Klaus BarthelSPD - Bundesnetzagentur Telekommunikationsbericht 2012/13
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neben dem Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur zeigt das zugehörige Sondergutachten der Monopolkommission auf knapp 100 Seiten auf, was sich in der Telekommunikationsbranche so tut. Auf über 250 Seiten wird darüber hinaus dargestellt, was die Bundesnetzagentur in diesem Bereich alles leistet: von der Marktregulierung über die Nummerierung, die Frequenzvergabe, den Verbraucherschutz, den Datenschutz, die internationale Arbeit bis hin zur technischen Überwachung, zur Störungsbearbeitung, zum Messdienst, zur elektromagnetischen Verträglichkeit usw.
Ich glaube, es ist an dieser Stelle erst einmal geboten, dass wir unsere Anerkennung aussprechen für die Arbeit, die bei dieser Behörde geleistet wird, zum einen in der Zentrale, aber auch in den Außenstellen, die direkt in den Regionen liegen und damit in den Wahlkreisen von vielen von uns. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir auch heute noch einmal von hier das Signal senden, dass wir uns bewusst sind, dass die Bundesnetzagentur dafür auch die entsprechende personelle Ausstattung braucht, und dass wir auch gemeinsam dafür eintreten, dass die Zahl der Außenstellen in der Fläche nicht reduziert wird, damit die Bundesnetzagentur in der Fläche präsent bleibt.
Es ist der Bundesnetzagentur gelungen, denke ich – das zeigt auch der Bericht –, ihre Unabhängigkeit zu wahren. Das ist angesichts des Drucks, dem sie oft ausgesetzt ist, nicht einfach. Auf Veranstaltungen von einschlägig Betroffenen aus der Branche wurden wir in regelmäßigen Abständen – alle halbe Jahre, immer mal wieder – mit totalen Untergangsszenarien konfrontiert, zum Beispiel als es darum ging, den Endkundenpreis für die TAL-Leitung neu festzulegen, oder als es um das Vectoring ging. Jedes Mal war entweder die Rede davon, dass jetzt der Wettbewerb endgültig zusammenbricht und eine Remonopolisierung kommt oder dass die Deutsche Telekom ruiniert wird und Hunderttausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen. Die Bundesnetzagentur hat es offensichtlich geschafft, immer wieder einen Weg zu finden, der für alle Marktteilnehmer gangbar und verkraftbar war. Das bestätigt auch die Stellungnahme der Monopolkommission. Deswegen muss man dieses Lob auch an dieser Stelle noch einmal aussprechen.
Ich glaube aber, wir müssen noch weiter schauen. In dieser Runde ist es, denke ich, nicht nötig, etwas zur Bedeutung von modernen, leistungsfähigen Telekommunikationsinfrastrukturen zu sagen. Sie sind das Rückgrat der digitalen Wirtschaft, wie es so oft heißt, und sie sind auch das Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Denken Sie nur an die berühmten Datenautobahnen. Die entsprechenden Sonntagsreden kennen Sie alle. Dieses Rückgrat spielt auch bei der digitalen Agenda eine besondere Rolle.
Die IKT-Wirtschaft in Deutschland boomt: Der Jahresumsatz beträgt 228 Milliarden Euro mit ständig steigender Tendenz, die Bruttowertschöpfung liegt bei 85 Milliarden Euro, die Investitionen belaufen sich auf 18,2 Milliarden Euro. 900 000 Arbeitsplätze gibt es direkt in diesem Bereich und 360 000 in unmittelbarer Abhängigkeit davon. Das ist vom ökonomischen Gewicht her neben der Automobilindustrie und dem Maschinenbau also ein Kernbereich der deutschen Wirtschaft, und das ist ein Leitmarkt mit überdurchschnittlichen Investitionen und Innovationskraft.
