. Wir werden eine marktwirtschaftliche Lösung realisieren, sorgsam und mit der Vernunft der Großen Koalition.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Voßbeck-Kayser, das war Ihre erste Rede hier im Deutschen Bundestag. Meinen Glückwunsch! Ich wünsche Ihnen viele weitere Redebeiträge im Hohen Hause.

(Beifall)

Nächste Rednerin ist für die SPD die Kollegin Daniela Kolbe, der ich hiermit das Wort erteile.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin wirklich von Herzen froh, dass er jetzt endlich kommt: ein gesetzlicher einheitlicher Mindestlohn für alle Beschäftigten. Wir wollen ihn einführen. Er wird in Ost und West gleich hoch sein; und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU])

Unsere Regierung wird damit das Leben von mehreren Millionen Menschen und ihren Familien verbessern. Viele werden nicht mehr vom Staat abhängig sein. Sehr viele werden weniger vom Staat abhängig sein. Viele Menschen werden sich etwas mehr leisten können. Vor allen Dingen werden sie sich sicherer fühlen. Das wird ihre Lebensqualität in jedem Fall verbessern und unser Land ein richtig gutes Stück gerechter machen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, Sie müssen schon verstehen, dass es uns darum geht – darauf sind wir stolz wie Bolle –, das Leben von Menschen konkret und Stück für Stück zu verbessern, und dass wir keine Lust darauf haben, ihnen etwas von einem Wolkenkuckucksheim zu erzählen, das wir leider nicht auf direktem Weg erreichen werden. Deshalb ist unser Ansatz, 8,50 Euro als allerunterste Haltegrenze einzuführen plus eine Mindestlohnkommission einzusetzen, die diesen Betrag anpassen wird, der goldrichtige Weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Warum erst 2017?)

Wir wissen schon lange, dass wir ein Problem mit Niedriglöhnen unter 8,50 Euro haben. Bereits im Jahr 2004 hat die SPD in Sachsen das Thema im Landtagswahlkampf aufgegriffen. Wir haben „Mindestlohn statt Billiglohn“ plakatiert, und jetzt endlich führt unsere Bundesministerin Andrea Nahles diesen Mindestlohn für alle in Deutschland ein.

(Beifall bei der SPD – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht!)

Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass diese Forderung in Sachsen aufgekommen ist. Nach Zahlen des IAQ ist in Deutschland jeder fünfte Arbeitnehmer von Löhnen unter 8,50 Euro betroffen. In den neuen Bundesländern ist es jeder Dritte. In meinem Heimatland Sachsen sind es mehr als 33 Prozent. Das sind mehr als 600 000 Menschen, für die wir ganz konkret etwas tun werden.

Frau Kollegin Kolbe, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Krellmann?

Sehr gerne.

Vielen Dank, Frau Kolbe. Sie haben eben davon gesprochen, dass der Mindestlohn für alle eingeführt wird. Aber es ging vorhin um Ausnahmen. Was sagen Sie denn zu den Ausnahmen, die von Ihrer so tollen Ministerin Nahles auch vorgeschlagen wurden?

(Lachen bei der SPD)

Mit dem vorliegenden Referentenentwurf bin ich persönlich sehr zufrieden, weil wir keinerlei Ausnahmen bei Branchen haben.

(Beifall bei der SPD)

Die Ausnahmen sind darin aufgeführt. Das ist ein Riesenpunkt. Wir haben bis auf die Gruppe der U 18, die Minderjährigen – worüber man diskutieren kann und wozu ich persönlich auch eine andere Auffassung habe –, keine Ausnahmen für Personengruppen vorgesehen.

Ich denke, dass wir damit einen sehr guten Kompromiss gefunden haben, der dem überwiegenden Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen und auch keine Ausweichbewegungen zulassen wird.

