Ute Finckh-KrämerSPD - Atomwaffen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer oben auf den Tribünen! Die nukleare Abrüstung ist mir und vielen anderen Mitgliedern des Deutschen Bundestages, aber auch zahlreichen engagierten Bürgerinnen und Bürgern sehr wichtig. Heute Morgen gab es zum Beispiel ein abrüstungspolitisches Frühstück mit Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteorganisation IPPNW, dem Abrüstungspolitischen Netzwerk ICAN, dem Deutschen Roten Kreuz und einem Vertreter der niederländischen Sektion von Pax Christi. Ich freue mich, dass bei diesem Gespräch alle Fraktionen des Hauses vertreten waren, und nehme dies als bestätigendes Zeichen dafür, dass unter uns ein breiter Konsens zum Thema der nuklearen Abrüstung besteht.
Durch den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 26. März 2010 im Vorfeld der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag im Mai 2010, dem alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zugestimmt haben, haben wir uns zu der im Nichtverbreitungsvertrag formulierten Zielsetzung einer weltweiten nuklearen Abrüstung bekannt. Der Beschluss ist nicht nur Ausdruck des Konsenses zur nuklearen Abrüstung im Deutschen Bundestag, sondern repräsentiert auch die Meinung breiter Teile unserer Bürgerinnen und Bürger. Nuklearwaffen sollen in unserer Sicherheitsstrategie keinen dauerhaften Platz einnehmen. Aus unserer Sicht bleibt dieser Beschluss eine der Grundlagen für unsere zukünftige Arbeit im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der SPD)
Abrüstung und Rüstungskontrolle sind entscheidende Elemente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Nukleare Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sind daher nicht nur Verpflichtungen, an die unser Staat als Mitglied des Atomwaffensperrvertrags gebunden ist. Sie tragen wesentlich zum Frieden sowie zu unserer Sicherheit bei. Leider hat es in diesem Bereich seit dem Abschluss des New-START-Abkommens zwischen den USA und Russland kaum Fortschritte gegeben. Diese Stagnation der nuklearen Abrüstung muss überwunden werden. Auch wir können dazu neue Impulse geben.
Denn Nuklearwaffen bieten keine Sicherheit. Obwohl ihre Anzahl seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes von circa 65 000 bis heute auf circa 17 000 – es handelt sich bei diesen Zahlen um Schätzungen – reduziert wurde, gehen von ihnen immer noch immense Gefahren für Mensch und Umwelt aus. Auch im 21. Jahrhundert glauben jedoch einige unserer engsten Verbündeten weiterhin an den Nutzen dieser Waffen für die eigene Sicherheit. Außerdem halten nicht nur Pakistan und Indien, sondern auch Russland am Konzept der atomaren Abschreckung fest. Es ist also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, sowohl in Gesprächen mit unseren Partnern als auch mit den offiziellen und nichtoffiziellen Atomwaffenstaaten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im nächsten Jahr findet erneut eine Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag statt. Deutschland engagiert sich im Vorfeld im Rahmen der Europäischen Union und im Rahmen der Non-Proliferation and Disarmament Initiative, NPDI, wie im eben veröffentlichten Jahresabrüstungsbericht 2013 der Bundesregierung nachzulesen ist.
Die Verhandlungen werden schwierig, da viele der Teilnehmerstaaten des Nichtverbreitungsvertrags von der Entwicklung seit der letzten Überprüfungskonferenz enttäuscht sind.
Der Beschluss der Überprüfungskonferenz, im Jahr 2012 eine Konferenz zur Errichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Mittleren Osten unter Beteiligung aller Staaten der Region abzuhalten, konnte nicht umgesetzt werden. Trotz der engagierten Bemühungen des finnischen Fazilitators Jaakko Laajava wurde die Konferenz zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Ich bedauere, dass es hier bisher keine Fortschritte gegeben hat. Das darf uns aber nicht davon abhalten, weiterhin auf alle beteiligten Akteure einzuwirken, sich an einer solchen Konferenz zu beteiligen. Alle Staaten müssen dabei die legitimen Sicherheitsinteressen der jeweils anderen akzeptieren. Dann könnte eine solche Konferenz ein Baustein eines Friedensprozesses sein. Viele Mitgliedstaaten des Nichtverbreitungsvertrags beobachten diesen Prozess genau, und ihre Kompromissbereitschaft auf der Überprüfungskonferenz hängt auch von der Entwicklung dieses Prozesses ab. Eine Reduzierung der Initiative auf eine atomwaffenfreie Zone im Mittleren Osten wäre ein Rückschritt hinter die 2010 beschlossene Zielsetzung.
Weitere wichtige Punkte, die sich auch im Abschlussdokument der letzten Überprüfungskonferenz finden, wären das Inkrafttreten des umfassenden Teststoppabkommens, Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty, und die Verhandlungen über ein Abkommen zum Verbot der Produktion von nuklearwaffenfähigem Material, Fissile Material Cut-off Treaty.
Wir setzen uns innerhalb der NATO für eine Reduzierung der Rolle nuklearer Waffen im Rahmen der Bündnisstrategie ein. Eine solche Veränderung kann aber nur unter Berücksichtigung der Sicherheitsbedürfnisse aller NATO-Partner und Russlands zielführend sein, wenn sie die Sicherheit und Stabilität in Europa verbessern soll.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, trotz des Völkerrechtsbruchs durch Russland in Bezug auf die Krim müssen wir mit Russland über nukleare Abrüstung weiter reden und signalisieren, dass wir Russlands Sicherheitsbedenken Rechnung tragen. Der gegenwärtige russische Unwille zu nuklearer Abrüstung rührt meiner Einschätzung nach auch aus einem Unterlegenheitsgefühl bei konventionellen Waffen her, das mit dem russischen Nuklearwaffenpotenzial kompensiert werden soll. Darüber hinaus sieht Russland den Aufbau einer strategischen Raketenabwehr durch die NATO als potenzielle Bedrohung für seine atomare Abschreckungsfähigkeit.
Gleichzeitig fühlen sich einige osteuropäische NATO-Länder aus historisch nachvollziehbaren Gründen von Russland bedroht und sehen in der nuklearen Abschreckung eine Art Versicherung. Diese festgefahrene Situation müssen wir aufzubrechen versuchen. Ein möglicher Weg wäre, Fragen der nuklearen und der konventionellen Rüstungskontrolle gemeinsam zu betrachten.
Wenn wir in dem für uns wichtigen Bereich der in Europa und Deutschland stationierten taktischen Nuklearwaffen substanzielle Fortschritte erzielen wollen, müssen wir die vorhandene Bedrohungsperzeption berücksichtigen, ohne sie uns zu eigen zu machen. Aus meiner Sicht machen diese Relikte des Kalten Krieges sicherheitspolitisch keinen Sinn mehr. Das heißt, wir müssen unsere Partner davon überzeugen, dass ihre Sicherheit unabhängig von der Stationierung dieser Waffen gewährleistet ist.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei den atomwaffenkritischen Nichtregierungsorganisationen für ihre Arbeit bedanken. Wir als Abgeordnete freuen uns über ihre Denkanstöße und Handlungsvorschläge. Deutschland kooperiert mit Organisationen wie dem Expertennetzwerk Middle Powers Initiative und dem Parlamentarischen Netzwerk für Nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung, PNND. Leider war ich im Februar beim Jahrestreffen des PNND in Washington die einzige Vertreterin des Deutschen Bundestages. Es gab bereits in der letzten Legislaturperiode eine gute Zusammenarbeit mit dem Netzwerk. Es wäre daher wünschenswert, dass sich an solchen Veranstaltungen zukünftig alle Fraktionen des Hauses beteiligen, um zu zeigen, wie wichtig uns dieses Thema ist.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ja. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der geschilderten komplizierten Situation ist der Antrag der Fraktion Die Linke eher kontraproduktiv. Wir lehnen ihn daher, entsprechend der Beschlussempfehlung, ab.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Inge Höger das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3274027 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 26 |
Tagesordnungspunkt | Atomwaffen |