Martin RosemannSPD - Programm für Barrierefreiheit
Frau Präsidentin! Es ist schön, hier auch einmal das letzte Wort zu haben.
(Heiterkeit)
Das allerletzte Wort haben Sie nicht; das habe ich. Aber Sie haben fast das letzte Wort.
Das allerletzte Wort haben Sie; das habe ich mir schon gedacht. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer persönlichen Bemerkung beginnen. Ich selber habe seit meiner Geburt eine Körperbehinderung: Mein rechtes Bein ist 16 Zentimeter kürzer als das linke; an der rechten Hand habe ich nur drei Finger. Meine Erfahrung vor allem als Kind und Jugendlicher war immer: Ich wollte einfach genauso mitmachen wie die anderen auch, vor allem beim Fußball. Allen Menschen mit Behinderungen welcher Art auch immer, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, ging es genauso. Sie wollten keine Sonderbehandlung, schon gar kein Mitleid,
(Beifall im ganzen Hause)
sondern sie wollten einfach mitmachen und dabei sein wie die anderen auch. In diesem Geist ist ja auch die UN-Behindertenrechtskonvention verfasst. Deswegen ist heute einfach ein guter Tag, zu sagen: Herzlichen Glückwunsch zu fünf Jahren UN-Behindertenrechtskonvention!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei Geburtstagen sollte man vielleicht auch etwas über die Väter und Mütter sagen. Deswegen will ich, nachdem vorhin Herrn Hüppe zu Recht für seine Arbeit gedankt und er für sie gelobt worden ist, auch derjenigen für ihre Arbeit danken, die damals, als die UN-Behindertenrechtskonvention von Deutschland unterschrieben wurde, die Beauftragte der Bundesregierung war, nämlich Karin Evers-Meyer.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Man muss immer noch ein bisschen weiter zurückgehen; alles hat ja Ursachen. So will ich auch den Vater des SGB IX, Karl Hermann Haack, nicht verschweigen. Auch ihm möchte ich für seine Arbeit damals unter Rot- Grün danken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Natürlich wissen wir alle: Bei der Umsetzung der UN-Konvention gibt es Licht und Schatten. Deshalb ist es aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung, dass sich die Große Koalition eine umfassendere Reform der Eingliederungshilfe im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes vorgenommen hat. Das ist eines der wichtigsten und größten Projekte in dieser Legislaturperiode. Technisch geht es nur darum, das Bundesteilhabegesetz im SGB IX als eigenständigen Leistungsbereich zu verankern. Es geht also um nichts weiter als die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in ein bundesdeutsches Teilhaberecht. In Wirklichkeit geht es dabei aber um nicht weniger als eine völlig neue Ausrichtung der Politik für behinderte Menschen, nämlich von der Fürsorge zur Teilhabe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das verlangt von vielen ein völliges Umdenken, ein neues Denken nach dem Motto: Behindert ist man nicht, behindert wird man. – Besonders wichtig ist mir wie auch vielen, die vor mir gesprochen haben, die Teilhabe von behinderten Menschen am ersten Arbeitsmarkt. Dafür braucht es mehr Durchlässigkeit. Das bedeutet für mich aber auch, auf all diejenigen Regelungen kritisch zu schauen, die bisher eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt gegenüber einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen diskriminieren.
Ich habe in meinem Wahlkreis ein Projekt, bei dem sich Leute darum bemühen, Beschäftigungsverhältnisse am ersten Arbeitsmarkt für schwerbehinderte Menschen zu schaffen.
(René Röspel [SPD]: Sauschwer!)
Das ist in der Praxis mit großem Aufwand verbunden: Es geht darum, geeignete Stellen zu finden; es geht darum, Stellen entsprechend auszugestalten; es geht darum, die Menschen in dieser Beschäftigung auch immer weiter zu begleiten. Dafür stehen bisher noch nicht ausreichend Instrumente zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, beim Bundesteilhabegesetz muss aus meiner Sicht gelten: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das BMAS geht dieses Projekt rechtzeitig an, damit es mit der notwendigen Gründlichkeit vorangetrieben werden kann, und die SPD-Bundestagsfraktion begleitet diesen Prozess auch mit einer eigenen Arbeitsgruppe und bringt, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, Vorschläge ein. Für uns – ich will das für die SPD-Fraktion noch einmal ganz deutlich sagen – ist zentral, dass das Bundesteilhabegesetz im Jahr 2016 verabschiedet wird,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
dass es im Jahr 2017 in Kraft tritt und dass die Entlastungswirkungen für die Kommunen bereits im Jahr 2017 beginnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ebenso zentral ist für uns, dass bereits der Prozess der Entwicklung dieses Bundesteilhabegesetzes inklusiv sein muss. Das bedeutet: von Beginn an Beteiligung der Behindertenverbände, und nicht nur der großen Verbände, sondern auch Beteiligung von Selbsthilfegruppen, von Angehörigenvertretungen und von den Menschen mit Behinderungen selbst. Es darf keine Änderung über die Köpfe der Betroffenen hinweg geben. Hier fängt die Inklusion an, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Letzter Satz, Frau Präsidentin: Ich meine, dass wir mit Andrea Nahles und Verena Bentele die beiden richtigen Frauen an der Spitze dieses Prozesses haben. Ich weiß, beiden ist dies ein Herzensanliegen, ebenso uns als SPD-Bundestagsfraktion. Wir freuen uns darauf.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3276674 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 27 |
Tagesordnungspunkt | Programm für Barrierefreiheit |