21.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 17

Matthäus StreblCDU/CSU - Mindestlohn

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Thema Mindestlohn dürften sich alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien einig sein: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen von einer Vollzeitbeschäftigung leben können. Wir alle wissen aber auch, dass das längst nicht überall der Fall ist und dass hier dringend nachgebessert werden muss. Ein Schritt auf dem Weg ist die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Dieser Mindestlohn – diese Behauptung kann hier aufgestellt werden – wird kommen, und er wird bei 8,50 Euro in der Stunde liegen. Allerdings hat die Fraktion Die Linke nun den Antrag eingebracht, einen Mindestlohn in Höhe von 10 Euro einzuführen. Darüber werden wir heute befinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie dürfen mir glauben, wenn ich sage: Auch ich gönne den Beschäftigten eine solche Lohnuntergrenze. Allerdings habe ich bei aller Sympathie für einen Lohn von 10 Euro in der Stunde als Mindestlohn die Realität nicht aus den Augen verloren. Das zwingt uns, diesen Antrag der Linken abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es heißt immer – wohl auch zu Recht –: Deutschland ist ein reiches Land; der Wirtschaft geht es gut. Richtig ist: Es geht uns besser als anderen, und Vergleiche hinken bekanntlich immer. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass es in der Europäischen Union Länder gibt, die ihre Erfahrungen mit dem Mindestlohn bereits gemacht haben. Dies sind 21 von 28 Ländern mit höchst unterschiedlichen Mindestlöhnen. Spitzenreiter ist Luxemburg, das heute schon erwähnt wurde, mit 11,10 Euro, gefolgt von Frankreich mit 9,53 Euro.

Da möchte ich kurz verweilen. Wie es um die französische Wirtschaft und den dortigen Arbeitsmarkt bestellt ist, muss ich hier nicht unbedingt erläutern.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das liegt aber nicht am Mindestlohn!)

Ein hoher Mindestlohn ist also keineswegs Indiz für gesamtwirtschaftliches und persönliches Wohlergehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Große Koalition ist keine Klientelkoalition, sondern muss das gesamtwirtschaftliche Umfeld im Auge behalten. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst. Wir wägen ab und werden dementsprechend richtig entscheiden, wenn die Diskussion dann so weit gediehen ist. Es gibt genügend seriöse Experten, die uns in Gesprächen immer wieder gesagt haben: Bereits bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro könnten bestimmte Betriebe ins Straucheln kommen und damit Arbeitsplätze gefährdet werden. Das gilt umso mehr, meine sehr verehrten Kollegen von der Linksfraktion, bei einem Mindestlohn von 10 Euro.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns darf nicht dazu führen, dass einige etwas mehr verdienen, viele aber ihren Arbeitsplatz verlieren. Dabei könnten wir es uns einfach machen und der Forderung der Linken folgen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja, versuchen wir es doch mal!)

Beifall bekämen wir dann von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Aber Applaus ist bekanntlich nur das Brot, von dem Schauspieler leben – in einer fiktiven Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Realität sieht nämlich anders aus. Deshalb verzichten wir in diesem Fall auf den Beifall und orientieren uns an dem, was unserer Wirtschaft und den Beschäftigten gleichermaßen guttut.

Machen wir uns nichts vor: Bereits heute gibt es innerhalb der Großen Koalition berechtigterweise Diskussionen, aber vor allen Dingen Einvernehmen darüber, dass es bei der Einführung eines Mindestlohns eng begrenzte Ausnahmen geben wird, um nicht Arbeitsplätze zu gefährden. Ausnahmen könnte es beispielsweise bei Rentnern,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, nein, nein! Keine Ausnahme bei Rentnern!)

Auszubildenden oder Langzeitarbeitslosen geben. Darüber diskutieren wir derzeit noch. Wenn wir eine Lösung gefunden haben, werden wir entscheiden und das Richtige tun.

Die Meinungen über den Mindestlohn in der Gesellschaft reichen von Befürwortung bis hin zu Ablehnung; das muss man gerechterweise sagen. Die Wirtschaft sorgt sich, dass bei einem Mindestlohn zu wenig junge Menschen eine Ausbildung beginnen. Der Bauernverband fürchtet zum Beispiel um die Gurkenproduktion. Vieles andere wurde heute schon genannt. In München wurde darauf verwiesen, dass es schließlich auch Abiturienten geben soll, die in Ausbildungsberufe streben. Gegen jegliche Altersbeschränkung spricht sich zum Beispiel auch der Chef der IG Bergbau, Chemie, Energie aus. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende unseres geschätzten Koalitionspartners wiederum hält die Altersgrenze von 18 Jahren für „sehr gut begründbar“. Der Chor derer, die sich in unterschiedlichster Weise äußern, ist also groß und sehr vielfältig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Mindestlohn kommt. Er ist wichtig. Er darf aber keinesfalls derart attraktiv sein, dass junge Menschen auf eine Berufsausbildung verzichten. Ein Mindestlohn von 10 Euro, wie er im Antrag der Linksfraktion gefordert wird, würde einer solchen Entwicklung aber Vorschub leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege, denken Sie an die Zeit?

Ich denke an die Zeit, Frau Präsidentin, und komme langsam zum Ende.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Mindestlohn von 8,50 Euro hilft dem Einzelnen. Er kann auch als gewaltiges Investitionsprogramm bezeichnet werden. Wenn es stimmt, was das hannoversche Pestel- Institut berechnet hat, kommt es durch den Mindestlohn zu einem Kaufkraftzuwachs von gut 19 Milliarden Euro und damit zu einem Investitionsschub, der die Binnennachfrage stärkt.

Machen wir mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro einen Anfang. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen, dass wir uns für die Gesamtgesellschaft ebenso verantwortlich wissen wie für jede einzelne Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer. Die 10-Euro-Forderung der Linksfraktion ist keine gute Grundlage für eine verantwortungsvolle Politik. Wir lehnen den Antrag deshalb ab.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3234409
Wahlperiode 18
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Mindestlohn
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