Ralf KapschackSPD - Mindestlohn
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen herzlichen Gruß auch an die Besucher auf der Zuschauertribüne.
Wer hätte das gedacht? Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir uns heute über die Höhe des Mindestlohns streiten, aber nicht mehr über seine Notwendigkeit?
(Beifall bei der SPD)
Wir reden heute über das Wie, aber nicht mehr über das Ob. Dass die Bundesregierung jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn auf den Weg bringt, ist das Verdienst der SPD.
(Beifall bei der SPD)
Ohne diese Verabredung hätte es keine Koalition mit der CDU/CSU gegeben; das ist völlig klar. Ich sage auch ganz persönlich: Für mich war das ein zentrales Argument, um in meiner Partei für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag zu werben. Also, es ist mittlerweile weitgehender Konsens in diesem Haus, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen. Ich gestehe: Ich finde das großartig.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert Weiler [CDU/CSU])
Ich weiß allerdings, dass bei dem einen oder anderen Mitglied unseres Lebensabschnittspartners die Begeisterung noch, sagen wir einmal, steigerungsfähig ist. Aber da leisten wir gerne Motivationshilfe, und wir geben auch gerne Tipps für Entspannungsübungen.
(Heiterkeit bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, jetzt zu Ihnen. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben, weil Sie Angst haben, dass Ihnen das Thema abhanden kommt, weil wir jetzt konkret handeln.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wir haben es seit 18 Jahren!)
Ich will Ihren Beitrag zu der Debatte überhaupt nicht kleinreden, aber wir müssen doch sagen, wie es ist. Sie haben im Oktober die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro gefordert.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das war der Bundesratsantrag!)
– Moment! – Sie haben – das ist richtig – gesagt, das sei eigentlich zu niedrig, aber Sie haben auch gesagt, als Einstieg, als erster Schritt sei es richtig. Diesen ersten Schritt machen wir jetzt, nicht mehr und nicht weniger.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie können uns doch nicht ernsthaft erzählen, Herr Ernst, dass sich die Datenlage seit Oktober grundlegend geändert habe – Sie sollten in Ihrer eigenen Argumentation schon stringent bleiben –, es sei denn, es handelte sich im Oktober und auch jetzt um reine Showveranstaltungen. Aber gerade Ihnen, Herr Ernst, will ich das nun überhaupt nicht unterstellen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Beifall des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Wir machen jetzt den ersten Schritt. Dass es in den nächsten Jahren eine deutliche Anpassung geben muss, ist doch völlig unbestritten. Wir sagen: Wer Vollzeit arbeitet, muss von dem, was er am Monatsende auf dem Konto hat, auch leben können. Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Von dort stammt ja die Lebensweisheit: „Grau ist alle Theorie – entscheidend ist auf’m Platz.“
(Mark Helfrich [CDU/CSU]: Richtig!)
Der Platz, das ist die Lebenswirklichkeit der Menschen. Mehr als 4 Millionen werden vom Mindestlohn, so wie ihn die Bundesarbeitsministerin auf den Weg gebracht hat, profitieren. Das ist eine ganz konkrete Verbesserung der Lebenswirklichkeit vieler Menschen.
Das hat auch etwas mit Würde und Gerechtigkeit zu tun. Mit dem Mindestlohn stellen wir sicher, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die nötige Anerkennung für ihre Arbeit bekommen. 8,50 Euro sind nicht das Paradies, das behauptet niemand. Der nordrhein- westfälische Arbeits- und Sozialminister Guntram Schneider hat einmal gesagt: 8,50 Euro, das ist so etwas wie Hartz IV de luxe. – Ich glaube, das trifft es ganz gut.
Für meinen Wahlkreis – ich komme aus dem Ruhrgebiet; ich habe es schon gesagt – hat Verdi ermittelt, dass mehr als 30 000 Beschäftigte einen Stundenverdienst von unter 8,50 Euro haben. Mehr als 11 000 Beschäftigte haben einen Stundenverdienst, der unter 6,50 Euro liegt. Sie alle werden von unserem Gesetz profitieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
6,50 Euro, das verdienen zum Beispiel die Taxifahrer in meiner Heimatstadt; um es einmal ganz konkret zu machen.
Ein gesetzlicher Mindestlohn hilft aber nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – das ist schon angesprochen worden –, er hilft auch, um Unternehmen vor Wettbewerb mit Lohndumping zu schützen. Ein Mindestlohn in Deutschland, allgemeinverbindlich und flächendeckend, stärkt die Tarifverträge; das erleben wir gerade.
Bei allem Respekt vor der Tarifautonomie: Wenn Tarifpartner dauerhaft nicht in der Lage sind, eine Entlohnung zustande zu bringen, die deutlich über dem Existenzminimum liegt, dann ist der Gesetzgeber gefordert, das sicherzustellen, und das machen wir jetzt.
(Beifall bei der SPD)
Jede lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Der erste Schritt, den wir mit 8,50 Euro Mindestlohn jetzt gehen, reicht Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, nicht; das verstehe ich sogar. Aber er ist ein Riesenschritt. Das zeigt sich, wenn ich mir die Diskussion der letzten Jahre anschaue und wenn ich mir anschaue, wo jetzt an allen Ecken und Enden noch gebohrt und gedrückt wird, um das Konzept des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu durchlöchern.
Der renommierte Arbeitsmarktforscher Gerhard Bosch hat den vorgesehenen Mindestlohn „eine der größten Sozialreformen der Nachkriegszeit“ genannt. Ich will ihm da nicht widersprechen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Kapschack. – Das war auch Ihre erste Rede. Auch Ihnen ganz herzlichen Glückwunsch von allen hier im Hause.
(Beifall)
Nächster Redner in der Debatte ist Kollege Mark Helfrich, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3234373 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 24 |
Tagesordnungspunkt | Mindestlohn |