Stefan MüllerCDU/CSU - Kooperationsverbot im Bildungswesen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Antrag der Linken ansieht und vor allem Ihre Rede, Frau Hein, hört, dann könnte man erstens den Eindruck bekommen, als würde das Grundgesetz eine Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbieten.
(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das tut es! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In dieser Frage ist das genau richtig!)
Das Gegenteil ist richtig. Wenn Sie das Grundgesetz genau lesen, dann werden Sie feststellen, dass es zwar ausschließt, dass der Bund sich in Felder der ausschließlichen Länderzuständigkeit einmischen darf und dort hineinregieren kann. Aber es verbietet gerade nicht die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, sondern es erlaubt sie. Die Wahrheit ist: So viel Kooperation wie heute hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über Bildung!)
– Ja. – Dafür gibt es ein paar Beispiele: Nehmen Sie den Hochschulpakt, mit dem Bund und Länder gemeinsam dafür gesorgt haben, dass es einen Aufwuchs bei den Studienplätzen gegeben hat. Nehmen Sie die Exzellenzinitiative, mit der Bund und Länder gemeinsam dafür gesorgt haben, dass Bewegung in die Hochschullandschaft in Deutschland gekommen ist. Nehmen Sie den Pakt für Forschung und Innovation oder als weiteres Beispiel die Qualitätsoffensive Lehrerbildung.
Diese Beispiele zeigen: Kooperation ist möglich, und sie funktioniert auch in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss sich auch im Haushalt wiederfinden!)
Zweitens. Im Antrag wird behauptet, dass seit dem Bildungsgipfel von 2008 nicht viel passiert sei. Wenn Sie einen Blick in den Umsetzungsbericht der KMK und GWK werfen, dann werden Sie auch in dem Punkt feststellen, dass das Gegenteil richtig ist.
Ich will auch hierzu ein paar Beispiele nennen: 2011 besuchten 95 Prozent der vierjährigen Kinder Vorschulen und Kindergärten. Das ist weit mehr als der OECD- Durchschnitt. Der Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss ist von 8 Prozent auf 5,9 Prozent gesenkt worden. Die Zahl der Studienanfänger lag 2013 bei über 506 000 und damit rund 145 000 über dem Stand von vor sechs Jahren. Es ließe sich fortsetzen: Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 7,7 Prozent die niedrigste in Europa, und die Weiterbildungsbeteiligung erreichte 2012 mit 49 Prozent Rekordniveau.
Herr Gehring, Sie haben gerade den Haushalt angesprochen. Wenn Sie sich genau anschauen, was in Deutschland für Bildung und Forschung ausgegeben wird, dann müssen Sie erstens feststellen, dass die absoluten Bildungsausgaben von 153 Milliarden Euro auf 177 Milliarden Euro gestiegen sind, und zweitens, dass die Ausgaben für Bildung und Forschung insgesamt bis 2012 auf 9,3 Prozent des BIP gesteigert werden konnten. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund und Ländern. Ich finde, wir können uns über diese positive Entwicklung zu Recht freuen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Drittens. Im Antrag wird beklagt, die „Bundesaufgabe Hochschulbau“ sei abgeschafft worden. Diese Bundesaufgabe hat es aber nie gegeben. Der alte Art. 91 a des Grundgesetzes vor der Föderalismusreform besagte, dass der Bund bei der Erfüllung der Länderaufgabe Hochschulbau mitwirkt. Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt, dass der Bund auch heute noch die Länder unterstützt, zum Beispiel im Rahmen der fortbestehenden Gemeinschaftsaufgabe Forschungsbauten mit 300 Millionen Euro im Jahr. Außerdem gibt der Bund den Ländern für den Hochschulbau rund 700 Millionen Euro jährlich an Entflechtungsmitteln. Das sind insgesamt jährlich 1 Milliarde Euro.
Ich möchte noch einen vierten Punkt aus Ihrem Antrag aufgreifen, nämlich die Forderung, dass der Bund die Umsatzsteuerbeteiligung der Länder erhöhen soll, die Sie sich, wenn ich das richtig verstehe, zu eigen machen. Das ist eine Forderung des Bundesrates. Ich gebe zu, wir, die CDU/CSU, stehen dem sehr zurückhaltend gegenüber. Wir glauben, dass gemeinsame Bund-Länder-Programme zweckdienlicher sind, weil es dadurch möglich ist, gezielt bildungspolitische Herausforderungen aufzugreifen, was sinnvoller ist, als den Ländern einfach nur jedes Jahr mehr Geld zu überweisen.
Zwei Fragen sind hier entscheidend. Erstens. Wie wollen und können wir sicherstellen, dass im Falle einer höheren Umsatzsteuerbeteiligung der Länder dieses Geld tatsächlich eins zu eins für Bildung und Forschung in den Ländern ausgegeben wird? Die zweite Frage ist: Wie wollen und können wir sicherstellen, dass das Geld nicht an anderer Stelle weggenommen wird, wo es dann fehlt?
Deswegen sagen wir: Eine höhere Umsatzsteuerbeteiligung der Länder ist für uns nicht der richtige Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir haben uns, neben vielen anderen Punkten, gemeinsam in dieser Koalition darauf verständigt, dass wir, um ein Beispiel zu nennen, zu einer Grundfinanzierung der Hochschulen vonseiten des Bundes kommen wollen. Nach meiner Auffassung brauchen wir dafür eine Änderung des Grundgesetzes. Einen entsprechenden Vorschlag hat es in der vergangenen Legislaturperiode gegeben. Dieser Gesetzentwurf ist seinerzeit leider nicht umgesetzt worden. Es ist kein Geheimnis, dass wir innerhalb der Koalition noch unterschiedliche Auffassungen haben, wie wir eine solche Grundfinanzierung hinbekommen. Ich glaube, dass eine Änderung des Grundgesetzes dafür der richtige Weg ist. Wir sind unterschiedlicher Meinung, wie wir zu dieser Grundfinanzierung kommen, aber dass wir sie erreichen wollen, ist jedenfalls Konsens in dieser Großen Koalition. Das ist unstrittig.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir brauchen diese Grundfinanzierung auch als wesentlichen Baustein, um die Wissenschaftspakte in den nächsten Jahren fortzuentwickeln. Hochschulpakt, Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung und Innovation – diese Pakte haben dafür gesorgt, dass Bewegung in die Hochschul- und Wissenschaftslandschaft gekommen ist. Internationale Vergleiche zeigen, dass wir unsere Position als führende Wissenschaftsnation ausbauen konnten. Jedenfalls erreicht auch die Innovationstätigkeit neue internationale Spitzenwerte, und – das ist sehr erfreulich – noch nie haben deutsche Hochschulen so viele Talente aus dem Ausland angezogen. Kurzum: Deutschland steht heute wirtschaftlich und sozial deutlich besser da als viele andere Staaten im OECD-Raum. Das ist auch Ergebnis unserer gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Bildungs- und Forschungspolitik. Diesen Weg wollen wir auch in dieser Wahlperiode fortsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Danke, Herr Kollege. – Der nächste Redner ist Kai Gehring für Bündnis 90/Die Grünen.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Frau Präsidentin, auch Ihnen einen schönen Tag. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, Ihre Rede war insofern erhellend, als dass noch einmal offenkundig geworden ist, dass sich die 80-Prozent-Mehrheit dieses Hauses bei der Frage, wie sie mit dem Kooperationsverbot umgehen will, noch nicht einig ist.
2006 hat die damalige Große Koalition dieser Republik das Kooperationsverbot eingebrockt. Wir waren dagegen, den Bund aus jeder Verantwortung für Bildung herauszudrängen und dauerhaften Wissenschaftskooperationen Steine in den Weg zu legen. Acht Jahre später hat sich die heutige Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag zu dieser Frage nicht verständigt. Es fehlt jede Aussage zum Kooperationsverbot. Das ist eine schwere Enttäuschung. Bei Bildung und Wissenschaft liefert die Große Koalition bisher von A bis Z nur kleines Karo.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Luftnummern!)
