04.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 27 / Tagesordnungspunkt 18

Frank HeinrichCDU/CSU - Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gedenken, Versöhnung, Aufarbeitung: Ich denke, auch Geschichte schreiben sollte im Mittelpunkt stehen, Geschichte schreiben über das, was wir in den letzten 20 Jahren in diesem Land schon erlebt haben und was nicht mit dem heutigen Gedenken aufhört.

Ich möchte drei Menschen aus dem Buch La Stratégie des antilopes, Die Strategie der Antilopen, des Franzosen Jean Hatzfeld über diese Zeit vor 20 Jahren zu Wort kommen lassen.

Cassius war 1994 sieben Jahre alt. An die Taten hat er nur vier klare Erinnerungen:

Ignace Rukiramacumu:

Sylvie Umubyeyi:

Einige von uns hatten gestern die Gelegenheit, mit Überlebenden zu sprechen. Mir blieben zwei Sätze aus diesem Gespräch besonders in Erinnerung. Der erste war: An dem Tag habe ich den Glauben an die Menschheit verloren. Und der zweite: Immer wieder sehe ich dieses Bild vor mir: das Ackerfeld, und aus den Furchen ragen die Arme der niedergemetzelten Kinder.

20 Jahre ist es in diesem April her, dass Ruanda zum Schauplatz dieses Massenmordes wurde. Es war der furchtbarste Völkermord seit der Judenvernichtung der Nationalsozialisten – es wurde hier erwähnt – und dem Genozid auf den Killing Fields in Kambodscha. Innerhalb von nur 100 Tagen starben mehr als 800 000 Menschen. Wohl nie in der Menschheitsgeschichte haben so viele Täter in so kurzer Zeit so viele Mitmenschen umgebracht.

„Ntidigasubire“ – „Nie wieder“ – steht nun auf großen Plakaten an den Straßen in Kigali, an den Toren der Gedenkstätten, auf den Gräbern, und damit endet heute jede Radiosendung über den Genozid. Die Wunden und das Gedenken an die Opfer – nicht nur an die, die gestorben sind – sind noch da; der Genozid ist noch sehr präsent. Viele Menschen tragen die Narben. Aber Ruanda ist auf einem guten Weg, auf einem Weg der Versöhnung und der Entwicklung. Das haben wir heute in dieser Debatte und in diesem Antrag ausgedrückt.

Eines der Elemente auf dem Weg der Versöhnung ist die Aufarbeitung der Geschichte. Letztes Jahr hatten wir in unserem Ausschuss die ruandische Außenministerin Louise Mushikiwabo zu Gast. Sie sagte Folgendes:

Dafür war und ist weiterhin eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte notwendig, nicht nur bis heute, sondern auch ab heute.

Aus dem ruandischen Genozid wurden Lehren gezogen – wir haben es von mehreren Kollegen gehört –: Responsibility to Protect, die Schutzverantwortung, die von den Vereinten Nationen entwickelt wurde. Wir brauchen solche Frühwarnsysteme, wir brauchen mehr Prävention. In unserer Debatte über Afrika vor zwei Wochen haben wir auch dieses Wort sehr oft gehört: Preparedness.

Es wurde eine Geschichte geschrieben, nicht nur eine Genozidgeschichte, sondern auch eine Geschichte der Aufarbeitung, der Entwicklung. Wir haben gehört: Ruanda wird als afrikanisches Musterland bezeichnet, als Erfolgsmodell. Dafür sprechen wirtschaftliche Argumente, die Bekämpfung der Korruption, die Frauenrechte, die Erfüllung der MDGs und die Erfolge beim Umweltschutz.

Deutschland hat sehr gute Beziehungen zu Ruanda, aus bekannten Gründen. Ich selbst freue mich über eine gute Zusammenarbeit mit der Botschafterin von Ruanda. Wir begegnen uns auf vielen Veranstaltungen. Sie hat gute Beziehungen zu allen Fraktionen. Gestern Morgen war sie beim Gedenken an die deutsche Verantwortung beim ruandischen Genozid mit dabei. Als Freunde müssen wir auch begleiten, müssen wir möglicherweise unterstützen, nicht nur mit Geldern, sondern auch durch Erinnern und Mahnen. In den letzten Monaten gab es Berichte über Fragen, die von Menschenrechtsorganisationen aufgeworfen wurden, die die Transparenz, das Demonstrationsrecht, die Medienfreiheit und das Verschwindenlassen von Menschen betreffen. Das Positive überwiegt bei weitem, und doch darf man an diesen Stellen nicht aufhören, zu mahnen. Wir ermuntern Ruanda auch durch unsere Unterstützung: Bleiben Sie dran! Schreiben Sie weiter Geschichte! Dieser Prozess ist nicht beendet; wir Deutsche wissen sehr wohl, wie lange ein solcher Prozess dauern kann.

Daraus folgt unter anderem die Notwendigkeit, auch mit unseren Geldern die wissenschaftliche Aufarbeitung weiter zu fördern. Wir haben, wie ich gerade gesagt habe, eine lange Geschichte der Verdrängung, Aufarbeitung und Weiterentwicklung. Es bleibt noch eine ganze Menge zu tun. Deshalb wollen wir dafür auch Haushaltsmittel einsetzen. Dabei wünschen wir uns aber auch – da spreche ich als Menschenrechtler – eine Beobachtung und Stärkung der Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten in diesem Land von diesem Tag an.

Der Außenminister hat es vorhin gesagt: Wir müssen das uns Mögliche tun, das in unserer – gemeinsamen – Macht steht. Ich sage „gemeinsam“, weil das, was wir hier ausdrücken, im gemeinsamen Interesse der Weltgemeinschaft und Ruandas liegt. Ich habe schon in der letzten Debatte über Afrikapolitik vor 14 Tagen von dem Traum gesprochen, dass wir irgendwann nicht mehr nur von gemeinsamer Augenhöhe sprechen, sondern möglicherweise von Afrika als Big Brother, dass wir nicht nur vom Chancenkontinent sprechen, sondern von einem Kontinent, der uns vielleicht noch viel mehr zu geben hat, als wir jemals für möglich halten.

Ein kurzes Beispiel zum Schluss. Bei einem Vortrag in der Schweiz vor nicht allzu langer Zeit hatte ein überlebender Tutsi von seinen Erlebnissen in besagter Zeit berichtet. Es herrschte Betroffenheit. Kurz darauf sieht man ihn, wie er zur Musik im Gottesdienst tanzt. Eine deutsche Freundin – etwas verwirrt über die Situation – fragte ihn später: Wie kannst du tanzen, nach dem, was du alles erlebt hast? Seine Antwort: Wie kann es sein, dass ihr das nicht erlebt habt und nicht tanzt? – Lebensmut und Lebensbejahung, trotz solcher Erlebnisse, als kulturelles Gut, das können wir sehr wohl von Ruanda und vielen anderen in Afrika lernen.

Der Außenminister hat heute Morgen in seiner Rede Frau Zuma zitiert. Er sagte: Wir können sehr viel lernen vom Reichtum der Jugend in Afrika.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wilfried Lorenz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3274859
Wahlperiode 18
Sitzung 27
Tagesordnungspunkt Gedenken an die Opfer des Völkermordes in Ruanda
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