03.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 26 / Tagesordnungspunkt 4

Willi BraseSPD - Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, mein Vorredner hat in bemerkenswerter Art und Weise auf die Entwicklung der Diskussion über die GAP hingewiesen. Ich kann nur sagen: Ich bin ein Stück weit begeistert, was Sie hier ausgeführt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und Ostdeutschland gebasht!)

Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten – ich werde seinen Titel zitieren, weil mir selten so etwas Tolles untergekommen ist –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

lautet „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik“. Wir wollen 4,8 Milliarden Euro, 4,5 Prozent der jährlichen nationalen Obergrenze für die Direktzahlungen, als zusätzliche Förderung für die ländliche Entwicklung bereitstellen. Dies soll im Rahmen der bisherigen Betriebsprämienregelung bestehende regionale Unterschiede beim Wert der Direktzahlungen bis 2019 abbauen. – Das hört sich schon gut an.

Wir wollen uns einer neuen Basisprämienregelung schrittweise annähern, damit wir 2019 bundesweit einheitliche Werte für Zahlungsansprüche je Hektar für die Basisprämie haben. – So weit, so gut.

Wie wird dieser Anspruch umgesetzt? Frau Präsidentin, Sie gestatten mir, dass ich aus dem § 9 des Gesetzentwurfs zitiere:

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn ich Ihnen jetzt die Begründung zu § 9 vorlesen würde, würde ich wahrscheinlich drei Minuten zitieren. Mir wäre aber immer noch nicht klar, wie die regionalen Unterschiede bis 2019 auf den Punkt gebracht werden.

(Heiterkeit bei der SPD – Norbert Schindler [CDU/CSU]: Dann komm mal zu mir! Ich bringe es dir bei!)

Wie ist das eigentlich zu verstehen? Was sagt uns dieser Text? Ich glaube, wenn wir so mit der Gemeinsamen Agrarpolitik umgehen, dann wird es sehr schwer werden, die Verhandlungen zwischen Landeswirtschaftsministern und Bundeslandwirtschaftsministerium als klar und deutlich darzustellen. Das wird nicht dazu führen, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik die Agrarpolitik besser finden; im Gegenteil: Sie werden diesen Finanzierungsansatz nicht mehr verstehen. Ich behaupte, dass auch eine Menge der Kolleginnen und Kollegen im Bundestag diesen Ansatz nicht mehr versteht.

(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Ich bringe es ihnen bei!)

Er ist ein Stück weit Ausdruck der vermachteten Landwirtschaftspolitik in unserem Land. Wenn wir mehr Anerkennung der Agrarpolitik wollen, müssen wir eigentlich dafür sorgen, dass mehr Klarheit in der Sache hergestellt wird, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für mich ist dieses Beispiel auch ein Ausdruck dafür, dass wir in der Perspektive darüber nachdenken müssen, ob das Zwei-Säulen-Modell – Direktzahlungen und Entwicklung des ländlichen Raums – eigentlich noch richtig ist. Herr Staatssekretär, richten Sie dem Minister aus, dass ich dankbar bin, dass er als langjähriger Parlamentarier heute bei seiner ersten Rede als Minister indirekt auf diesen Tatbestand hingewiesen hat, indem er ganz klar zum Ausdruck gebracht hat, dass ihm manche Kompliziertheiten im Gesetzgebungsverfahren so noch nicht untergekommen sind. Ich halte diese Formulierung, mit der wir das sozusagen zur Befriedung aller am Agrarmarkt Beteiligten umzusetzen versuchen, für nicht dienlich. Sie wird uns bei dem Ziel „mehr Anerkennung der Gemeinsamen Agrarpolitik“ nicht weiterführen.

Ich will einen zweiten Punkt inhaltlich ansprechen, zu dem mein Kollege Wiese schon Ausführungen gemacht hat. Wir haben im Vorfeld und auch vor dem Hintergrund der Anhörung, die wir am kommenden Montag durchführen werden, nachgefragt: Wie ist es eigentlich mit der Anrechnung regional entfernt liegender Pachtflächen als Greening-Flächen? Wir haben den Wissenschaftlichen Dienst bemüht. Der Wissenschaftliche Dienst hat uns mitgeteilt: Wenn dort Änderungen gewünscht sind, sind diesbezügliche gesetzliche Maßnahmen nur auf der EU-Ebene zu treffen. – Deshalb finde ich es gut und richtig, wenn unsere EU-Parlamentarier diese Frage im Zusammenhang mit den delegierten Rechtsakten diskutieren. Wir wollen nicht, dass sozusagen über große Entfernungen hinweg zusätzliche Pachtungen vorgenommen werden und in den betroffenen Regionen unsere Landwirte darunter leiden, dass die Pachten steigen, möglicherweise auch die Kosten für Eigentumserwerb steigen, und sie das Nachsehen haben gegenüber den Betrieben, die von weither kommen und solche Pachtungen vornehmen. Wir lehnen das ab, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir fühlen uns in dieser Position ein Stück weit unterstützt durch die Debatte im Bundesrat, im Landwirtschaftsausschuss. Dort geht es darum – ich darf zitieren, Frau Präsidentin –: Ökologische Vorrangflächen sollen in einem räumlichen Bezug zur Betriebsstätte liegen, um insbesondere eine Verlagerung der Verpflichtung von landwirtschaftlichen Gunstregionen auf ertragsschwache Standorte zu verhindern. – Ich finde, hier sollte sich endlich die Mehrheit der Landesagrarminister durchsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir die Regelung zur Basisprämie nach der Anhörung in die endgültige Gesetzesform umgesetzt haben und das 2019/20 dann auch bundesweit angeglichen haben, dann haben wir ein Ziel erreicht. Aber wir haben noch ein zweites großes Ziel: Wir wollen mittelfristig den Ausstieg aus den Direktzahlungen. Wir wollen, dass die Förderung im Rahmen der ersten Säule weitestgehend übergeht in die Förderung im Rahmen der zweiten Säule. Wir wollen die Entwicklung der ländlichen Räume. Das Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ soll und muss Zug um Zug umgesetzt werden. Ich glaube, wenn man Steuergeld ausgibt, dann darf man erwarten, dass dafür auch entsprechende Leistungen erbracht werden. Das ist ein richtiger Weg.

Von daher sehen wir als SPD-Fraktion den heute vorliegenden Gesetzentwurf – die endgültige Fassung bleibt natürlich der weiteren Beratung vorbehalten – schon als Weg dahin, dass wir 2020 mehr auf die zweite Säule übergehen. Wir fangen mit nur 4,5 Prozent der Mittel an. Herr von Marwitz, Sie hatten recht; vielleicht waren oder sind wir nicht bereit, mehr dafür zu geben. 15 Prozent wären oder sind noch möglich.

(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Für was?)

Es gibt nun die Einigung; daran kommen wir nicht vorbei.

(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss ja entschieden werden!)

Aber wir fühlen uns auch durch das Thünen-Institut unterstützt. In dem für Montag vorgelegten Gutachten wird deutlich ausgeführt: Mittel- und langfristig muss mit den Unterschieden zwischen den Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik Schluss sein. Wir wollen, dass hier eine Änderung erfolgt.

Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir bei der nationalen Umsetzung der GAP besonders die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklungen der ländlichen Räume im Auge haben. Wir wollen diese Räume fördern. Für meine Fraktion sage ich hier: Dies ist für uns Ausdruck einer Politik, die auf die Entwicklung ländlicher Räume ausgerichtet ist. Wir wissen, dass es in den ländlichen Räumen nicht nur um Landwirtschaft geht – das wurde heute in manchen Beiträgen schon angesprochen –, sondern auch um Daseinsvorsorge, um Arbeitsplätze, um Bildung, um gute Arbeit insgesamt und darum, für ältere Menschen das Leben in ländlichen Räumen nach wie vor möglich zu machen.

Insofern wollen wir gemeinsam in der heutigen Debatte – das geht ein bisschen über die GAP hinaus – die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ weiterentwickeln. Wenn wir dieses Instrument über eine Grundgesetzänderung, auch im Zusammenhang mit der GRW, vernünftig auf den Weg bringen, dann sollten wir einen materiell ausreichend hohen Anteil für den Küstenschutz bewahren. Aber wir werden auch dazu übergehen müssen, für die ländliche regionale Entwicklung zusätzliche Mittel zu beantragen. Ich denke, da sind wir in der Koalition gefordert, gemeinsam beim Finanzminister, hoffentlich mit Unterstützung unseres Landwirtschaftsministers, mehr Mittel zu beantragen, damit wir zu einer besseren und stärkeren Unterstützung der ländlichen Regionen kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir als Sozialdemokraten unterstützen ausdrücklich das Leitbild einer Landwirtschaft, die flächendeckend wirtschaftet, die multifunktional ausgerichtet ist und die auch dem Ziel einer ressourcenschonenden Produktionsweise verpflichtet ist. An diesem Ziel sollten wir festhalten. Lassen Sie uns gemeinsam diesen Weg gehen, und lassen Sie uns bei der Beratung des Gesetzentwurfs noch einmal überlegen, ob wir es schaffen, bessere Formulierungen als die in § 9 des Gesetzentwurfs – die kein Mensch versteht – zu finden. Es ist nicht gut für das Parlament und für die Landwirtschaftsminister – ich denke nicht nur an das Bundeslandwirtschaftsministerium, sondern auch an die Landwirtschaftsminister in den Ländern, auch wenn die Bundesratsbank ministeriell nicht mehr besetzt ist –, wenn es bis zum Schluss nur noch darum geht, wer den kleinsten Anteil an den Direktzahlungen hat. Wenn es so läuft, dann liegen wir falsch. So sollten wir es nicht machen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Marlene Mortler für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3273437
Wahlperiode 18
Sitzung 26
Tagesordnungspunkt Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe
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