Das Kooperationsverbot hat sich als Bildungsblockade und Wissenschaftsbremse ausgewirkt. Es war und ist ein schwerer Fehler. Das hat auch Frank-Walter Steinmeier hier so bezeichnet, bisher folgenlos. Wir Grüne werben weiter für einen Bund-Länder-Konsens, der das Kooperationsverbot kippt und eine Ermöglichungsverfassung schafft; denn Fehler kann man korrigieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE])
Es ist im gemeinsamen Interesse der Gesellschaft, der Wirtschaft und aller staatlichen Ebenen, die Leistungsfähigkeit und die Qualität von Bildung und Wissenschaft zu steigern; denn die hohen sozialen Kosten unterlassener Bildungs- und Forschungsinvestitionen tragen letztlich wir alle. Die Leute haben die Nase voll von fehlenden Kitaplätzen, maroden Schulen und überfüllten Hörsälen. Das Land der Dichter und Denker verträgt keine Kleinstaaterei, wenn es um die Zukunft unserer Kinder und Erfinder geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Probleme unseres Wissenschaftssystems – es gibt da viele Baustellen – lassen sich mit einem Kooperationsverbot nicht dauerhaft lösen. Kurzfristige Sofortprogramme wie die Wissenschaftspakte, Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzinitiative, haben die bundesweite Unterfinanzierung unserer Hochschulen allenfalls abgemildert, aber nicht überwunden. Unter der GroKo ist nicht einmal klar, ob und wie diese Wissenschaftspakte weitergehen. Ministerin Wanka trifft im Haushalt dafür jedenfalls keine Vorsorge, sondern sie wird offenbar das erste Opfer von Schäubles schwarzer Null.
Wir müssen endlich heraus aus der wissenschaftspolitischen Lähmung und Selbstblockade der GroKo. Der Reform- und der Finanzdruck steigen. Eine moderne Wissensgesellschaft lässt sich nur in gesamtstaatlicher Verantwortung gestalten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Viele Bundesländer sind kaum in der Lage, ihr Bildungs- und Wissenschaftssystem auskömmlich zu finanzieren, zumal sie die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen sollen. Dieses Problem sollten wir nicht erst in zwei Jahren lösen, wenn die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ansteht. Wir sollten den Ländern nun aber auch nicht einfach 6 Milliarden Euro überweisen, wie es der Koalitionsvertrag nahelegt. Wir brauchen fachgebundene Programme, also eine Zweckbindung von Zukunftsinvestitionen in Bildung und Wissenschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ohne feste Vereinbarung von Bund und Ländern, dass die 6 Milliarden Euro in Schulen und Universitäten investiert werden, besteht einfach das Risiko, dass sie in Haushaltslöchern oder Schlaglöchern landen. Das liegt weder im Interesse der Steuerzahler noch im Interesse der Fach- und Haushaltspolitiker dieses Hohen Hauses.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Der Verfassungsänderungsvorschlag von Schwarz- Gelb wurde bereits angesprochen. Dieser war aus unserer Sicht ungeeignet, die Erosion der Grundfinanzierung der Hochschulen zu stoppen. Nur Leuchttürme mit internationaler Strahlkraft herauszuputzen, wäre uns zu wenig. Uns geht es vor allem um verlässlichen Studienplatzausbau sowie Infrastruktur- und Hochschulbau. Wir wollen letztlich das gesamte Wissenschaftssystem zum Leuchten bringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Apropos Leuchten, Herr Kollege, bei Ihnen leuchtet die rote Lampe schon seit einiger Zeit.
(Heiterkeit)
Seit zehn Sekunden. Ich rede schnell.
Wir haben als Grüne viele Initiativen vorgeschlagen. Jetzt ist die Bundesregierung am Zug. Sie müssen einen neuen Vorschlag machen, um das Grundgesetz zu ändern. Wir würden ihn sehr sorgfältig prüfen – gerne auch im Rahmen eines Reformkonvents, den wir hier mehrmals vorgeschlagen haben –, damit die notwendige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zustande kommt. Wir haben 2006 prophezeit, dass es mindestens zehn Jahre dauert, das Grundgesetz zu ändern. Bitte sorgen Sie dafür, dass wir nicht recht bekommen! Sorgen wir gemeinsam für einen kooperativen Föderalismus!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Ernst Dieter Rossmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3273471 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Kooperationsverbot im Bildungswesen |