(Beifall bei der SPD)

Es war uns ganz besonders wichtig, dass wir das flächendeckend regeln und keinen Flickenteppich schaffen und dass der überwiegende Teil der Menschen davon profitieren kann. Dafür kann ich Andrea Nahles – Sie kennen ja unsere Konstellation hier – ein Riesenkompliment aussprechen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist super.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich war gerade bei den neuen Bundesländern stehen geblieben. Jeder Dritte im Osten wird von der neuen Regelung profitieren. Deshalb werden wir damit auch einen großen Schritt dazu leisten, dass sich die Löhne in Ost und West und dadurch auch die Rentenwerte angleichen.

Nach den gestern vorgelegten Zahlen gibt es immer noch einen Unterschied von etwa 8 Prozent zwischen den Renten in Ost und West. Wenn wir den Mindestlohn einführen, wird sich das weiter angleichen und auch einen weiteren Politikansatz, den wir uns vorgenommen haben, wesentlich leichter machen. Wir wollen nämlich auch die Rentensysteme in Ost und West angleichen, und wir machen das jetzt ein ganzes Stück leichter.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bis 2020! Das ist überfällig!)

Der gesetzliche Mindestlohn wird klug eingeführt. Ich habe das eben schon erwähnt. Wir machen keine Branchenausnahmen. Im Gegenteil, mit den Branchen, bei denen es Probleme geben könnte, hat Frau Bundesministerin gesprochen und kluge Lösungen vereinbart, ohne jedoch Ausnahmen für Branchen hinzunehmen. Es gibt Branchen, in denen es Probleme geben kann, zum Beispiel im Taxigewerbe, weil sie die Preise nicht selber bestimmen können. Deswegen ist es klug, dass man gemeinsam nach vernünftigen Lösungen sucht und sie dann auch findet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn es ist auch für die Unternehmen richtig und wichtig, den Mindestlohn einzuführen, und zwar ohne Schlupflöcher. Gerade in Ostdeutschland leiden viele ehrliche Unternehmer darunter, dass es eine Schmutzkonkurrenz gibt, bei der nur mit Billiglöhnen konkurriert wird. Dem schieben wir jetzt endlich einen Riegel vor.

Auch dass der Mindestlohn für alle Volljährigen gelten wird, ist sehr richtig. Denn wir wollen keine Ausweichbewegungen. Wir wollen nicht, dass die jungen Menschen die Billigheimer der Nation werden und Unternehmen ihre Geschäftsmodelle entsprechend stricken und auf junge Erwachsene ausrichten. Wir wollen, dass junge Menschen eine Berufsausbildung machen bzw. ein Studium aufnehmen. Genau das ist auch der Fall: Die jungen Menschen gehen nach der Schule an die Universität oder in die berufliche Ausbildung, obwohl sie in vielen Bereichen schon jetzt beim Jobben mehr als 8,50 Euro bekommen können. Trotzdem machen sie die Ausbildung oder studieren, obwohl sie auch als Ungelernte jobben könnten.

Warum machen sie das? Ungelernt will doch in diesem Land nun wirklich niemand sein. Das ist auch gut so. Das sollten wir unterstützen. Wir wollen das mit Jugendarbeitsagenturen tun, die jungen Menschen dabei helfen, einen Ausbildungsplatz zu finden und Betreuung aus einer Hand zu bekommen. Auch da hat die Große Koalition genau den richtigen Ansatz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Schluss. Herzlichen Dank an die Linke, dass wir heute über dieses wichtige Thema reden können. Ich freue mich schon auf den Gesetzgebungsprozess. Ich freue mich, ehrlich gesagt, auch riesig auf Silvester; denn ab dann wird es für sehr viele Menschen eine Verbesserung geben. Sogar bis dorthin wird es Verbesserungen geben. Wenn man sich die Tarifentwicklung anschaut, dann stellt man fest, dass es schon in vielen Branchen in die richtige Richtung geht, nämlich nach oben, in Richtung 8,50 Euro, und das ist auch gut so.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nächster Redner für die CDU/CSU ist der Kollege Kai Whittaker.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3234344
Wahlperiode 18
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Mindestlohn
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Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta