21.03.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 24 / Tagesordnungspunkt 18

Cornelia MöhringDIE LINKE - Gerechte Entlohnung von Frauen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt wiederkehrende Ereignisse, die uns Freude machen, Rituale, Gedenktage, die wir gerne begehen. Es gibt aber auch Tage, deren sich wiederholender Anlass, ehrlich gesagt, überhaupt kein Grund zur Freude ist, so auch der Equal Pay Day. Jedes Jahr stellen wir Mitte März, nämlich am Equal Pay Day, fest, dass der Lohnunterschied, auch Gender Pay Gap genannt, unverändert bei 22 Prozent liegt. Übrigens übertreffen nur Österreich und Estland diesen Lohnraub innerhalb Europas. Unverändert sind seit vielen Jahren auch die Analysen. Zu zwei Dritteln liegen die Gründe für die ungleichen Löhne in der miesen Bezahlung in den sogenannten Frauenberufen und in der Tatsache, dass Frauen in mittleren und höheren Führungsebenen seltener als Männer vertreten sind, sowie darin, dass der Anteil von Frauen bei den Teilzeitbeschäftigten oder im Niedriglohnbereich immer noch 80 Prozent beträgt. Das letzte Drittel kommt zustande, weil Frauen auch für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden. Das ist und bleibt ein riesiger Skandal.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Machen wir es doch einmal ganz konkret: Eine Großhandelskauffrau erhält in 40 Jahren Erwerbstätigkeit 271 000 Euro weniger als ein Großhandelskaufmann. Bei einer Köchin beträgt die Differenz 100 000 Euro. Einer Ärztin entgehen in nur 35 Jahren 441 000 Euro, nur weil sie eine Frau ist. Der Lohnunterschied zwischen einer Erzieherin und einem Maschinenschlosser beträgt auf das Berufsleben gerechnet 231 000 Euro. Ich frage Sie: Warum bekommt eigentlich die Kollegin, die sich um das Wohl unser aller Nachwuchs kümmert, eigentlich so viel weniger, obwohl sie doch faktisch sogar mehr Verantwortung übernimmt?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das kann so nicht weitergehen. Es muss endlich gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit geben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bis zur Rente wird aus dem 22-prozentigen Gender Pay Gap ein 40,8-prozentiger Gender Pension Gap; das ist die Rentenungleichheit zwischen Frauen und Männern. Um dieser zunehmenden Altersarmut zu begegnen, müssen wir bei gerechten und guten Löhnen anfangen. Ich will jetzt nicht zur vorherigen Debatte zurückkommen; aber ich glaube, wir haben gute Anknüpfungspunkte, um zu begründen, warum es einen deutlich höheren Mindestlohn geben muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein weiterer wichtiger Gedenktag, nämlich der Internationale Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung. Der erwähnte Gender Pay Gap würde noch viel schlimmer aussehen, wenn wir die illegale Arbeit einbeziehen würden. Die Forschungslage ist dünn, aber sie ist existent. In einer Studie der Uni Hamburg wurde die Situation papierloser Menschen in der Hansestadt untersucht. Dort erfahren wir von Haushaltshilfen, die in einer Sechstagewoche 280 Euro verdienen, und von einem durchschnittlichen Stundenlohn von 4 Euro, der in der Gastronomie bezahlt wird. Auch dafür – das sage ich ganz deutlich – brauchen wir dringend Lösungen, damit papierlose Frauen nicht weiter dieser doppelten Diskriminierung ausgesetzt sind.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was will nun die Große Koalition gegen diese Ungerechtigkeiten unternehmen? Es soll Lageberichte zur Frauenförderung und Entgeltgleichheit in Betrieben mit über 500 Beschäftigten und ein individuelles Auskunftsrecht geben. Da zittert schon der Equal Pay Day vor seiner Auflösung. Diese Vorschläge suggerieren nämlich, dass der Gender Pay Gap auf eine tragische Ansammlung von Einzelschicksalen zurückgeht. Doch genau das ist falsch. Es geht um massenhaften Lohnraub, um strukturelle Diskriminierung von Frauen; es geht um politisches Versagen seit Jahren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es eigentlich nicht erstaunlich, dass das in dem Antrag der Grünen geforderte wirksame Instrument gegen diese Vereinzelung und gegen das politische Versagen, nämlich ein Verbandsklagerecht, von der Großen Koalition abgelehnt wird. Individuell gegen Diskriminierung klagen ist ein Hindernislauf: Es ist aufwendig, es ist langwierig, es ist teuer, es ist mühsam. Könnten aber Verbände und Gewerkschaften oder sogar die Antidiskriminierungsstelle Klage führen, müssten Frauen eben nicht mehr vereinzelt um ihre Rechte kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und mehr würden davon profitieren!)

– Sie würden davon sehr stark profitieren, ja.

Die in dem Antrag der Grünen vorgeschlagenen Kriterien und Bewertungssysteme, um gleichwertige Arbeit verbindlich vergleichbar zu machen und Berufe aufzuwerten, sind sehr sinnvoll. Wir teilen das. Ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, dass auch die SPD da schon einmal weiter war – vor GroKo-Zeiten. Denn was ist das für ein fragwürdiger Maßstab: Geht es um das Wohl der Menschen, wird mies bezahlt, geht es um Extraprofite und Wachstumswahn, wird Arbeit höher geschätzt. Das schadet uns allen, und das muss sich ändern.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Pflegerische und sorgende Arbeit muss dringend aufgewertet und besser bezahlt werden. Sorgen Sie endlich dafür, dass wir den Equal Pay Day am 1. Januar feiern können!

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Spätestens!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. – Für die SPD spricht jetzt Gabriele Hiller-Ohm.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3234440
Wahlperiode 18
Sitzung 24
Tagesordnungspunkt Gerechte Entlohnung von Frauen
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