Jutta EckenbachCDU/CSU - Programm für Barrierefreiheit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Teilhabe ist ein Menschenrecht. Das ist heute Morgen schon ein paarmal gesagt worden. Ich gehe noch einmal auf die Worte von Hubert Hüppe, unserem ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, der immer für diesen Personenkreis dagewesen ist, ein. Hubert Hüppe hat immer wieder gesagt: Es geht nicht darum, dass wir mit diesen Menschen Mitleid haben, sondern es geht einzig und allein darum, dass wir die Menschen teilhaben lassen an einem selbstbestimmten Leben. Ich bin sehr froh, dass der gesamte Bundestag heute Morgen zu dieser Einstellung kommt. Dazu ermutigen wir sie.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU kann ich natürlich sagen, dass uns das immer wieder ganz wichtig war und ich dies nur der Form halber heute Morgen noch einmal klarstellen möchte.
Meine Damen und Herren, seit der Rede des Kollegen Hüppe hat sich in der Gesetzeslandschaft viel getan. Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurden in den vergangenen Jahren Verbesserungen bei den Fahrgastrechten oder Änderungen im Luftverkehrsgesetz vorgenommen. Gesetze zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Verwaltung oder vor Gerichten wurden verabschiedet. Ich freue mich ganz besonders, dass wir gerade hören konnten, dass sich auch der Bundestag hier einbringt, für Menschen mit Behinderungen tätig zu werden. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem es möglich sein wird, alle in geeigneter Form zu erreichen. Dafür von unserer Seite herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Es kommt aber auch darauf an, dass wir uns Zeit nehmen. Ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Gestatten Sie mir daher einen Schlenker auf die dortige Landesebene. Hier möchte ich das Thema Schulpolitik – Stichwort Inklusion – aufgreifen. Genau dieses Thema entwickelt sich in Nordrhein-Westfalen zu einem großen Problem. Das Beispiel Inklusion macht deutlich, dass Überarbeitungen, Evaluierungen und Weiterentwicklungen erforderlich sind, um allen Beteiligten gerecht zu werden. Die Umsetzung der Inklusion darf nicht mit der Brechstange erfolgen; denn Teilhabe erfordert vor allem Qualität, und zwar Qualität für alle Seiten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auf dieses Umsetzungsproblem in Nordrhein-Westfalen wollte ich hier besonders hinweisen.
Um unserem hohen Qualitätsanspruch gerecht werden zu können, bedarf es leider auch etwas Zeit: Zeit zum Austausch aller Interessen und Meinungen; Zeit zur Überarbeitung; Zeit zur Ausarbeitung. Ein Schnell- Schnell ist dabei sicher der falsche Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, bereits in der vergangenen Legislaturperiode wurde dem Bundestag der Teilhabebericht der Bundesregierung vorgelegt. Die Bundesregierung ist – das haben wir heute Morgen schon gehört – seit 1982 verpflichtet, einen solchen Bericht vorzulegen. Der letzte Bericht, den wir vorgelegt bekommen haben, hat jedoch die Besonderheit – das haben wir bereits im zuständigen Fachausschuss behandelt –, dass in ihm ein ganz anderer Blickwinkel eingenommen wird und er damit ganz andere Aussagen beinhaltet als die vorherigen Berichte.
Wir haben im Ausschuss ebenfalls gehört, dass wir noch mehr Erfahrungen sammeln müssen, dass wir noch näher an die Menschen herankommen müssen, um noch mehr von ihnen zu erfahren. Auch von schwerstbehinderten Menschen möchte ich wissen, welchen Bedarf und welche Bedürfnisse sie haben. Aber wie sollen wir diese Menschen erreichen? Es kommt also darauf an, ganz spezifische Fragestellungen zu entwickeln, um diese Menschen zu erreichen; denn es gibt – das ist mir persönlich wichtig – nicht den Behinderten, vielmehr haben viele Menschen ganz unterschiedliche Einschränkungen. Den Einzelnen zu erreichen, das muss doch unser Ziel sein. Deswegen ist es, wie ich finde, wichtig, dass wir eine Vorstudie machen und weitere Entwicklungen beobachten, um noch mehr von den Menschen zu erfahren. Dann können wir noch individueller tätig werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
In dem Bericht wurde ein Schwerpunkt auf Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen gelegt. Aus meiner Arbeit im Landschaftsverband Rheinland – ich nenne es immer mein früheres Leben – weiß ich um die Besonderheiten dieser Personengruppen. Wir haben es immer wieder mit psychisch erkrankten Personen zu tun gehabt. Es ist auch Aufgabe des Landschaftsverbandes, bei diesen Erkrankungen tätig zu werden.
Speziell auf einen Aspekt möchte ich eingehen, bei dem wir als Nichtbetroffene nicht so sehr im Film sind, wie ich immer sage, nämlich auf die Langzeitarbeitslosen. Wenn man mit den Betroffenen redet, dann hört man, dass psychisch erkrankte Langzeitarbeitslose, wenn sie endlich eine neue Arbeit gefunden haben, es zwei oder drei Wochen schaffen, dieser Tätigkeit nachzugehen. Aber nach zwei oder drei Wochen ist es vorbei, sie können ihre Ängste nicht überwinden. Diesen Menschen müssen wir helfen. Ich glaube, dass das eine ganz wichtige Aufgabe ist.
Ein zweiter Bereich, den ich neben der Psychiatrie als ganz wichtig erachte und den ich während meiner Arbeit im Landschaftsverband kennengelernt habe, ist der Bereich der Jugend- und Behindertenhilfe. Auch in der Jugendhilfe müssen wir Hürden überwinden, die durch die Sozialgesetzbücher aufgebaut werden. Das ist ganz wichtig.
Ich sehe gerade, dass mich die Lampe am Rednerpult durch Blinken darauf hinweist, dass meine Redezeit abgelaufen ist. Ich dachte, sieben Minuten Redezeit seien länger. Deswegen komme ich zum Schluss: Behinderung ist nicht heilbar. Sie ist ein integraler Bestandteil der Persönlichkeit behinderter Menschen und verdient unseren Respekt. Jedoch sind behindernde Strukturen und behinderndes Verhalten heilbar. Wir werden die Welt einfacher machen. Und das werden wir gemeinsam mit unseren Mitstreiterinnen und Mitstreitern einfach machen.
Ich freue mich in diesem Sinne auf die weitere Aussprache in den Ausschüssen und stimme der Überweisung wie alle anderen zu. Ich bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Eckenbach. Wir gratulieren Ihnen alle zu Ihrer ersten Rede im Hohen Haus
(Beifall)
und wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit für die Menschenrechte in unserem Land.
Jetzt hat das Wort Katrin Kunert für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3276614 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Programm für Barrierefreiheit |