Jetzt kommt das Aber: Wenn wir uns den Telekommunikationssektor anschauen, von dem in dem vorliegenden Tätigkeitsbericht die Rede ist, dann haben wir schon Grund, uns mit der Sorge zu befassen, wie es um das Rückgrat bestellt ist. Der Einschätzung der Bundesnetzagentur kann ich nicht folgen, wenn hier viel von Wachstumsdynamik und Wettbewerb die Rede ist; denn die Fakten in dem Bericht sprechen eine klare Sprache: Wir haben es im Telekommunikationssektor mit rückläufigen Umsätzen zu tun. Auf dem Höhepunkt Mitte der 2000er-Jahre waren es 67 Milliarden Euro, jetzt sind es nur noch 57 Milliarden Euro. Es sind stagnierende bis rückläufige Investitionen zu verzeichnen. Sie betragen jedes Jahr nur noch gut 6 Milliarden Euro. Es waren einmal viel mehr; 2007 waren es zum Beispiel noch 7,2 Milliarden Euro. Auch die Beschäftigung ist rückläufig; sie sank in den letzten zehn Jahren um etwa ein Viertel. Daneben ist nach dem ehemaligen Internetboom und der Dotcom-Blase eine nachhaltige Investitionsblockade festzustellen.
Der Wettbewerb ist intensiv, die Preise und Margen sinken, aber auch die Investitionen gehen zurück und konzentrieren sich immer mehr auf die Ballungsräume. Es steht heute kaum noch jemand dagegen auf, wenn man sagt, beim Aufbau der Telekommunikationsinfrastruktur in den ländlichen Räumen ist Marktversagen festzustellen.
Das bedeutet, dass die Ziele der bisherigen Bundesregierung im Hinblick auf die Breitbandstrategie ganz klar verfehlt werden. Auch darum muss man nicht herumreden. 2014, also in diesem Jahr, sollten 75 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss mit einer Übertragungsrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde verfügen. Bis Ende 2012 wurden gerade einmal 56 Prozent erreicht.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das hängt bestimmt mit der alten Bundesregierung zusammen!)
Die alte Bundesregierung hat dieses Ziel verfehlt; Herr Kollege Pfeiffer, daran waren Sie beteiligt. Sie hat im Grund nichts gemacht, außer immer neue Ziele zu proklamieren, anstatt sich darum zu bemühen, die gesetzten erst einmal zu erreichen.
Ich denke, jetzt, in der Großen Koalition, ist festzustellen: Wir bestätigen diese Ziele und kämpfen um ihre Erreichung, aber wir wollen auch Maßnahmen ergreifen, auf die ich jetzt nicht noch einmal im Einzelnen eingehen will, weil das zum Beispiel vor ein paar Wochen – am 31. Januar 2014 – mein Kollege Martin Dörmann hier an dieser Stelle schon getan hat: neues Regulierungsregime, Zusammenwirken aller Akteure – Bund, Länder, Gemeinden, Europäische Union, Bundesnetzagentur, Unternehmen –, Infrastrukturatlas, Breitbandatlas, neue Finanzierungsinstrumente, Bürgerfonds, KfW- Förderprogramm usw. Ich will stattdessen den Blick ins Ausland lenken, weil das zeigt, dass wir in Deutschland einfach mehr tun müssen:
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in der letzten Legislaturperiode beim TAB einen Bericht zur Technikfolgenabschätzung mit dem Titel „Gesetzliche Regelungen für den Zugang zur Informationsgesellschaft“ angeregt. Neben den Themen Konvergenz und Leitmedien hat er sich auch mit dem Breitbandausbau beschäftigt und die Entwicklung zum Beispiel in Australien, in Finnland, in Großbritannien, in Japan, in den USA und in Deutschland untersucht.
Das gemeinsame Ergebnis für all diese Vergleichsländer ist, dass in den Ländern, in denen das Breitband erfolgreich ausgebaut worden ist, eine neue starke Rolle des Staates festgestellt wird. All diese Länder – sie sind ja sozialistischer Tendenzen gänzlich unverdächtig – sind den Weg gegangen, die Nachfrage staatlich zu stützen und anzuregen. Sie haben entweder wie Australien öffentliche Investitionen getätigt und mit staatlichem Geld eigene Infrastrukturen aufgebaut oder wie Finnland mit einer Universaldienstverpflichtung und einem Universaldienstfonds eine flächendeckende Versorgung umgesetzt.
Finnland zum Beispiel hat das Recht etabliert, dass jedem Verbraucher bis 2015 eine Verbindung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 100 Megabit zur Verfügung steht. Das Land wird dieses Ziel im nächsten Jahr erreichen; das steht fest. Laut dem Monitoringbericht der alten Bundesregierung ist Finnland dank einer Universaldienstverpflichtung für alle beim Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur Sieger auf der ganzen Welt, Rang 1.
Das Beispiel Finnland zeigt auch, dass eine flächendeckende Versorgung möglich ist. Bei uns zum Beispiel wird behauptet, die Europäische Union lasse das nach ihrem Wettbewerbsrecht nicht zu. Aber Finnland ist doch Mitglied der Europäischen Union, oder?
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Machen Sie die Mottenkiste zu!)
Das Gegenteil ist richtig. Brüssel hat jetzt darüber nachgedacht, ob man nicht doch neue Regulierungsregime braucht, bei denen mehr Wert auf Investitionen gelegt wird. Wir haben es gehört: Heute ist im Europäischen Parlament darüber diskutiert und abgestimmt worden.
In unserem Koalitionsvertrag – ich weiß nicht, ob das alle schon so richtig wahrgenommen haben – ist mit Recht von einer „Daseinsvorsorge“ in diesem Bereich die Rede. Im Grundgesetz heißt es dazu ganz klar: Der Bund steht hier in der Pflicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn hier der Bund in der Pflicht steht, dann kann man nicht einfach sagen: Das sollen jetzt einmal die Kommunen machen. – Hier gab es ja gerade eine Debatte über die finanzielle Situation der Kommunen. Wenn wir die Entwicklung so weiterlaufen lassen, wird die Spaltung in unserem Land immer größer; denn die Kommunen, die kein Geld haben, können die Breitbandinfrastruktur eben nicht ausbauen. Die anderen Kommunen, die Geld haben, werden das umso stärker tun. Auch das Telekommunikationsgesetz sieht hier eine Finanzierung durch den Bund vor.
Ich denke – Frau Staatssekretärin Bär ist hier anwesend –, dass ich da beim Minister offene Türen einrennen müsste, weil sich die CSU im Landtags- und im Bundestagswahlkampf zu der Auffassung, dass es sich hierbei um Daseinsvorsorge handelt, und zu dem Instrument des Universaldienstes bekannt hat. Wir warten hier auf Taten.
(Beifall bei der SPD)
Wir müssen zusehen, dass die Bundesnetzagentur auf einen neuen Pfad gesetzt wird. Sie ignoriert diese Investitionsblockade ein wenig, leugnet die Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Maßnahmen und wird dabei auch noch von der Monopolkommission, also der Gralshüterin der reinen Marktwirtschaft, unterstützt. Da wird gesagt: All das, was der Markt nicht leistet, soll mit Fördergeldern des Staates aufgefangen werden. – Das kann es nicht sein. Deswegen sage ich: Schluss mit den Denkverboten in diesem Bereich!
Wenn wir das Thema Netzneutralität ernst nehmen – in dem Bericht der Bundesnetzagentur gibt es dazu schöne Zitate –, dann müssten wir dahin kommen, dass es Netzneutralität eigentlich nur dann geben kann, wenn man gesetzlich definiert, welchen Anspruch alle Kunden gegenüber allen Anbieterinnen und Anbietern haben. Netzneutralität darf also nicht so verstanden werden, dass einfach nur der Mangel gleichmäßig alle Inhalteanbieter betrifft. Vielmehr muss es darum gehen, eine Mindestkapazität für alle zu schaffen, womit garantiert wird, dass die entsprechenden Angebote durchgeleitet werden. Es ist also notwendig, hier klare rechtliche Regelungen zu schaffen; ansonsten reden wir immer wieder nur davon, dass die vorhandenen Engpässe gleichmäßig übers Land verteilt werden.
Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, wie es in diesem Bericht steht, dass viele Maßnahmen auf den Weg gebracht sind: Vectoring, LTE-Ausbau und neue Frequenzen.
Herr Kollege Barthel, denken Sie an Ihre Redezeit.
Das tue ich. Ich bin gerade beim Schlusssatz, Herr Präsident.
(Lachen des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU] – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Endlich!)
Alle diese Maßnahmen sind richtig und zu unterstützen, aber in dem Bericht wird auch deutlich, dass all das nicht ausreicht, sondern dass wir die Telekommunikationspolitik weiterentwickeln müssen. Der Koalitionsvertrag gibt dazu wertvolle Hinweise. Aber wir müssen sie auch konkretisieren, statt sie einfach nur zur Kenntnis zu nehmen und abzuheften, um dann im nächsten Jahr wieder von vorne anzufangen. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in diesem Bereich jetzt endlich zum Handeln übergehen, nachdem bis jetzt ein paar Jahre verloren worden sind.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Nächster Redner ist der Kollege Herbert Behrens, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Preise runter, Service rauf – das ist die Zauberformel der Privatisierung, über die wir hier reden. Sie hat es vor 20 Jahren notwendig gemacht, die Bundesnetzagentur, damals noch als Regulierungsbehörde bezeichnet, einzurichten.
Preise runter, Service rauf – um nichts anderes ging es, als vor 20 Jahren die Telekom privatisiert wurde. Dem Unternehmen geht es heute gut, nicht aber allen Beschäftigten. Die Telekom gehört zu den größten Telekommunikationsunternehmen Europas und ist mit vielen Töchtern weltweit vertreten. Sie kauft und verkauft Unternehmen und deren Beschäftigte. Wenn die Geschäfte einmal nicht gut laufen, dann werden Betriebe verscherbelt oder Dienstleistungen ausgegliedert. Die Beschäftigten bei T-Systems sind das jüngste Beispiel für diese Seite des Wettbewerbs: 4 900 Kolleginnen und Kollegen sollen bis 2015 ihren Arbeitsplatz verlieren, weil die Geschäfte keinen Profit mehr abwerfen.
Davon ist natürlich nichts im Bericht der Bundesnetzagentur zu lesen.
(Klaus Barthel [SPD]: Doch!)
Für die Linke sind aber gerade diese sozialen Bedingungen der Beschäftigten und sichere Arbeitsplätze die zentralen Fragen, wenn wir über Wettbewerb in der Telekommunikation reden.
Der vorliegende Bericht gibt uns auf 370 Seiten einen tiefen Einblick in die Welt von Regulierung und Deregulierung. Sicher, wir brauchen eine starke, unabhängige und gründlich arbeitende Behörde, die den bei den Telekommunikationsunternehmen ausgelösten Wettbewerb überwacht. Aber mit großem Erstaunen muss man feststellen, welcher Aufwand getrieben wird, um die negativen Folgen eines freien Wettbewerbs in diesem Sektor zu begrenzen. Da kommt bei mir der Gedanke auf, ob die vielen personellen und finanziellen Ressourcen, die da hineinfließen, nicht viel sinnvoller eingesetzt wären, wenn damit ein wirklich gutes, kundenfreundliches Angebot geschaffen würde.
(Beifall bei der LINKEN)
Es würde manchem Dresdener Bürger gut gefallen, wenn es ein vernünftiges Breitbandangebot gäbe. Mitten in der Stadt steht dort heute den meisten Menschen nur ein LTE-Angebot zur Verfügung, das regelmäßig dann an seine Grenzen stößt, wenn sich zum Beispiel Studierende und Touristen darüber ihren mobilen Internetzugang holen.
Ein gut ausgebautes Netz, ausreichende Bandbreite, verlässliche Vertragspartner: Das sind die Kriterien, an denen sich der Erfolg von Privatisierung und Wettbewerb messen lassen muss.
Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2018 flächendeckend schnelles Internet mit 50 Mbit erreichen. Davon sind wir heute noch weit entfernt, und das nicht nur auf dem flachen Land.
(Zuruf von der LINKEN: Sehr richtig!)
Knapp 80 Prozent der Anschlüsse in den Städten bieten heute 50 Mbit, was aber nicht heißt, dass wir bereits ein zukunftsweisendes Glasfasernetz hätten. Das Beispiel Dresden zeigt es. Gleichwohl wird die Infrastruktur für schnelles Internet in den Städten sehr viel schneller realisiert werden als anderswo. In den Ballungszentren rechnen sich die Investitionen, und die Telekommunikationsunternehmen fahren beträchtliche Gewinne ein.
Auf dem Land aber haben die Menschen richtig große Probleme. Der Handwerksmeister in der Prignitz in Brandenburg zum Beispiel, der sich an Ausschreibungen beteiligen will, ist auf einen vernünftigen Zugang zum Netz angewiesen. Oder nehmen wir eine Grafikerin aus Thedinghausen, einem Ort in meinem Wahlkreis: Sie will eine aufwendige Präsentation an ihren Kunden schicken. Das ist mit den Netzzugängen dort sehr schwierig. Hier zeigen sich die negativen Folgen des Wettbewerbdogmas am deutlichsten.
Fehlende Infrastruktur auf dem Land und anderswo darf nicht mit dem Hinweis abgetan werden, dass die Menschen dort gar kein Interesse am schnellen Internet hätten, wie es im Bericht der Bundesnetzagentur angedeutet wird. Das ist doch glatter Unsinn!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Jeder hat das Recht auf gleichwertige Lebensverhältnisse, egal wo er lebt. Das ist nicht nur eine politische Forderung der Linken, das ist ein Grundgesetzauftrag. In Art. 87 f Grundgesetz heißt es: Der Bund gewährleistet „im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“
Darum erwarte ich im nächsten Bericht der Bundesnetzagentur Aussagen darüber, mit welchen Maßnahmen diese Ziele, nämlich eine angemessene, ausreichende Dienstleistung, erreicht worden sind.
Der Bundesgerichtshof stellte 2013 fest – ich zitiere –:
Im Bericht der Bundesnetzagentur dagegen heißt es, es sei – auch Zitat –
Es wäre zum Totlachen, wenn es nicht so traurig wäre. Es lässt sich wirklich fragen, wer diesen Bericht geschrieben hat.
Wir als Linke fordern: Rücknahme der Deregulierung dort, wo der Wettbewerb die Gewinne privatisiert hat und Investitionen in die nicht profitablen Bereiche von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen finanziert werden sollen.
(Zuruf des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU])
Die Breitbandversorgung muss zur Grundversorgung gerechnet werden. Wir brauchen schnelles Internet für alle.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Kollege Barthel applaudiert gar nicht! – Gegenruf des Abg. Klaus Barthel [SPD]: Habt ihr ein Problem, oder was?)
Als nächstem Redner erteile ich für die CDU/CSU dem Kollegen Hansjörg Durz das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 16 Jahre nach Öffnung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland können wir auf diesem Markt erhebliche Fortschritte konstatieren. Die Monopolkommission hat ihr Sondergutachten, das wir heute gemeinsam mit dem Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur debattieren, mit dem Anspruch „Vielfalt auf den Märkten erhalten“ überschrieben. Diesem Motto kann man nur zustimmen; denn diese Vielfalt bedeutet, dass Bürger und Wirtschaft heute von einer Vielzahl von Angeboten und Dienstleistungen zu deutlich günstigeren Preisen profitieren. Zudem haben sich die Infrastruktur und damit die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Netze und Technologien in der Telekommunikation erheblich verbessert.
Auch wenn wir heute über den Tätigkeitsbericht der Regulierungsbehörde debattieren, deren Arbeit von uns – das ist bereits erwähnt worden – hoch geschätzt wird und deren Tätigwerden in vielen Bereichen für die Funktionsfähigkeit der Teilmärkte im Telekommunikationsbereich unverzichtbar ist, möchte ich festhalten: Regulierung ist kein Selbstzweck, sondern muss immer auf das erforderliche Maß begrenzt bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Regulierung ist dafür da, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Wettbewerb zwischen den Akteuren sein ganzes Potenzial entfalten kann, zum Wohle der Menschen.
Die Bundesnetzagentur hat zum Ende des letzten Jahres turnusgemäß ihren sehr umfassenden Tätigkeitsbericht im Bereich der Telekommunikation vorgelegt, in dem die Lage und die Entwicklung der Branche eingehend analysiert werden. Dem Bericht sind eine ganze Reihe von Daten zu entnehmen, anhand derer sich die Trends im Bereich der Telekommunikation eindrucksvoll nachvollziehen lassen. Besonders bemerkenswert finde ich dabei jene Statistiken, die den gefühlten und immer wieder angesprochenen Trend der Digitalisierung mit handfesten Zahlen untermauern.
Während sich die Gesprächsminuten im Festnetz – sprich: die klassischen Telefongespräche – seit Jahren rückläufig entwickeln, nimmt der über das Festnetz abgewickelte Datenverkehr rasant zu. So hat sich das durchschnittliche monatliche Datenvolumen, das über das Festnetz in Deutschland abgewickelt wurde, in den letzten fünf Jahren verdoppelt, im Vergleich zu 2005 sogar verfünffacht, Tendenz steigend. Gleiches lässt sich im Mobilfunkbereich beobachten. Das mit Abstand stärkste Wachstum zeigt auch dort das Datenvolumen, das sich im mobilen Netz in vier Jahren verfünffacht hat. Daran wird erkennbar: Die Menschen in unserem Land sind immer häufiger und immer länger online, durch den vermehrten Einsatz von Tablets und anderen mobilen Endgeräten immer häufiger mobil online.
Die digitalen Endgeräte werden dabei selbstverständlich sowohl im geschäftlichen wie im privaten Bereich genutzt. Bankgeschäfte oder Urlaubsbuchungen werden heute von einer Vielzahl von Menschen online erledigt. Gleiches gilt für den Konsum von Unterhaltungsinhalten via Mediatheken oder anderen Streamingangeboten. Von der Bedeutung des Internets für die Wirtschaft ganz zu schweigen. Wir wissen: Die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft und damit auch der Wohlstand unserer Gesellschaft sind abhängig vom Grad unserer Digitalisierung. Über diesbezügliche Zusammenhänge und Auswirkungen haben wir in der vorletzten Sitzungswoche im Zusammenhang mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen ausführlich debattiert.
Der Zugang zu schnellem Internet ist seit Jahren von zentraler Bedeutung. Dieser Bedarf wird weiter und in den nächsten Jahren massiv steigen, sowohl unter qualitativen als auch unter quantitativen Aspekten. Angesichts dieser Entwicklung brauchen und wollen wir den Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze auch im ländlichen Raum. Wir wollen in Deutschland bis zum Jahr 2018 die schon genannte flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Megabit erreichen. Infrastrukturminister Alexander Dobrindt sprach unlängst von Innovationsgerechtigkeit als Zielstellung. Dem möchte ich mich ausdrücklich anschließen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die bisweilen feststellbare digitalisierte Spaltung zwischen urbanen Ballungszentren und dem ländlichen Raum darf sich nicht verfestigen. Gerade im ländlichen Raum, in dem der Netzausbau naturgemäß mit höheren Kosten verbunden ist, müssen wir mit Beihilfeprogrammen des Bundes und der Länder unterstützen. Diese Praxis wird auch von der Bundesnetzagentur in ihrem Bericht als sinnvoll erachtet. Der TÜV Rheinland hat in einer Studie den Finanzbedarf allein für den flächendeckenden Breitbandausbau mit 50 Megabit auf insgesamt 20 Milliarden Euro beziffert.
(Zurufe des Abg. Klaus Barthel [SPD])
Darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen: Das Ausbauziel 50 Megabit ist nur ein Zwischenziel. Mittel- bis langfristig werden weit höhere Kapazitäten nachgefragt werden. Es dürfte allen Beteiligten klar sein: Um unsere Ziele zu erreichen, bedarf es der Zusammenführung aller vorhandenen Kapazitäten. Im Sondergutachten der Monopolkommission heißt es:
Mit anderen Worten: Wir brauchen ein gemeinsames Projekt von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Die von Bundesminister Dobrindt ins Leben gerufene Netzallianz Digitales Deutschland halte ich vor diesem Hintergrund für eine hervorragende Initialzündung, um alle vorhandenen Potenziale zu bündeln und möglichst effizient auszuschöpfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur bietet aber auch eine gute Gelegenheit, zu betrachten, was in den vergangenen Jahren erreicht wurde, und im Rahmen einer Bestandsaufnahme kritisch zu hinterfragen, ob die getroffenen Maßnahmen auf dem Telekommunikationsmarkt den erhofften Erfolg gebracht haben.
Dazu ist erstens festzustellen: Das wettbewerbliche Leitbild hat sich als starker Motor für Investitionen, Innovationen und Wachstum im Bereich der Telekommunikation absolut bewährt. Die Öffnung der Telekommunikationsmärkte vor 16 Jahren hat den dahinter stehenden Markt grundlegend verändert und dynamisiert. Die Preise sind seither drastisch gesunken. Die Verbraucher haben heute auf nahezu allen Teilmärkten echte Auswahlmöglichkeiten zwischen einer Vielzahl von Angeboten und Wettbewerbern. Private wie geschäftliche Nutzer haben von dieser Entwicklung nachhaltig profitiert, da die Kosten für Telefonate und Internetnutzung in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen sind. Der Verbraucherpreisindex für Telekommunikation hat sich seit 1998 um knapp 40 Prozent verringert, Tendenz weiter fallend. Mit der Öffnung der Telekommunikationsmärkte wurden aber nicht nur die Preise drastisch zugunsten der Verbraucher gesenkt, sondern auch die angebotenen Leistungen sukzessive verbessert.
Das bringt mich zur zweiten Feststellung. Eine verlässliche und kluge Regulierungspraxis ist die Voraussetzung dafür, dass Unternehmen in Breitbandinfrastrukturen investieren. Laut dem Bericht der Bundesnetzagentur ist die Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland im letzten Jahr auf 28,4 Millionen gestiegen. Damit verfügt mittlerweile jeder dritte Haushalt in der Bundesrepublik über einen Breitbandanschluss. Im EU-weiten Vergleich liegt Deutschland damit auf Platz vier. Das ist zwar nicht unser Anspruch; aber immerhin ist es Platz vier. Auch diese Entwicklung verdanken wir einem Mehr an Wettbewerb. Verschiedene Maßnahmen der Regulierung haben dazu geführt, dass sich behutsam ein Wettbewerb auf verschiedenen Teilmärkten entwickeln konnte. Hier sei exemplarisch auf den gesamten Bereich der Vorleistungsprodukte verwiesen. Seit der vollständigen Marktöffnung wurden in Deutschland bereits über 100 Milliarden Euro in den Netzausbau investiert, im Übrigen mehr als die Hälfte von Wettbewerbern der Deutschen Telekom.
Die Beobachtung des Marktes lässt eine dritte Schlussfolgerung zu. Unternehmen investieren vor allem dort in den Netzausbau, wo sie mit anderen Anbietern im Wettbewerb stehen. Um die Ziele beim Netzausbau zu erreichen, müssen wir auf die verschiedensten Technologien zurückgreifen.
Die Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Einführung der Vectoring-Technologie hat im vergangenen Jahr für viel Diskussionsstoff gesorgt. Durch Vectoring wird eine zeitnahe und relativ kostengünstige Aufrüstung des bestehenden Telekommunikationsnetzes ermöglicht. Als Union begrüßen wir die Ausschöpfung der sich daraus ergebenden Möglichkeiten ausdrücklich. Vectoring ist für uns ein wichtiger Baustein zur Erreichung des Etappenziels. Auch die Monopolkommission würde Vectoring als wünschenswerte Übergangstechnologie begrüßen. Klar ist aber auch, dass mittels Vectoring im Moment zwar gute Ergebnisse erzielt werden, in Zukunft aber nur begrenzte Bandbreiten verfügbar sind.
Sichtbar ist übrigens, dass der Ausbau der Vectoring- Technologie auch und gerade dort realisiert wird, wo Kabelnetzbetreiber bereits Infrastruktur aufgebaut haben. Das ist in Ordnung, aber auch ein Beleg für mehr Wettbewerb.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Ziel ist es, Deutschland zum führenden digitalen Standort in Europa auszubauen. Der Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur bestätigt, dass in den vergangenen Jahren viel geschehen ist. Wir wissen aber auch, dass uns auf dem Weg noch viel Arbeit bevorsteht. Dafür müssen wir sicherlich öffentliche Mittel in die Hand nehmen. Unser Ziel werden wir vor allem dann erreichen, wenn wir es schaffen, Vielfalt auf den Märkten zu erhalten und mittels Wettbewerb die notwendigen Investitionen anzustoßen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Danke schön. – Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/ Die Grünen die Kollegin Katharina Dröge.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3273875 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Bundesnetzagentur Telekommunikationsbericht 2012/13 |