09.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 29 / Einzelplan 05

Tobias LindnerDIE GRÜNEN - Auswärtiges Amt

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Steinmeier, Sie haben heute eine durchaus bemerkenswert engagierte Rede gehalten. Sie haben einiges gesagt, bei dem Sie unsere Unterstützung haben. Sie haben aber auch einiges gesagt, bei dem Sie – das liegt in der Natur von Opposition und Regierung – mit Sicherheit nicht unsere Unterstützung haben. Sie haben außerdem einiges gesagt, was mich ein bisschen verwirrt.

(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Was verwirrt Sie denn?)

Sie haben über Auslandsschulen, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sowie Krisenprävention gesprochen. Das ist durchaus zu begrüßen. Schaut man dann aber in den Etat des Auswärtigen Amts, stößt man auf Widersprüche. Es wird sich zeigen, ob sich diese in den Haushaltsberatungen auflösen lassen. Heute wurde schon vielfach über die Münchner Sicherheitskonferenz und über Ihre Äußerung gesprochen, dass Deutschland mehr Verantwortung übernehmen soll und dass die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen und der Europäischen Union gestärkt werden soll. Wenn Sie mehr Verantwortung nicht mit mehr militärischem Engagement gleichsetzen, dann haben Sie hierfür durchaus unsere Unterstützung. Mehr Verantwortung bedeutet, dass Sie auch mehr Geld in Ihrem Etat zur Verfügung haben. Zum ersten Mal seit Jahren wächst der Etat des Auswärtigen Amts signifikant an. Aber mehr Geld alleine hilft noch nicht, wenn es nicht an den richtigen Stellen eingesetzt wird.

An dieser Stelle möchte ich auf die humanitäre Hilfe eingehen, die heute schon vielfach – auch vom Kollegen Liebich – angesprochen wurde. Den Ansatz für die humanitäre Hilfe erhöhen Sie um 117 Millionen Euro auf insgesamt 303 Millionen Euro. In diesen Tagen beraten wir über einen interfraktionellen Antrag betreffend Syrien. Dieser enthält noch keine Summe für humanitäre Hilfe. Im letzten Jahr gab es nachträglich 243 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe dazu. Berechnungen der Vereinten Nationen gehen von einem steigenden Mittelbedarf aus. Die Krise in Syrien hat nicht plötzlich aufgehört. Es gibt weiterhin Flüchtlinge. Die katastrophalen Zustände halten an. Wenn wir einen gleichbleibenden Finanzierungsanteil Deutschlands unterstellen, dann brauchen wir in diesem Jahr mindestens 353 Millionen Euro, also 50 Millionen Euro mehr als im Etatansatz enthalten sind, um Syrien auf angemessene Art und Weise helfen zu können. Hier, lieber Herr Steinmeier, wird in den Haushaltsberatungen noch nachzusteuern sein. Es reicht eben nicht, ständig nur eine Schüppe draufzulegen. Wir brauchen von Anfang an einen richtigen Mittelansatz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ich über verlässliche Finanzierung rede, will ich auf den Punkt der Krisenprävention eingehen, den Sie ebenfalls erwähnt haben. Leider wird im Titel für Krisenprävention, der sowieso mehr gebrauchen könnte, leicht gekürzt. Auch an dieser Stelle wird meine Fraktion in den Haushaltsberatungen Vorschläge machen, aus denen hervorgeht, wie sich Strukturen und Mittelansätze verstetigen lassen; denn auch Hilfsorganisationen können nur tätig sein, wenn sie eine verlässliche Planungsgrundlage haben. Zu einer verlässlichen Planungsgrundlage gehören auch verstetigte Mittel im Haushaltsplan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie bereits erwähnt, werden auch die Mittel im Bereich Abrüstung und Rüstungskontrolle gekürzt. Das ist ein falsches Signal. Man sollte nicht vergessen, dass wir anschließend über den Einsatz der „Cape Ray“ und darüber beraten werden, was Deutschland tun kann, dass es auf diesem Planeten weniger Chemiewaffen gibt. Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren von der Koalition: Arbeiten Sie mit uns gemeinsam daran, dass diese Mittel mehr und nicht weniger werden!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich will in der kurzen Zeit, die mir für diese Rede noch bleibt, über die oft gelobte dritte Säule der Außenpolitik sprechen, über die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Einigkeit haben wir darüber, dass auswärtige Kultur- und Bildungspolitik eine wichtige Säule unserer Außenpolitik ist, aber leider bildet sich das im Etatentwurf nicht ab. Die Mittel für Auslandsschulen sinken um 19 Millionen Euro, die Mittelkürzung für das Goethe-Institut – Mittel in Höhe von 10 Millionen Euro wurden unter Schwarz-Gelb gekürzt – schreiben Sie fort. Nein, Herr Steinmeier, das hat nichts mit einer engagierten Kultur- und Bildungspolitik im Außenministerium zu tun.

Lieber Herr Außenminister, Sie wollen der deutschen Außenpolitik mehr Gewicht verleihen. Genauso wie mehr Gewicht sind auch mehr Mittel an sich kein Selbstzweck; es kommt darauf an, wo man dieses Gewicht einbringt und wo man diese Mittel einsetzt. Sie müssen an der richtigen Stelle und an den richtigen Strukturen eingesetzt werden. Meine Fraktion wird in den jetzt anstehenden Haushaltsberatungen an den Stellen, die ich heute kritisiert habe, Vorschläge machen, wie man mit mehr Mitteln tatsächlich zu verantwortungsvollerer und verantwortungsbewussterer Außenpolitik in Deutschland kommt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist Gabriela Heinrich für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brand hat heute bereits das Wort des Bundespräsidenten erwähnt: Jede Politik ist auch Menschenrechtspolitik. – Der Satz bringt es auf den Punkt: Die Menschenrechte müssen die Leitlinie jeder deutschen Politik sein. Jenseits aller übrigen Bestrebungen nach kohärenter Politik muss alles, was Politik ausmacht, auf dem Fundament der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und ihrer Folgeabkommen stehen.

Eine weitere Linie deutscher Politik muss sein: Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe dürfen niemanden vergessen. Es darf nicht sein, dass die Organisation Ärzte ohne Grenzen eine Liste vergessener Krisen veröffentlichen muss, zuletzt im Dezember 2013 eine Liste mit den Staaten Tschad, Zentralafrika, Swasiland, Südsudan und Simbabwe.

Zentralafrika zum Beispiel ist keine vergessene Krise mehr. Die internationale Staatengemeinschaft handelt, und auch Deutschland kann seinen Teil leisten. Letzte Woche haben wir hier zu Ruanda gesprochen. Viel war die Rede von RtoP, von der Responsibility to Protect. Gestern hat das Kabinett einen Antrag beschlossen: Es geht um die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Europäischen Überbrückungsmission in der Zentralafrikanischen Republik. Wir werden morgen darüber beraten. Militarisierung? Angesichts der aktuellen Situation muss die Frage doch lauten: Schauen wir hin, oder schauen wir weg? Wenn sich die Bundeswehr an dieser Mission beteiligt, wenn sie zum Beispiel Verwundete transportiert, dann ist das in meinen Augen eine aktive Menschenrechtspolitik, die die Lehren aus dem Genozid von Ruanda und aus den Gräueln von Srebrenica gezogen hat.

Eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit – Sie haben es angesprochen – ist die in Syrien. Syrien zeigt, dass wir uns auch im Menschenrechtsausschuss noch mehr mit humanitärer Hilfe beschäftigen müssen. Wir haben im Deutschen Bundestag mehrfach über das Leiden und die Not der syrischen Flüchtlinge gesprochen. Syrien ist ein Fall für die Responsibility to Protect, aber eben nicht nur Syrien. Die Nachrichten sind voll mit Berichten über Katastrophen in allen möglichen Ländern. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, zu helfen, auch wenn sich oft zunächst ein Gefühl der Hilflosigkeit einstellen mag. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, Hilfe auch durch aufgestockte Haushaltsmittel bereitzustellen.

Humanitäre Katastrophen kündigen sich an. Die Katastrophe im Südsudan kündigt sich an. Toby Lanzer, der humanitäre Koordinator für den Südsudan bei der UNO, hat letzte Woche eindringlich vor einer neuen Hungersnot gewarnt, einer drohenden Hungersnot, die vergleichbar mit der in Äthiopien in den 80er-Jahren ist. Sie droht jetzt, wenn die Saat nicht rechtzeitig in den Boden gebracht wird. Sie droht in einem Land, das eigentlich fruchtbar sein könnte und über ausreichend Ressourcen verfügt, um sich selbst zu ernähren.

Ich halte fest: Wir dürfen diese Länder nicht vergessen. Aber wir dürfen auch nicht die Menschen vergessen, die sich in vielen Ländern dieser Welt für die Menschenrechte einsetzen. Seit zehn Jahren gibt es die Leitlinien der Europäischen Union zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Zu diesem Schutz gehört es, ihnen die Sicherheit zu geben, dass sie in ihrem Kampf für die Menschenrechte nicht allein sind. Die internationale Anerkennung und die internationale Beachtung können für Menschenrechtsverteidiger eine Lebensversicherung sein. Denn leider ist es so: Wer sich friedlich für die Menschenrechte einsetzt, wird in manchen Teilen der Welt genau dafür verfolgt, verhaftet, gefoltert und ermordet.

Es gibt weltweit unzählige Beispiele für mutige Menschen, die sich in ihrer Heimat friedlich für die Menschenrechte einsetzen. Ich nenne hier stellvertretend Alice Nkom aus Kamerun und Kasha Jacqueline Nabagesera aus Uganda, die sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzen. Außerdem nenne ich Abdolfattah Soltani. Er wurde im Iran unter anderem für die Errichtung des Zentrums für Menschenrechtsverteidiger angeklagt. Er ist noch immer in Haft. Unsere Aufgabe ist es, diese Menschenrechtsverteidiger mit allen unseren Möglichkeiten zu unterstützen, sie nicht alleinzulassen und die Vertreter ihrer Länder immer wieder auf sie hinzuweisen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die angesprochenen Krisen sind schrecklich und bringen unermessliches Leid. Wir müssen uns unserer Verantwortung innerhalb der internationalen Gemeinschaft stellen, und dazu gehört die ausreichende Finanzierung. Ich danke daher besonders unserem Außenminister Frank-Walter Steinmeier dafür, dass die Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen und nicht zuletzt die Transformationspartnerschaften Nordafrika/Naher Osten deutlich gestärkt werden sollen. Vielleicht müssen wir auch noch eine Schüppe drauflegen. Wir können die Hoffnung nicht aufgeben, dass das hilft, zumindest die Folgen der schlimmsten Katastrophen zu lindern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Das Wort hat Alexander Ulrich für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3290830
Wahlperiode 18
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta