Christian SchmidtCDU/CSU - Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich entnehme der Rednerliste, dass Kollege Wiese heute seine erste Rede im Parlament hält.
(Dirk Wiese [SPD]: Das ist falsch!)
– Nicht. Dann haben wir heute vielleicht einen anderen Neuling. Ich wollte damit nur darauf hinweisen, dass ich zwar schon die eine oder andere Rede in diesem Hause gehalten habe, aber meine heutige Rede zur Landwirtschaft meine erste in dieser Zuständigkeit ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Spannung ist entsprechend hoch!)
Insofern fühle ich mich mit den Erstrednern sehr verbunden.
Herr Minister, das Präsidium verfolgt das natürlich auch mit besonderer Aufmerksamkeit. Ich kann Ihnen den Bonus für Erstredner, den das Präsidium im Übrigen gelegentlich gewährt, trotzdem nicht in Aussicht stellen.
(Heiterkeit und Beifall)
Herr Präsident, herzlichen Dank. Aber man versucht es doch immer wieder.
(Heiterkeit)
Ich will allerdings darauf hinweisen – wenn Sie noch eine persönliche Bemerkung gestatten –, dass ich bisher insbesondere in Ministerien tätig war, die nicht unmittelbar Erfahrungen mit dem Föderalismus in voller Intensität haben. Das Bundesministerium der Verteidigung und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ziehen Bundeskreise, aber keine stark föderalen Kreise. Das ändert sich jetzt natürlich für mich sehr. Frau Kollegin Höfken, wir beide, Sie und ich, und 15 andere Landesminister und Senatoren werden sich ab heute Mittag in Cottbus zur Agrarministerkonferenz treffen. Ich darf schon jetzt darauf hinweisen – ich bedanke mich für das Verständnis bei allen Fraktionen –, dass das für mich bedeutet, dass ich leider nicht die gesamte Debatte verfolgen kann,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schade!)
sondern mich nach der ersten Runde hier verabschieden muss; denn dann darf ich mich den geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Länder stellen.
(Ute Vogt [SPD]: Zuwenden!)
Landwirtschaft gehört in die Mitte der Gesellschaft. Sie sichert unsere Lebensgrundlagen. Sie sichert auch weite Teile unserer so geschätzten Lebensqualität. Deshalb halte ich es für sehr angemessen und freue mich darüber, dass die Landwirtschaft heute in der Kernzeit in diesem Haus debattiert wird.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das ist Ausdruck von Wertschätzung für Wertschöpfung. Darum wird sich mein Ministerium als Lebensministerium in dieser Legislaturperiode kümmern, auch in der Hoffnung, dass wir weitere Debatten zu guter Zeit führen können.
Die fast 300 000 Bauernfamilien, die wir in Deutschland haben, stehen am Anfang der Wertschöpfungskette. Im christlichen Sinne ziehen sie die Früchte aus dem Boden und arbeiten als Gärtner mit der Schöpfung. Sie haben den Auftrag, Menschen zu ernähren und mit den natürlichen Ressourcen schonend umzugehen. Dabei erfüllen sie Aufgaben und Auflagen im Interesse der Gesellschaft, die über den Preis nicht abgegolten werden können. Zudem haben sie mit natürlichen Widrigkeiten zu kämpfen. Mehr als alle anderen sind sie von der Witterung und von klimatischen Entwicklungen betroffen.
Im Gegenzug, so meine ich, haben sie Unterstützung verdient: Direktzahlungen, und zwar unabhängig davon, wie viel und was sie produzieren – ich glaube, es ist der richtige Weg, dies zu entkoppeln –, gebunden an die Fläche, die sie pflegen, und bald deutschlandweit in gleicher Höhe; bis heute fallen die Direktzahlungen in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich hoch aus. Verweigern wir unseren Bauern diese Unterstützung, gefährden wir die vielfältigen Agrarstrukturen und beeindruckenden Landschaften in Deutschland. Darum geht es heute in dieser Debatte.
Wie gestalten wir ab 2015 ein System der Anerkennung für Leistungen, von denen wir alle als Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren? Ja, die Zahlungen sollen der Natur und unseren Lebensgrundlagen und natürlich insbesondere der Landwirtschaft zugutekommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe damit den Spannungsbogen dargestellt, innerhalb dessen wir uns, wie ich meine, am besten in einer pragmatischen, vernünftigen Weise auseinandersetzen. Es geht um fundamentale Gerechtigkeitsfragen. Die politischen Entscheidungen, ob in Brüssel, hier im Deutschen Bundestag oder im Bundesrat, wirken sich unmittelbar auf wirtschaftliche Existenzen und das Schicksal von Menschen aus, die an erster Stelle in der Wertschöpfungskette Verantwortung übernehmen. Ich meine, dass es richtig und gut ist, dass wir dem Anspruch auf Verlässlichkeit und Planungssicherheit gerecht werden.
Die Direktzahlungen haben für viele Bauern im Land eine Schlüsselbedeutung. Der durchschnittliche Anteil der Direktzahlungen am Einkommen der Betriebe lag im Wirtschaftsjahr 2012/2013 bei einem Drittel, bei 34 Prozent. Mit anderen Worten: Die Direktzahlungen sind eine ihrer Existenzgrundlagen. Unabhängig davon, wie man sich dazu stellt, muss jedem klar sein: Wir müssen unseren Landwirten diesen Ausgleich für besonders hohe Anforderungen zubilligen.
Lassen Sie mich nebenbei bemerken, dass ich aufgrund meiner langjährigen parlamentarischen Erfahrung mit Regelwerken und Gesetzen glaube, ein wenig Ahnung zu haben. Aber angesichts der Volumina und Details der Regelungen im landwirtschaftlichen Bereich kommt es zu Überraschungseffekten,
(Ute Vogt [SPD]: Das kenne ich, ja!)
die auch alte Fahrensleute noch in tiefes Erstaunen versetzen und manche Frage auslösen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Kollege Ostendorff, mir hat ein erfahrener grüner Politiker – nicht mehr aktiv – vor ein paar Tagen gesagt: Passt bitte auf, dass ihr bei der Ökoverordnung, die die Europäer auf den Weg bringen wollen, keine Handbücher schreibt,
(Heiterkeit des Abg. Willi Brase [SPD])
sodass sie niemand mehr wirklich umsetzen kann, vor allem die kleineren Betriebe nicht. – Wir müssen den deutschen Bauern, was die finanzielle Seite angeht, im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Stabilität versprechen.
4,8 Milliarden Euro stehen pro Jahr für die Direktzahlungen zur Verfügung, und das bis zum Jahr 2020. Sie wissen, dass wir vor einigen Jahren ganz andere Befürchtungen hatten. Es gab allerhand Begehrlichkeiten, ob sie nun von anderen europäischen Ländern – ich erinnere an die Diskussion mit den osteuropäischen Nachbarn – oder von anderen Politikbereichen vorgetragen wurden; es wurde gesagt, Landwirtschaft sei doch keine Zukunftsbranche. Nein, die Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche, und es ist ein großer politischer Erfolg, dass es keine dramatischen Kürzungen geben wird. Ich bedanke mich bei allen dafür.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Neben der Einkommenssicherung und der Risikovorsorge für unsere Landwirte haben wir ein weiteres Ziel fest im Blick: Wir wollen die Bedingungen für eine nachhaltige Landwirtschaft verbessern. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auch basierend auf den Beratungen der Sonder-Agrarministerkonferenz vom November letzten Jahres die Umschichtung der Mittel fest verankert hat.
Wir wollen 4,5 Prozent der jährlichen Obergrenze für die Direktzahlungen als zusätzliche Mittel für die Förderung der ländlichen Entwicklung umschichten. Das macht rund 229 Millionen Euro aus, Jahr für Jahr. Damit stehen den Ländern 1,1 Milliarden Euro zusätzlich für eine nachhaltige Landwirtschaft zur Verfügung. Dieses Geld kann gut investiert werden: für Grünlandstandorte, für eine besonders tiergerechte Haltung, für die Haltung von Raufutterfressern, für Agrar-, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen, für den Ausbau des ökologischen Landbaus. Ich bin froh, dass wir in eine Zeit kommen, in der keine ideologischen Gegnerschaften mehr kultiviert werden, sondern eher das Miteinander die Perspektive ist.
Die Bundesländer haben sich verpflichtet, die zusätzlichen Mittel für diese Zwecke und damit landwirtschaftsnah zu verwenden. Ich nenne das politisch sinnvoll und eine Umschichtung mit Augenmaß. Ja, wir nehmen von dem Geld, das den Bauern bislang unmittelbar zugutegekommen ist; aber im Vorfeld waren hier noch ganz andere Beträge in der Diskussion. Zugleich hilft diese Umschichtung dabei, die Mittel im ländlichen Raum zu halten. Es sind die EU-Fördermittel ja um insgesamt fast 9 Prozent gekürzt worden.
Die Fördermittel sollen im Ergebnis um 4 Prozent anwachsen. Kein Zweifel: Beides, starke Landwirtschaft und starke ländliche Entwicklung, geht bei uns, bei dieser Bundesregierung, Hand in Hand. Die Förderung der Landwirtschaft wird umweltgerechter; denn 30 Prozent der Direktzahlungen kommen künftig dem Umwelt- und Klimaschutz zugute. Unsere Landwirte müssen zusätzliche Leistungen erbringen. Sie dienen dem Erhalt von Dauergrünland, sie garantieren eine größere Vielfalt beim Anbau der Feldfrüchte, und sie führen zu ökologischen Vorrangflächen. Ab 2015 müssen unsere Landwirte 5 Prozent der Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen bereitstellen. Das EU-Recht eröffnet ihnen dabei einen Katalog von Möglichkeiten, den wir nutzen sollten. Der reicht von Landschaftselementen wie Hecken und Baumreihen über Pufferstreifen an Gewässern bis hin zu Feldrandstreifen und Brachflächen. Zum Stichwort „Baumreihen“ sei nur ganz kurz gesagt: Ich höre, dass in den Ausführungsbestimmungen der Europäischen Kommission die Baumkronenbreite schon auf genau 4 Meter festgelegt ist. Ein Wunsch an unsere Techniker wäre dann, dass wir solche Messungen möglicherweise satellitengestützt vornehmen könnten. Ich will damit nur sagen: Liebe Leute, die ihr in Europa tätig seid, lasst bitte mal die Kirche im Dorf und den Baum dort, wo er steht!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Weiter zu nennen sind Flächen mit Zwischenfrüchten und Eiweißpflanzen.
Mit all diesen Möglichkeiten werden wir unsere Landwirte zukünftig zu mehr Umweltschutz und Biodiversität ermutigen, und das ist gut und richtig so.
Wenn wir es anders machen würden, müssten wir stilllegen. Stilllegung ist aber keine Antwort; Stilllegung ist eigentlich ein Stück Kapitulation vor dem, was ansteht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das heißt allerdings auch, dass wir auf ökologischen Vorrangflächen eine Bewirtschaftung nach guter fachlicher Praxis zulassen wollen. Es findet sich ein hohes Maß an Flexibilität in diesem Gesetzentwurf. Aber das heißt auch, dass die gute fachliche Praxis bei Zwischenfrüchten und Eiweißpflanzen möglich sein muss. Wir wollen den Landwirten mit unserem Gesetzentwurf diese Flexibilität geben.
Ein Wort zur nationalen Umsetzung; das wird auch Thema der Beratungen sein. Ich will das Struck’sche Gesetz jetzt nicht zitieren, zumal es sich um eine Vorlage handelt, die ich eingebracht habe; aber dass das Europäische Parlament sich bei der Zustimmung zu den sogenannten delegierten Rechtsakten nach Art. 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union nach dem Lissabonner Vertrag – das ist ein neues Instrument, das die Kommission hat – gegenwärtig schwertut, zeigt, dass hier noch Gesprächs- und Erörterungsbedarf ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden heute Abend mit der EU-Kommission das eine oder andere besprechen können. An praktikablen Lösungen für Themen wie „der aktive Landwirt“ müssen wir noch weiter arbeiten.
Wir haben keine Kürzung oder Kappung der Direktzahlungen für sehr große Betriebe vorgesehen. Wir sagen nicht nur im Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft: Die kleineren und mittleren Betriebe sollten schon gefördert werden, weil sie besondere Bedingungen haben. – Es ist also keine Kappung, sondern eine gewisse Unterstützung der kleineren Betriebe. Wir haben uns, wie Sie wissen, auf zusätzlich rund 50 Euro pro Hektar für die ersten 30 Hektar und etwa 30 Euro für die nächsten 16 Hektar geeinigt.
„Der aktive Landwirt“ ist ein Begriff, der noch in eine Auslegungsliste der EU-Kommission kommen muss. Dazu sage ich: Wir dürfen nicht in zu starkem Maße mit Negativlisten arbeiten.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Alles okay!)
– Herr Präsident, ich entnehme der Gestik des Herrn Fraktionsvorsitzenden, dass er mir vielleicht noch etwas schenkt.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir kämpfen für die Redezeit! – Heiterkeit)
Lieber Christian Schmidt, es ist Verhandlungssache, wem wir dann die Redezeit wegnehmen. Aber ich will Sie natürlich nicht unterbrechen. Das muss in Ihren Reihen geklärt werden. – Bitte schön.
Vorschlag: Ich bin in Kürze fertig; dann sind die Verhandlungen, wie ich das gern habe, schiedlich-friedlich konstruktiv zu Ende geführt.
Ich kann natürlich nicht eine Diversifizierung im Einkommen fordern, sagen: „Ihr Landwirte müsst auch andere Einkommensquellen sinnvoll erschließen“, und anschließend, wenn sie das tun, meinen: „Jetzt seid ihr aber keine reinen Landwirte mehr. Ich muss euch ausschließen.“ – Das geht nicht!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir brauchen ein System der Anerkennung für die Bauernfamilien und ihre unverzichtbare Wertschöpfung. Ich denke, dass uns dies bei diesem Gesetzentwurf in guter Weise gelungen ist.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Christian Schmidt. Viel Erfolg bei Ihrer künftigen Arbeit, nicht nur für den ländlichen Raum!
Nächste Rednerin: Dr. Kirsten Tackmann für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3271619 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe |