08.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 28 / Einzelplan 06

Lars CastellucciSPD - Innen

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes Zusammenleben. Aber es ist natürlich nicht alleine zuständig für gutes Zusammenleben: Alle sind vielmehr gefragt für gutes Zusammenleben, auch wir selbst sind gefragt. Die Basis für gutes Zusammenleben ist Respekt. Zu Respekt gehört für mich, Menschen vorurteilsfrei zu begegnen. Vor diesem Hintergrund finde ich es – seit ich diesem Gremium angehöre, noch mehr – schwierig, dass wir, wenn wir hier über Zuwanderung reden, häufig im nächsten Satz sofort von Missbrauch und im übernächsten Satz sofort von Kriminalität reden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

So schafft man keine gute Basis für gutes Zusammenleben, sondern das Gegenteil.

Nun stecken vielleicht sogar gute Vorstellungen dahinter, wenn zum Beispiel betont wird, dass es um die Akzeptanz der Bevölkerung gehe. Selbstverständlich, um die Akzeptanz der Bevölkerung muss es uns immer gehen, und zwar bei allen Politikfeldern. Wer aber Zuwanderung, Sozialmissbrauch und Kriminalität immer in einem Atemzug nennt, der schafft gerade keine Akzeptanz, sondern Vorurteile.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Nebenbei bemerkt: Damit trifft man auch die Zuwanderinnen und Zuwanderer, die man hier vielleicht lieber als andere haben möchte, nämlich die Ingenieurin oder jemanden, der etwas von IT versteht. Willkommenskultur und Fachkräftestrategien leistet man so jedenfalls einen Bärendienst.

Dabei ist völlig klar – es steht ein aufrechter Protestant vor Ihnen –: Alle haben sich an die Spielregeln zu halten. Das ist immer richtig. Spielregeln zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie für alle gelten. Sie machen ja keinen Sinn, wenn sie nur für einige gelten. Also, die Straßenverkehrsordnung gilt für alle, aber wir wissen, dass sich nicht alle daran halten. Die Steuergesetze gelten für alle, aber wir wissen natürlich, dass sich nicht immer alle daran halten,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

und zwar nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Bayern! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Häufig auch Nordrhein-Westfalen!)

Meine Damen und Herren, Zusammenleben ist nie konfliktfrei. Natürlich gibt es immer auch Probleme. An die müssen wir ran, und das tun wir auch. Lieber Kollege Beck, wir stocken doch die Hilfen für die Städte, die besonders von Zuwanderung betroffen sind, auf. Wir stocken doch das Programm „Soziale Stadt“ auf. Es wird wahrscheinlich viele sozialdemokratische Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geben, vielleicht sind auch noch ein paar grüne dabei, die dadurch eine gute Arbeit machen können.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Es sind auch Christdemokraten dabei!)

Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes Zusammenleben. Das heißt, wir gestalten Gesellschaftspolitik. Wir haben das Glück, dass die nicht immer Geld kostet, wir also die schwarze Null nicht gefährden mit dem, was wir tun. Das betrifft auch das Thema Optionspflicht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Vorrednerinnen und Vorredner der Opposition eingehen.

Wir alle wissen: Bisher mussten Kinder von Eltern mit ausländischer Herkunft mit Erreichen der Volljährigkeit in der Regel wählen, ob sie Deutsche werden wollen oder die Nationalität der Eltern behalten möchten. In der Praxis gab es damit Probleme, und es mussten bittere Entscheidungen getroffen werden: Entscheidet man sich für die deutsche Staatsbürgerschaft, dann kappt man seine Wurzeln, entscheidet man sich für die Staatsbürgerschaft der Eltern, verliert man das Wahlrecht, bekommt vielleicht Probleme auf dem Arbeitsmarkt usw., und das, obwohl man in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich zum Beispiel in Vereinen engagiert hat. – Die Große Koalition wird das nun beenden: Die Optionspflicht fällt weg.

(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?

Ja, gerne.

Wenn ich richtig informiert bin, fällt die Optionspflicht nicht weg, sondern das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Optionspflicht an neue Bedingungen knüpft. Vor dem Hintergrund dieses Gesetzentwurfs möchte ich Sie fragen, ob Sie mir erklären können, welche sachlichen Überlegungen es dafür gibt, dass jemand, der einen deutschen Hauptschulabschluss hat, nicht optionspflichtig wird, während jemand, der ein französisches Abitur, also Baccalauréat, oder eine österreichische Matura hat, optionspflichtig wird. Was ist der Sinn dahinter?

(Uli Grötsch [SPD]: Das stimmt nicht!)

– So steht es im Gesetzentwurf.

(Uli Grötsch [SPD]: Das stimmt nicht! Dafür gibt es die Einzelfallprüfung! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Die sind innerhalb der EU!)

Herr Kollege Beck, erstens steht das so nicht im Gesetzentwurf, und zweitens muss man sich im Leben entscheiden, ob es irgendwann einmal von einem heißt: „Ihm ist zu jeder Frage eine Maximalforderung eingefallen“, oder ob es von einem einmal heißen soll: „Er hat etwas hingekriegt.“

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich für meine Begriffe habe mich für die zweite Rolle entschieden. Ich bin stolz, dass wir jetzt miteinander einen wichtigen Schritt hinbekommen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja eine dürftige Antwort!)

Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass aus Sicht der SPD mehr drin gewesen wäre – das ist keine Frage –; trotzdem halte ich den gefundenen Kompromiss für gut und richtig. Er zeigt doch: Wir sind auf dem Weg; das ist noch nicht das Ende des Weges, aber es ist ein wichtiger Meilenstein hin zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht.

(Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Trippelschritt! – Zurufe von der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte fortfahren. Die Themen Integration und Migration sind wichtige Schwerpunkte in unserer Ausschussarbeit. Die Kollegin Fograscher ist auf das BAMF schon eingegangen. Ich möchte noch einen Gedanken zu den Asylanträgen einbringen. Ich glaube, Frau Hajduk, es ist richtig, jetzt auf Qualität zu setzen und zu sagen: Das machen wir Stück um Stück. – Die Ziele haben wir festgelegt.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Instrumente nicht!)

Zu der Frage gehört für mich aber auch folgende Überlegung: Wenn in diesem Bereich angeblich so viel Missbrauch herrscht, sind das Kernproblem dann die Menschen, oder ist das Kernproblem, dass die rechtliche Situation nicht wirklich tragfähig ist? In diesem Zusammenhang muss gesagt werden: Die europäische Flüchtlingspolitik hat ihre Defizite. Wir haben uns vorgenommen, dieses Thema anzugehen. Wir müssen da ran.

Ein weiteres Thema sind die Integrationskurse. Auch in diesem Bereich wollen wir die Qualität verbessern; das ist richtig. Wir wollen die Kurse näher zu den Menschen bringen. Auch wir sind nicht damit zufrieden, dass es in diesem Bereich trotz eines Mehrbedarfs eine Absenkung im Haushaltsentwurf gibt. Das wird in den fachlichen Beratungen eine Rolle spielen. Ich bin mir sicher, dass wir hier Bewegung in die Sache bringen können.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle miteinander und auch dieses Land lernen erst, was es heißt, Zuwanderungsland zu sein. Der Bundestag ist ein Spiegel der Gesellschaft, und das zeichnet ihn ja aus. Das heißt, wir werden miteinander ringen, aber wir kommen auch miteinander voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3287835
Wahlperiode 18
Sitzung 28
Tagesordnungspunkt Innen
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