03.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 26 / Tagesordnungspunkt 3

Andrea NahlesSPD - Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung legt heute ihr erstes wichtiges Gesetzespaket vor. Das Rentenpaket hat eine klare Botschaft: Wir halten Wort. Denn das, was wir hier heute auf dem Tisch liegen haben, haben wir den Menschen in unserem Land versprochen.

Das Rentenpaket hat eine klare Aussage. Sie geht über den einzelnen Rentenbescheid hinaus. Wenn wir die Lebensleistung von Müttern sowie von langjährig Versicherten, die unseren Sozialstaat über Jahrzehnte mit ihren Beiträgen stabilisiert und getragen haben, anerkennen, dann schaffen wir mehr Gerechtigkeit, und dann senden wir ein klares Signal: Wir erkennen die Lebensleistung von Menschen in unserem Land an.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In vielen Begegnungen der letzten Wochen wurde mir deutlich, dass die Botschaft auch ankommt. Als ich am Internationalen Frauentag in Andernach Rosen verteilte, kam eine Frau auf mich zu und erzählte mir: Ich habe drei Kinder großgezogen; die haben alle studiert. – Das war ihr ganz wichtig; das hat sie mehrfach betont. – Dass das endlich anerkannt wird, das freut mich. Kriegen Sie das Gesetz denn auch hin? – Ja, das kriege ich hin, sagte ich.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dieses Beispiel macht deutlich: Die Intention dieses Gesetzes, das, was wir machen, kommt bei den Menschen wirklich an. Daran merkt man: Es ist nicht geschenkt, es ist verdient. Das ist ein ganz zentraler Punkt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Die Rentendebatte hat schon hohe Wellen geschlagen. Die Vorhaben werden von manchen als Nachteil für die jüngere Generation ausgelegt. Ich begegne vielen jungen Menschen: Die gehen nicht auf die Barrikaden. Der Wohlstand unseres Landes hängt sehr stark damit zusammen, dass wir gute und leistungsfähige Unternehmen haben, gut ausgebildete Fachkräfte, Menschen mit Pflichtbewusstsein, die ihrer Arbeit nachgehen. Der Wohlstand unseres Landes hängt aber auch damit zusammen, dass wir Solidarität üben, Solidarität zwischen Arm und Reich, zwischen Jung und Alt. Das ist ein Kerngedanke der sozialen Marktwirtschaft, die Gott sei Dank über Jahrzehnte unser Land geprägt hat.

In diesem Geiste finden es die Jungen in einer übergroßen Mehrheit völlig in Ordnung, dass wir das für ihre Mütter, Großmütter und ihre Väter tun. Das, was wir heute vorlegen, finden sie vollkommen gerecht, auch generationengerecht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich sage ganz deutlich, meine Kolleginnen und Kollegen: Wer sich um Kinder gekümmert hat, der hat seinen Beitrag zum Generationenvertrag geleistet.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Deswegen rechnen wir die Erziehungsleistungen stärker an. Deswegen bekommen 10 Millionen Menschen – es sind vor allem Frauen – eine höhere Mütterrente.

Eine andere Begegnung: Als ich am letzten Wochenende nach Hause fliegen wollte und gerade meinen Flugschein vorgezeigt habe, sagten zwei ältere Damen in einem etwas rauen Ton, wie das in Berlin so üblich ist, zu mir: Kommen Sie mal mit! Ich dachte: Oje, was ist jetzt los? Ist mit meinem Flugschein etwas nicht in Ordnung? Aber es kam etwas völlig anderes. Die beiden älteren Damen erzählten mir, sie seien 62 und 63 Jahre alt und arbeiteten beide schon seit 44 Jahren. Eine der beiden Damen fragte mich: Schaffen Sie das mit der abschlagsfreien Rente nach 45 Beitragsjahren? Da habe ich gesagt: Ja, das schaffe ich.

(Beifall bei der SPD)

Was wir damit zum Ausdruck bringen, ist: Wer 45 Jahre gearbeitet hat, also 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, der hat gegenüber drei bis vier Generationen von Rentnerinnen und Rentnern seine Pflicht im Generationenvertrag erfüllt. Das erkennen wir an, indem es keine Abschläge mehr geben soll. Das gilt jetzt für die rentennahen Jahrgänge, anschließend wächst es wieder auf.

Auch diese Regelung wurde kritisiert: Sie gelte nur für eine bestimmte Zahl von Menschen. – Das ist richtig. Genau diejenigen sind es, die unsere besondere Anerkennung verdienen. Denn das sind diejenigen, die direkt von der Schule in den Beruf gegangen sind, die 45 Berufsjahre durchgezogen haben.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben die anderen das nicht?)

Diese Menschen haben noch durchschnittliche Arbeitszeiten von 45 Stunden in der Woche gehabt. Der freie Samstag musste noch erkämpft werden. Auch der Arbeitsschutz, der mittlerweile Standard ist, galt in den 70er-Jahren noch nicht.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie doch keine Märchen!)

Vor diesem Hintergrund – das will ich Ihnen ehrlich sagen – ist es klar: Diese Leute haben ihr Soll erfüllt. Ihre Arbeitsjahre merken sie jeden Tag in den Knochen. Deswegen ist diese Regelung gerecht. Deswegen werden wir sie auch umsetzen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich will genauso klar sagen: Ich habe überhaupt kein Interesse daran, dass diese Regelung ausgenutzt wird, um neue Frühverrentungen zu befördern. Deswegen führen wir – dafür bietet die parlamentarische Debatte der nächsten Wochen ja auch eine gute Gelegenheit – intensive Gespräche über die Frage: Wie kann man verfassungskonform verhindern, dass diese Regelung ausgenutzt wird? Wenn es dabei zu Antworten im parlamentarischen Verfahren kommt, bin ich sehr froh darüber.

Ein wichtiger Punkt für mich ist die Tatsache, dass heute nur 14,7 Prozent der über 63-Jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Das müssen wir ändern. Aus diesem Grund werden wir die Altersgrenze schrittweise von 63 auf 65 Jahre anheben. Wenn wir es in demselben Zeitraum schaffen würden, die Zahl der Beschäftigten von 14,7 Prozent auf 50 Prozent zu bringen, dann hätten wir schon viel erreicht. Ich sage an dieser Stelle deswegen auch: Wir müssen dafür sorgen, dass von den Unternehmen – viele haben es schon verstanden; einige aber leider noch nicht – die Arbeit von Älteren wertgeschätzt wird. In der Vergangenheit war es oft genug so, dass Ältere ganz schnell zum alten Eisen zählten. Sie behinderten die Effizienz und den Erfolg im Wettbewerb. Das ist Schnee von gestern. Wir brauchen die Erfahrung der älteren Arbeitnehmer, der älteren Fachkräfte in unserem Land.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das sehen wir ja auch hier im Bundestag. Hier im Hohen Haus ist niemand seit 45 Jahren dabei.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wolfgang Schäuble!)

– Moment, Kollege Schäuble immerhin fast. Für das, was er in seinen 42 Jahren hier geleistet hat, hat er auf jeden Fall meine Anerkennung. Allerdings hat er nicht in die Rentenversicherung einbezahlt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will damit nur sagen: Wir wollen ausdrücklich, dass gerade die Erfahrung der Älteren in unserer Gesellschaft ihren Platz hat. Ich habe auch kein Problem, darüber zu reden, wie wir den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente zwischen 60 und 67 Jahren oder auch danach besser und flexibler gestalten können, als wir das jetzt tun. Dazu gibt es kluge Vorschläge. Die finde ich gut.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich sage Ihnen aber auch: Ich kann mir da vieles vorstellen, solange ich dafür die finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt bekomme.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In dem Rentenpaket, das jetzt vorliegt, geht es auch um eine bessere finanzielle Ausstattung der Reha. Für geburtenstarke Jahrgänge muss genug Geld da sein, damit die Forderung „Reha vor Rente“ auch eingelöst werden kann. Es geht nämlich um den Wiedereinstieg ins Berufsleben und nicht um das Abschieben aufs Altenteil. Das ist der Kern der Vorschläge zum Rehabudget. Wo es am Ende aber nicht mehr geht, wo wir das nicht mehr schaffen, wo die Menschen krank sind, werden wir solidarisch einstehen. Wer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, zu arbeiten, der wird künftig bei verminderter Erwerbsfähigkeit besser abgesichert werden. Auch das ist beides im Rentenpaket enthalten.

Das Rentenpaket umsetzen heißt Wort halten. Es ist eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft. Es zeigt, dass diese Koalition sich vorgenommen hat, gute Arbeit, gute Renten und ein gutes Leben für die Menschen in unserem Land zu realisieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Birkwald für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Electoral Period 18
Session 26
Agenda Item Leistungsverbesserungen in der Rentenversicherung
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