03.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 26 / Tagesordnungspunkt 12

Olav GuttingCDU/CSU - Kontoeröffnungen für Flüchtlinge

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst will ich feststellen, dass es gut ist, dass wir uns hier mit dem Schicksal und den Problemen von Flüchtlingen beschäftigen.

Im Vergleich zum Vorjahr ist ein hoher Zuwachs an Asylerstanträgen von über 70 Prozent zu verzeichnen. Hauptherkunftsland ist derzeit Syrien. Wir wissen, die Menschen dort flüchten vor einem schlimmen Bürgerkrieg, und wir haben in der CDU-geführten Bundesregierung der humanitären Verpflichtung Deutschlands in diesem Bereich bereits Rechnung getragen. Unter anderem gibt es zwei Aufnahmeprogramme, mit denen wir insgesamt 10 000 syrische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Es ist völlig klar, dass Deutschland auch nach Ausschöpfen der Kontingente syrischen Flüchtlingen weiterhin Schutz bieten wird.

Wir helfen aus christlicher Nächstenliebe. Wir helfen auch, weil wir aus unserer eigenen Vergangenheit heraus schreckliche Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung gemacht haben. Auch deshalb hat sich die Bundesregierung in Europa unter Federführung des BMF erfolgreich und mit Nachdruck dafür eingesetzt, dass einem breiten Berechtigtenkreis unter Einbeziehung von Flüchtlingen mit berechtigtem Status der Zugang zu einem Bankkonto eingeräumt wird. Auch wir wollen, dass Flüchtlinge die Möglichkeit haben, hier ein Konto zu eröffnen; denn – da haben Sie völlig recht, Herr Beck – das ist Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Ursprünglich sah der Vorschlag der EU-Kommission zur Zahlungskontenrichtlinie das subjektive Recht auf Zugang zu einem Jedermannkonto lediglich für einen ganz eng begrenzten Personenkreis vor. Deutschland hat sich zusammen mit dem Europäischen Parlament mit Nachdruck dafür ausgesprochen, dass erstens im Hinblick auf das Recht auf Zugang zu einem Jedermannkonto eindeutig feststehen muss, wer zum Berechtigtenkreis gehört, und dass zweitens klargestellt werden muss, dass neben weiteren besonders schützenswerten Personengruppen auch Flüchtlinge das Recht auf Zugang zu einem Jedermannkonto haben. Beiden Anliegen der Bundesregierung wurde zwischenzeitlich durch mehrfache Anpassung der Richtlinie entsprochen. Die Personengruppe der Asylsuchenden ist im Text sogar ausdrücklich aufgenommen worden. Die Bundesregierung hat sich in den Verhandlungen außerdem mit Erfolg dafür eingesetzt, dass dieses zentrale Recht durch die Hintertür nicht wieder ausgehebelt wird, etwa durch entsprechend weit gefasste Ausgestaltungen der Verweigerungs- oder Kündigungsgründe.

Und jetzt kommen Sie von den Grünen mit dem Antrag, das Geldwäschegesetz zu ändern. Ja, es ist richtig: Nach dem Geldwäschegesetz braucht es einen Identitätsnachweis zur Kontoeröffnung. Aber bei allem Verständnis: Dieser Antrag und diese Änderung sind nicht notwendig. Deswegen werden wir den Antrag ablehnen. Wir werden Ihrem Ansinnen durch die kommende Zahlungskontenrichtlinie vollumfänglich Rechnung tragen können. Vor zwei Wochen, am 20. März dieses Jahres, wurde auf europäischer Ebene eine entsprechende Einigung über den Inhalt der Zahlungskontenrichtlinie erzielt. Es gibt die klare Aussage und die Zusage des BMF, dass nach deren Veröffentlichung zeitnah mit der nationalen Umsetzung begonnen wird. Aus diesem Grund ist eine isolierte Änderung des Geldwäschegesetzes heute nicht notwendig. Wir werden das Problem über die europäische Ebene lösen.

Herr Kollege Gutting, lassen Sie eine Zwischenfrage durch den Kollegen Beck zu?

Das darf er.

Mir ist es ziemlich einerlei, wie das Problem gelöst wird; Hauptsache, es wird gelöst. Wir haben in der Begründung unseres Antrags die Entschließung des Europäischen Parlaments, die Grundlage der aktuellen Diskussionen in Brüssel war, ausdrücklich erwähnt.

Durch welchen Rechtsetzungsakt in Deutschland werden Sie jetzt dafür sorgen, dass Geduldete ohne entsprechende Identitätspapiere in Zukunft Zugang zu einem Girokonto bekommen? Denn ohne nationale Rechtsänderung sind die deutschen Geldinstitute weiterhin gehindert, das zu tun, was sie eigentlich gern tun würden, nämlich den Leuten ein Girokonto zu ermöglichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist völlig richtig. Die Zahlungskontenrichtlinie muss in nationales Recht umgesetzt wird. Das wird sie auch. Das Ergebnis wird sein, dass Flüchtlinge einen Zugang zum Jedermannkonto haben, das sie unbedingt benötigen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann können Sie ja dem Grünen-Antrag zustimmen!)

Ob dazu in Teilen auch das Geldwäschegesetz geändert werden muss, wird sich zeigen. Aber zunächst einmal muss die Richtlinie veröffentlicht werden und vorliegen. Erst dann kann man national entscheiden, wo und wie man die entsprechenden Änderungen vornimmt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt das dann für Geduldete?)

Es ist gut, dass Sie diesen Antrag stellen. Ich habe es gesagt: Es ist schön, dass wir darüber reden. Wir sind uns über das Ziel völlig einig. Nur, jetzt eine isolierte Gesetzesänderung vorzunehmen, macht keinen Sinn.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Rechtsverordnung!)

Erst wenn die Richtlinie vorliegt, kann man die entsprechenden Änderungen nachhaltig und zielgerichtet durchführen.

Vielen Dank.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch für Geduldete oder nur für Asylbewerber?)

– Für Asylbewerber und Geduldete.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind wir uns wenigstens einig!)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist völlig klar, dass die Grünen den ganzen Prozess beschleunigen wollen, und das ist richtig. Eigentlich ist es doch traurig, dass wir heute darüber reden, dass Menschen, die in Deutschland leben, auch wenn sie keinen Aufenthaltstitel, sondern nur eine Duldung haben, in Deutschland kein Bankkonto eröffnen können, weil nach dem Geldwäschegesetz zur Einrichtung des Kontos Dokumente benötigt werden. Ich finde, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Man muss es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Ohne ein Bankkonto haben Geduldete im Alltag unglaubliche Schwierigkeiten. Das fängt bei einem Handyvertrag an und geht weiter bei der Einzugsermächtigung, wenn es um einen Mietvertrag geht. Ebenso können sie oftmals keinen Arbeitsvertrag unterschreiben, weil die Kontoverbindung verlangt wird. Wir kennen aus unserer Praxis viele Fälle, in denen eine Arbeitsaufnahme daran gescheitert ist, dass es kein Konto gibt. Durch das Fehlen eines Girokontos wird im Grunde die wirtschaftliche und soziale Integration verhindert. Man muss es hier noch einmal sagen: Viele leben seit vielen Jahren in Deutschland, manche seit mehr als zehn Jahren. Es ist einfach nicht hinzunehmen, dass solche Hindernisse bestehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren und vor allen Dingen auch liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, natürlich werden wir diesem Antrag zustimmen. Wir begrüßen es, dass Menschen diese Erleichterung bekommen sollen

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

bzw. dass man dafür sorgen will, dass sie ein Konto einrichten können. Aber ich will hier noch einmal sagen: Alle Bleiberechtsregelungen haben bisher gezeigt, dass diejenigen Geduldeten, die hier keine Aufenthaltserlaubnis haben, im Grunde genommen selbstständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssen. Deswegen denke ich, der Antrag greift ein bisschen zu kurz. Ich verstehe dieses Anliegen. Ihr wollt es beschleunigen, aber ich finde, man muss mehr zur Diskussion stellen, wenn man über die Situation geduldeter Menschen hier in Deutschland redet.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn jetzt euer weitergehender Antrag?)

Denn viele können ihren Lebensunterhalt nicht selber aufbringen. Sie brauchen einfach mehr Rechte.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Ende unserer Flüchtlingspolitik! Monty Python: Nun zu etwas ganz anderem!)

Das heißt, wir müssen hier im Grunde genommen, wenn es um Geduldete und mehr Rechte für sie geht, auch weiterhin über die Residenzpflicht, über die Unterbringung in Sammelunterkünften – da sitzen genau diejenigen, die geduldet werden –, die eingeschränkten Sozialleistungen, die sie nur über das Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, und über die Arbeitsverbote sprechen. Ich will hier auch noch einmal erwähnen, dass die gesundheitliche Versorgung dieser Flüchtlinge nur eine Notfallversorgung ist. Das heißt, bei Schmerzzuständen oder bei Schwangerschaft und Geburt bekommen sie entsprechende Krankenscheine, um sich behandeln zu lassen. Hier sagen wir: Wir brauchen mehr und umfassende Rechte für sogenannte geduldete Menschen in Deutschland.

Zweitens will ich daran erinnern, dass nicht nur geduldete Menschen kein Konto haben, sondern auch Obdachlose oder Menschen, die überschuldet sind; deren Konten werden von den Banken aufgelöst. Auch hier muss man den Blick etwas weiter fassen. Übrigens muss man sagen: In 28 Ländern der EU gibt es diese Garantie auf ein Konto für alle diese Personengruppen, die ich hier eben aufgezählt habe. Es ist einfach ein Skandal, dass Deutschland da so hinterherhinkt.

Herr Gutting, ich habe Ihre Bemühungen zwar gesehen, aber es muss schneller gehen. Wir können hier nicht lange bürokratische Wege gehen, bis das endlich für Flüchtlinge, für Obdachlose oder auch Menschen, die völlig überschuldet sind, umgesetzt wird. Deswegen werden wir dem Antrag zustimmen, aber auch weitergehende Debatten über die Situation dieser Menschen führen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen gern mit!)

Als nächster Redner hat Uli Grötsch das Wort.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3273990
Wahlperiode 18
Sitzung 26
Tagesordnungspunkt Kontoeröffnungen für Flüchtlinge
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