Karl-Georg WellmannCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute mehrfach über die Ukraine und über unsere damit verbundenen Sorgen gesprochen. Es geht hier aber nur vordergründig um die Ukraine. In Wahrheit geht es um die Position Russlands in Europa.
Wir haben Konzepte, die zeigen, welche Position Russland in Europa haben sollte, und haben immer gesagt, dass wir uns Russland als strategischen Partner der EU wünschen, und zwar möglichst in einem gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsrahmen. Dazu gehört auch ein reger Austausch von Menschen, Kapital und Know-how. Es ist jetzt an Russland, politische Konzepte vorzulegen, die zeigen, wie sich Russland die Gestaltung des europäischen Raumes vorstellt. Russland ist schlichtweg zu groß, um darauf zu verzichten, dass Russland seine Konzepte für die Gestaltung dieses Raumes gemeinsam mit uns vorlegt.
Es ist ganz klar: Die Ukraine entscheidet über ihre Orientierung ganz alleine. Wenn sie sich für den Westen entscheidet, ist das für uns maßgebend. Die EU wird dies mit allen vorhandenen Möglichkeiten unterstützen. Versuche der Destabilisierung von außen werden scheitern. Die Kosten einer Intervention wären für Russland sehr hoch, finanziell und politisch. Wir wissen das. Wenn Russland eine Intervention versuchen sollte, dann könnte sich dieses Land sehr schnell überanstrengen, ebenfalls politisch und finanziell.
Ich hoffe, dass sich niemand vertut: Die Europäische Union hat für die Stabilisierung des Euro – ich glaube – 800 Milliarden Euro mobilisiert. Ich bin ziemlich sicher, dass die EU eher als Russland den Atem hätte, der Ukraine auf die Beine zu helfen. Das notwendige Potenzial hätte die Ukraine allemal.
Was wollen wir? Ich glaube, dass es richtig wäre, die Ukraine gemeinsam mit Russland zu entwickeln. Dies hätte Vorteile für alle. Natürlich müssen dabei auch die Fragen einer Freihandelszone mit Russland, des Visaregimes und gemeinsamer trilateraler Industrieprojekte im Raum stehen. Wir tun in diesem Zusammenhang gut daran – Andreas Schockenhoff hat darauf hingewiesen –, die plausiblen strategischen Interessen Russlands zu berücksichtigen. Ich denke an bestimmte technologische Projekte. So werden beispielsweise die Turbinen für sämtliche Hubschrauber, die in Russland eingesetzt werden, im Rahmen eines ukrainisch-russischen Industrieprojekts in der Ukraine gebaut. Da haben die Russen plausible strategische Interessen, die wir nicht vergessen dürfen.
Uns muss die Frage beschäftigen, welche Aufgabe Deutschland in der europäischen Politik zukommt. Jeder von uns hat mit Gesprächspartnern aus Polen oder dem Baltikum gesprochen, die mit hochgezogenen Augenbrauen fragen, was denn die deutsche Position ist und welche Rolle wir gegenüber Russland spielen. Wir sollten ganz klar sagen: Für uns ist die Einigkeit der Europäer das wichtigste Ziel. Es ist selbstverständlich – das sage ich noch einmal ausdrücklich –, dass wir natürlich keine Sondergespräche – zwischen Deutschland und Russland – führen werden.
Alle fordern von uns Deutschen mehr Verantwortung. Was bedeutet das? Es bedeutet zunächst einmal, festzustellen, dass das Weimarer Dreieck das Morden auf dem Maidan beendet hat. Es bedeutet weiterhin, dass wir uns mit unseren polnischen und französischen Freunden in Fragen der europäischen Ostpolitik abstimmen müssen. Aber Vorsicht! Plötzlich wird Führung von Deutschland gefordert. Herr Rehn, Kommissar für Wirtschaft und Währung, äußerte sich am Montag in der FAZ dahin gehend, dass viele in der Außenpolitik „mehr Führung durch Deutschland“ wollen. Wissen wir eigentlich, was das bedeutet? Als Erster hatte das Sikorski vor zwei Jahren angesprochen. Er bezog das aber auf die Euro-Krise, als er sagte, er habe weniger Angst vor deutschen Panzern als davor, dass Deutschland in Europa zu wenig führt.
Jetzt geht es nicht nur um eine wirtschafts- und währungspolitische Führung, sondern jetzt ist auch außenpolitische Führung gefordert. Donald Tusk forderte letzte Woche in der Zeit eine „wahre politische Führung“. Auf Nachfrage sagte er: Vielleicht sollte man besser von Leitung statt von Führung sprechen. – Das macht es uns nicht wirklich leichter; denn wenn wir leiten sollen, dann liegt auch die Verantwortung bei uns, das Wohl und das Interesse der Europäischen Gemeinschaft zu definieren. Das sind jedenfalls die neuen Verantwortlichkeiten, über die wir uns klar werden müssen, so wie dies der Außenminister und der Bundespräsident auf der Sicherheitskonferenz in München gesagt haben. Dazu müssen wir erst einmal im Parlament eine Diskussion führen und versuchen, einen Konsens herzustellen. Diese Arbeit muss übrigens auch in der deutschen Öffentlichkeit bzw. der deutschen Gesellschaft geleistet werden.
Meine Damen und Herren, die EU-Außenpolitik der letzten Jahre war in Bezug auf den Osten Europas nicht sehr eindrucksvoll; deshalb ist es besonders wichtig, dass wir Deutschen die Initiative ergreifen und die Diskussion, von der ich sprach, untereinander führen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Wellmann. – Der letzte Wortbeitrag in dieser Debatte kommt von Alois Karl für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3290846 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |