09.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 29 / Einzelplan 23

Michael LeutertDIE LINKE - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung will dieses Jahr knapp 6,5 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe ausgeben. Sie haben es selber angesprochen: Das ist ganz klar zu wenig. Deutschland hat sich international verpflichtet – dazu standen alle Bundesregierungen, egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb –,bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungspolitik zur Verfügung zu stellen. Das wären aktuell 19 Milliarden Euro. Hier gibt es also eine Lücke, die geschlossen werden muss, und zwar bis zum nächsten Jahr, also im Haushalt 2015. Mich würde interessieren, wie Sie das bis zum nächsten Jahr bewerkstelligen wollen.

Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die Glaubwürdigkeit Deutschlands wird nicht am militärischen Engagement Deutschlands oder an der Übernahme von mehr Verantwortung auf internationaler Ebene gemessen, sondern entscheidend für unsere Glaubwürdigkeit wird sein, ob wir Zusagen – insbesondere diese Zusage – einhalten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, in Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Entwicklungshilfe sind wir uns, glaube ich, alle einig. Sie haben gerade von der Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“ gesprochen, und in Ihrer Auftaktrede zur Eröffnung der Diskussion darüber sagten Sie – Sie haben das gerade auch selbst erwähnt; ich möchte es aber gerne noch einmal zitieren –:

Das könnte in unserem Parteiprogramm stehen und kann ich unterschreiben. Ich glaube, hier werden wir uns einig.

(Volkmar Klein [CDU/CSU]: Das bleibt aber trotzdem richtig!)

– Ja, das bleibt richtig.

Auch an den Zielen gibt es nichts zu kritisieren: erstens weltweite Armut bekämpfen, zweitens Frieden sichern und Demokratie verwirklichen, drittens Globalisierung gerecht gestalten und viertens Umwelt schützen. All diese Ziele teilt die Linke, und wir unterstützen das BMZ dabei, mit dem nicht ausreichenden Geld die Projekte zu finanzieren, mit denen diese Ziele verwirklicht werden können.

Allerdings wissen auch Sie – zumindest konnte ich das einem Interview auf Zeit Online vom 23. Januar 2014 entnehmen –: „Mehr Geld allein bringt aber auch nichts“. Das Geld muss natürlich auch wirksam eingesetzt werden. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und sagen: Es darf auch von anderer Stelle kein Geld eingesetzt werden, mit welchem die gesetzten Ziele wiederum untergraben werden.

Ich möchte hier – das habe ich heute schon einmal gemacht; die Haushälter freuen sich über so etwas immer – wiederum einen Vorschlag einbringen, der in der Entwicklungshilfe viel bewirken könnte und gar kein Geld kosten würde. Ich spreche von der Unterbindung von Waffenexporten, und zwar von ganz bestimmten Waffen.

Es ist bekannt, dass Deutschland Waffen in alle möglichen Länder exportiert. Dabei spielt es derzeit leider keine Rolle, ob es demokratische Länder oder Länder mit menschenverachtenden Regimen sind. Wir liefern genauso selbstverständlich nach Spanien wie nach Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Leider werden deutsche Waffen auch in Konfliktregionen geliefert: Indien und Pakistan stehen genauso selbstverständlich auf der Exportliste wie die Zentralafrikanische Republik und Nigeria.

Sie, Herr Minister – das ist jetzt die Klammer zu Ihrem Ministerium –, sind Mitglied des Bundessicherheitsrates, der über Waffenexporte entscheiden kann, und der verantwortliche Wirtschaftsminister ist der SPD-Vorsitzende Gabriel. Ich glaube, Sie können sich sehr schnell einig werden, diese Situation dort zu verändern. Das würden wir zumindest sehr begrüßen. Wie gesagt: Das würde kein Geld kosten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem ist ja, dass diese Handfeuerwaffen aus deutscher Produktion – es geht hier hauptsächlich um Kleinwaffen – immer wieder in Krisengebieten auftauchen. Das ist im Übrigen nicht nur ein Kritikpunkt der Linken, sondern das wurde auch von den Kirchen in Deutschland immer wieder ganz deutlich kritisiert.

Allein 2012 hat die Bundesregierung die Ausfuhr von 67 000 kleinen und leichten Waffen genehmigt. Das Sturmgewehr G36 – die Standardwaffe der Bundeswehr – taucht in Konfliktgebieten auf, zum Beispiel in Libyen, Georgien und zuletzt auch in Mexiko, wo es auch eine quasi militärische Auseinandersetzung gibt, nämlich einen Drogenkrieg mit über 70 000 Toten.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Einzelplan 23!)

– Ja, jetzt komme ich zum Einzelplan 23, sehr verehrte Kollegin.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

Mexiko ist nämlich Zielland deutscher Entwicklungshilfe.

Ich meine: Das passt nicht zusammen. Auf der einen Seite leisten wir Entwicklungshilfe für diese Länder, und auf der anderen Seite gibt es Unternehmen bei uns im Land – zum Beispiel Heckler & Koch –, die mit ihren Waffenlieferungen die Gerüste, die wir durch unsere Entwicklungshilfe aufbauen, wieder einreißen. Das ist nicht der richtige Weg; das muss und kann geändert werden.

(Beifall bei der LINKEN – Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Zusammenarbeit! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wir arbeiten zusammen!)

Das Problem an diesen Gewehren ist, dass sie relativ preiswert sind – ein neues Modell kostet 1 700 Euro –, und sie sind leicht zu bedienen und sehr leicht zu heben; das G36 wiegt nämlich nur 3,5 Kilogramm. Das können Kinder hochheben, und genau das passiert auch in den Konfliktgebieten.

Es sterben nicht nur 25 000 Kinder jeden Tag wegen Hungers, sondern weltweit sind auch 250 000 Kinder als Kindersoldaten im Einsatz, leider eben auch in Ländern – es gibt zum Beispiel auf den Philippinen und in Indien Kindersoldaten –, die sowohl Zielländer für unsere Entwicklungshilfe als auch Zielländer für Waffenexporte – es werden unter anderem Kleinwaffen dorthin geliefert – sind.

Es gibt im Haushalt des Einzelplans 23 den Titel – das ist eine Sonderinitiative – „Fluchtursachen bekämpfen“. Dafür werden 170 Millionen Euro eingestellt, 100 Millionen Euro davon sind Verpflichtungsermächtigungen. Eine Fluchtursache – das ist ganz klar – sind bewaffnete Konflikte. Das Geld allein wird nicht ausreichen, um diese Fluchtursachen zu minimieren.

Also fordere ich Sie hier noch einmal auf: Helfen Sie mit, Herr Minister, die Exporte von Handfeuerwaffen in Konfliktregionen zu unterbinden. Damit kommen wir dem selbst gesteckten Ziel der Entwicklungspolitik, nämlich der Friedenssicherung, ein großes Stück näher, und zwar ganz ohne zusätzliche Mittel. Vor allem würde man damit Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Die Unterstützung der Linken haben Sie auf diesem Weg auf alle Fälle.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Frau Dr. Bärbel Kofler für die SPD ist jetzt die nächste Rednerin.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3291085
Wahlperiode 18
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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