04.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 18

Gabriela HeinrichSPD - Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Über 800 000 Menschen mussten in Ruanda sterben. Sie starben, weil die internationale Gemeinschaft weggeschaut hat. Unser fraktionsübergreifender Antrag ist ein Signal, dass wir uns gegen das Wegschauen und gleichzeitig für Versöhnung aussprechen. Worin bestand das Wegschauen der internationalen Staatengemeinschaft vor 20 Jahren? Die Friedenstruppe UNAMIR wurde verkleinert statt vergrößert, als der Genozid schon in vollem Gang war. Warnungen im Vorfeld wurden nicht ernst genommen. Die Welt tat den Völkermord als Stammeskrieg ab. Dieses Versagen der internationalen Staatengemeinschaft darf sich niemals wiederholen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit unserem Antrag bauen wir auf dem Konzept der Schutzverantwortung auf. Diese Norm der Vereinten Nationen ist eine Folge des Völkermords in Ruanda. Wenn Staaten nicht in der Lage oder nicht willens sind, ihre Bevölkerung zu schützen, muss die internationale Staatengemeinschaft reagieren und diese Verantwortung übernehmen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Menschen massenhaft ermordet werden oder ethnischen Säuberungen ausgesetzt sind. Ganz wichtig ist – der Kollege Niels Annen hat das bereits beschrieben –: Reagieren ist nur eine Seite der Schutzverantwortung. Die internationale Gemeinschaft muss Staaten auch ermutigen, den Schutz der Bevölkerung selbst zu übernehmen, und Staaten müssen überhaupt erst in die Lage versetzt werden, dies zu leisten.

Meine Hochachtung gilt dem Bemühen Ruandas, Stabilität und Staatlichkeit wiederherzustellen. Versöhnung ist die Grundlage von Stabilität, und Stabilität ist die Grundlage dafür, dass sich Ruanda weiterentwickelt, wirtschaftlich und als Demokratie. Dazu gehören dann auch Pressefreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie das Zulassen von Opposition. All das ist nicht einfach in einem Land, in dem vor 20 Jahren ein Genozid stattfand und die Menschen noch viel miteinander reden müssen, um voranzukommen.

Der Antrag erkennt die Bemühungen um Aufarbeitung und Versöhnung in Ruanda ausdrücklich an. Grundlage dafür ist, die Täter zu bestrafen und alles dafür zu tun, dass sich Glutnester des Konflikts nicht wieder entzünden. Wir müssen uns Folgendes vor Augen führen: Heute leben in Ruanda die Täter von damals neben den Opfern und deren Angehörigen. Am 20. Jahrestag des Völkermords werden unsägliche Albträume wiederkehren, Albträume, die von abgehackten Gliedmaßen handeln, von Macheten und von Vergewaltigung. Meine Hochachtung gebührt daher den Menschen in Ruanda. Sie sind bereit, sich zu versöhnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vergewaltigung als Kriegshandlung zu beschreiben und aufzuarbeiten, ist ein Tabuthema – nicht nur in Ruanda –, das es zu brechen gilt. Mir ist das wichtig; denn in Ruanda wurden unzählige Frauen vielfach brutal vergewaltigt. Viele unter ihnen mussten vorher die Ermordung ihrer Familien mit ansehen. Viele wurden schwanger. Viele wurden mit HIV infiziert. Sie wurden schwanger mit Kindern, die sie nicht lieben konnten, traumatisierte Kinder und traumatisierte Mütter, Kinder, die nicht geliebt und die verstoßen wurden. So etwas kann einer der teuflischsten Kreisläufe werden, die denkbar sind. Deswegen ist es so wichtig, dass unser Antrag Ruanda ermutigt, sich noch mehr zu kümmern, sich noch mehr zu kümmern, Tabus aufzuheben und den Traumata zu begegnen. Das ist auch der Punkt, wo wir weiter unterstützen müssen und unterstützen können. Ein Beispiel dafür ist der Zivile Friedensdienst. Er unterstützt die Reintegration von Flüchtlingen und die Friedensarbeit in der Region Große Seen. Er kümmert sich auch um traumatisierte Menschen, insbesondere um von Gewalt betroffene Frauen.

Ruanda ist bei allen Fortschritten noch immer ein sehr armes Land. Aber es gibt auch Erfolge, auf denen wir weiter aufbauen sollten. So hat Ruanda zum Beispiel eine Krankenversicherung. Rund 90 Prozent der Menschen sind krankenversichert. Das wurde von der GIZ und mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Die unzähligen Projekte von Rheinland-Pfalz wurden bereits beschrieben. Auch hier wird Ruanda in seiner Entwicklung unterstützt. Es sind Partnerschaften und Projekte wie diese, mit denen wir unterstützen, dass der Versöhnungsprozess fortgeführt wird. Mit unserem Antrag wollen wir solche Projekte stärken und setzen damit auf Prävention.

Meine Damen und Herren, die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Ruanda ist älter als 20 Jahre; das wurde bereits erwähnt. Meine afrikanischen Freunde weisen mich immer wieder darauf hin, dass das Deutsche Reich und Belgien als Kolonialmächte beteiligt waren, die Menschen künstlich in Hutu und Tutsi einzuteilen. Eine rassistische Politik setzte die Tutsi als Elite des Landes fest. Dadurch bildete sich der Gegensatz dieser Völkergruppen erst richtig heraus und dies, obwohl die Menschen die gleiche Sprache sprechen.

Es ist ein wichtiges Ziel der ruandischen Regierung, diese Einteilung wieder aufzuheben. Es gehört zur Versöhnung, diesen Gegensatz aufzulösen. Versöhnung ist möglich. Wer könnte das besser verstehen als wir Deutsche, die wir uns mit ganz Europa versöhnen mussten?

Ruanda muss für uns eine Warnung sein, nicht wegzuschauen und unsere Verantwortung wahrzunehmen. Das bedeutet die Prävention von Konflikten und Menschenrechtsverletzungen. Das bedeutet aber auch Wiederaufbau und Versöhnung. Letzteres ist für Ruanda die beste Prävention.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt die Kollegin Dagmar Wöhrl das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3274831
Wahlperiode 18
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda
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