Rüdiger KruseCDU/CSU - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Rößner von den Grünen – sie ist nicht mehr anwesend – hat sich vehement für die Filmförderung eingesetzt, was natürlich eine gute Sache ist. Daher mag es geschenkt sein, dass sie nicht Gleiches mit Gleichem verglichen hat. Die Regierungsentwürfe sind mit 60 Millionen Euro gleich geblieben. Wir haben dann als Parlament noch 70 Millionen Euro draufgelegt.
(Bettina Hagedorn [SPD]: 10 Millionen, Rüdiger!)
– 10 Millionen Euro, Entschuldigung; ich will da keine Erwartungen wecken. – Wenn man einmalig etwas drauflegt, wird das oft im Nachgang quasi noch bestraft, weil das dann für immer gefordert wird. Wenn aber von 70 Millionen Euro nur circa 63 Millionen Euro abfließen, war die Erwartung, dass es sich um einen begierigen Schwamm handelt, der viel mehr aufsaugen könnte, wohl doch nicht richtig. Das heißt, so schlecht liegen wir mit den 60 Millionen Euro nicht.
Wenn man denn vergleichen will, dann müssten die Grünen in diesem Punkt vergleichen, was sie zu ihrer Regierungszeit mit dem Deutschen Filmförderfonds gemacht haben. Wie hoch waren die Zahlen damals? Waren das 60 Millionen, 50 Millionen, 30 Millionen, 20 Millionen oder 10 Millionen Euro? – Es waren 0 Euro! Das ist der Ausgangspunkt gewesen.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Aha!)
Angesichts dessen ist es kein schlechtes Ergebnis, dass 2014 wieder 60 Millionen Euro für den deutschen Film zur Verfügung gestellt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist ein guter Einstieg für eine Momentaufnahme in diesem Land. In diesem Augenblick leben wir in einem Wohlfühlland; Sie kennen das vielleicht. Dann kommt meistens herbe Kritik. Obwohl ich keine rheinische Frohnatur bin, fühle ich mich gerne wohl. Ich finde es gut, dass die meisten Menschen sagen: Es lebt sich gut in Deutschland; wir sind gerne hier. – Sie haben das auch verdient; denn sie haben das alles über Jahrzehnte mit viel Leistung aufgebaut. Von außen betrachtet – ich betone: von außen –, aus Sicht der Mehrzahl der anderen Länder, ist Deutschland wahrscheinlich so etwas wie ein Paradies. Nun gibt es zwischen dem Wohlfühlaugenblick, den wir gerade erleben, und dem Paradies entscheidende Unterschiede. Das Paradies ist für die Ewigkeit, aber erst in der Ewigkeit. Der Augenblick – das besagt schon das Wort – ist ein Moment, der wieder vergeht. Wenn man den Wunsch hat, dass der Augenblick verweilen soll, dann muss man etwas dafür tun. Damit verhält es sich in etwa so, als ob Sie in einem strömungsschnellen Fluss rudern. Wenn Sie nicht nur auf der Stelle bleiben, nicht nur Fahrt übers Wasser, sondern über Grund machen, dann sind Sie richtig gut. Wenn Sie dann aber vor lauter Freude die Ruder hochklappen und sagen: „Was haben wir vollbracht!“, dann sind Sie ganz schnell wieder hinter dem Ausgangspunkt und treiben irgendwann hinaus auf das offene Meer. Viel Glück! Das bedeutet, dass der Mensch, solange er lebt, eben streben muss. Wir müssen also etwas tun, um den Wohlfühlaugenblick zu verlängern. Wenn wir dann noch den Ehrgeiz haben, das zum Ende der Legislaturperiode zu verbessern, bedeutet das, dass noch viel zu tun ist.
Ein wesentliches Kriterium des Haushalts 2014 ist, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit die Zukunftsfähigkeit in sich trägt. Wenn wir das so machen, dann können wir das auch so weitermachen. Wenn wir eine schwarze Null schreiben, dann ist das ein sehr guter Ansatz. Genau das schulden wir zukünftigen Generationen. Aber wie machen wir das in Zukunft? Wo gibt es noch Bereiche, in denen wir in den nächsten vier Jahren mehr tun müssen? Vergleichen wir das Ganze einmal mit dem Körperbau. Damit Gehirn, Lunge und alles andere funktionieren, gibt es im Körper eine Infrastruktur, bestehend unter anderem aus Arterien, Venen und Nerven. Was tun wir für die Infrastruktur, um das Ganze zu unterhalten? Uns stehen rund 300 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Summe wird von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erwirtschaftet und uns über Steuern übereignet, damit wir dieses Geld für das Land wieder vernünftig ausgeben. Um dauerhaft Steuereinnahmen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro zu verdienen, investieren wir in die Infrastruktur round about 12 bis 13 Milliarden Euro. Das ist nicht sehr viel. Wenn man eine Rendite zu erwarten hat, wenn man ohne Steuererhöhungen in Zukunft mehr machen möchte, dann muss man bei gleichen Steuersätzen versuchen, aus den Steuereinnahmen mehr zu machen. Selbst wenn man das Niveau nur halten will, wird man investieren müssen. Das heißt, perspektivisch sind wir gut beraten, wenn wir dieses Segment noch weiter ausbauen. Die 5 Milliarden Euro mehr in dieser Legislaturperiode sind ein richtiges Zeichen; das ist ein erster Schritt. Aber bekanntlich bestehen längere Wege nicht nur aus einem Schritt. Das heißt, wir müssen noch weiter gehen.
Wenn man sich etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass man sich darauf einigt, in den nächsten 20 Jahren eine Politik zu betreiben, mit der der Nachholbedarf in der Infrastruktur in Höhe von 60 bis 80 Milliarden Euro in diesem Zeitraum gedeckt wird. Dahin sollte man das Ganze steuern. Das wäre schon einmal ein guter Beitrag. Wasserstraßen, Schienen und Autobahnen sind sehr wichtig, aber sie sind nicht identitätsstiftend.
Damit sind wir bei dem Thema, das eben stark anklang, nämlich der Kultur. Diese ist sehr identitätsstiftend und sagt viel über ein Land aus. Sie trägt viel dazu bei, dass man sich dort wohlfühlt. Wir haben vorhin über die Infrastruktur gesprochen, wo viel gebaut wird. Bei einem Staatsbau gibt es immer die Abteilung Kunst am Bau. Es wäre jetzt vielleicht abfällig, wenn ich sagen würde, Monika Grütters sei die Staatsministerin für Kunst am Bau. Das klingt so ähnlich wie „Frauen und Gedöns“. Aber wenn ihr Etat so groß wäre wie der für Kunst am Bau, dann beliefe er sich auf immerhin 2 bis 3 Prozent des Gesamtetats. Nun ist Wolfgang Schäuble nicht mehr da, sonst wäre er jetzt erschrocken. Denn das wäre selbst bei 2 Prozent des Gesamtetats eine Verfünffachung der Mittel. Es ist wichtig, langfristig einen Aufwuchs bei den Mitteln für Kulturpolitik anzustreben, aber wir könnten niemals durch Bundesmittel das kompensieren, was die Länder kürzen könnten. Die Länder müssen also weiterhin zu ihren Verpflichtungen stehen, und der Bund muss seine Aufgaben erledigen.
Wir müssen noch etwas sehen: Die Aufgabe des Bundes strahlt sehr stark nach Europa aus. Wenn wir unsere Kulturpolitik noch stärker europaaffin ausrichten, das heißt mit unseren Partnern die kulturelle Identität Europas stärken, dann leisten wir einen sehr guten Beitrag zur Identitätsstiftung, und wir leisten auch einen Beitrag dazu – Wolfgang Schäuble hat es gestern in seiner Rede gesagt –, dass ein Europa, das an Bevölkerung, anders als der Rest der Welt, nicht zunehmen wird und dessen Anteil an der Weltwirtschaft nicht zunehmen wird, noch als attraktiver Partner gesehen wird, dass Deutschland ein Land ist, in das man reisen möchte, wo man leben möchte und wo man arbeiten möchte, weil man sich hier wohlfühlen kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Hiltrud Lotze das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, über den wir hier gerade sprechen, beläuft sich auf knapp 1,4 Milliarden Euro. Das ist verglichen mit der Gesamtsumme des Bundeshaushaltes eine kleine Zahl, aber doch eine erkleckliche Summe Geld. Geld hilft, das wissen wir alle, auch in der Kultur. Gleichzeitig ist es aber so, dass die Bedeutung und die Aufgabe der Kultur weit über die ökonomische Erfassung hinausgehen.
Kultur muss geschichtsbewusst sein. In kaum einem anderen Bereich besteht eine so enge Verknüpfung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft wie im Kulturbereich; denn die Art und Weise, wie wir heute in unserer Gesellschaft zusammenleben, ist geprägt durch unsere Erfahrungen in der Vergangenheit. Wir müssen also bedeutende Ereignisse unserer Geschichte immer wieder mitdenken, wir müssen uns an sie erinnern, und wir müssen ihrer gedenken. Deswegen ist zum Beispiel die Erinnerungskultur, die Aufarbeitung und die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, mit der Systemgeschichte, ganz besonders wichtig. Das ist besonders für junge Menschen wichtig, die selber einen Teil der Geschichte nicht erlebt haben, und das stabilisiert auch die Demokratie.
(Beifall bei der SPD)
Für Projekte, Veranstaltungen und Konferenzen anlässlich der Gedenktage, über die hier schon gesprochen wurde – wir gedenken in diesem Jahr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren, des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren und des Falls der Mauer vor 25 Jahren – und die sich mit der Geschichte künstlerisch und wissenschaftlich auseinandersetzen, sind im Haushalt 500 000 Euro vorgesehen. Für die friedliche Revolution vor 25 Jahren – sie ist eines der einschneidendsten Ereignisse der europäischen und deutschen Freiheits- und Demokratiebewegung – gibt es ebenfalls Geld: Seit Anfang des Jahres fördert das BKM Veranstaltungen und Ausstellungen zu diesem Anlass. Besonders erwähnen möchte ich die Open-Air-Ausstellung „Friedliche Revolution 1989/1990“ der Robert- Havemann-Gesellschaft, deren Finanzierung jetzt durch den Haushalt BKM dauerhaft gesichert ist. Das hatten wir auch im Koalitionsvertrag so vereinbart.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wie die Vergangenheit unsere Gegenwart beeinflusst, sehen wir am aktuellen Fall Gurlitt; auch darüber ist hier schon gesprochen worden. Durch die Enteignung und den Abkauf von Kunst zu Ramschpreisen während der NS-Zeit ist jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein großes Unrecht geschehen. Das ist uns heute eine moralische Verpflichtung, den Gesichtspunkt der Provenienz stärker zu berücksichtigen und rechtliche Regelungen zu Verjährung und Entschädigung zu überdenken. Dieser Verantwortung stellen wir uns. Deswegen werden die entsprechenden Mittel im Bundeshaushalt um 2 Millionen Euro aufgestockt.
Gleichzeitig arbeitet unser Bundesjustizminister an rechtlichen Lösungen, um der moralischen Verpflichtung besser gerecht zu werden. Denn der Fall Gurlitt zeigt – auch wenn gerade in diesen Tagen eine Vereinbarung zustande gekommen ist –, dass es nicht nur die öffentlichen Museen sind, die betroffen sind; vielmehr sind es eben auch private Sammlungen, bei denen wir genauer hinschauen müssen. Ich denke, da sind wir uns einig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Unrecht der Vergangenheit darf eben auch in der Gegenwart keinen Bestand haben.
Dass sich der Bundesjustizminister intensiv mit dieser Frage befasst, zeigt, dass Kultur in der Bundesregierung nicht nur bei der Kulturstaatsministerin, sondern auch in den anderen Ressorts eine wichtige Rolle spielt. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass Andrea Nahles, unsere Bundesarbeitsministerin, in diesen Tagen einen Gesetzentwurf vorstellt, mit dem die Künstlersozialversicherung stabilisiert und mit dem vor allen Dingen ein Anstieg des Abgabesatzes verhindert werden soll. Diesen Gesetzentwurf wollen wir noch vor der Sommerpause hier im Plenum beschließen.
Kultur lässt sich natürlich nicht auf gleiche Weise finanzieren wie zum Beispiel ein Stück neue Autobahn, von der man weiß, wie lang und wie breit sie werden soll; Kultur ist eben nicht statisch. Es braucht deswegen Spielraum im Haushalt BKM, um die Förderkulisse lebendig zu halten und um flexibel zu sein im Hinblick auf Dinge, die sich neu entwickeln. Ich schließe mich da Eva Högls Auffassung an, dass wir das bei den zukünftigen Haushaltsverfahren im Blick behalten müssen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Wir kommen jetzt zu dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, Einzelplan 05.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3290738 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |