09.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 29 / Einzelplan 23

Sonja SteffenSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich in dieser Legislaturperiode Mitglied im Haushaltsausschuss bin. Ich freue mich noch mehr, dass ich meinen Wunsch-Einzelplan erhalten habe, nämlich den Einzelplan für Entwicklungszusammenarbeit. Ich merke allerdings bei der Einarbeitung in das Thema, dass ich Schwierigkeiten habe, weil ich bei manchen Fragen zwischen zwei Welten stehe. Auf der einen Seite schlägt in mir natürlich das Herz einer Unterstützerin der weltweiten Armutsbekämpfung, auf der anderen Seite weiß ich aber auch, dass ich als Haushälterin auf den vereinbarten Konsolidierungskurs der Großen Koalition pochen muss.

(Johannes Selle [CDU/CSU]: Sehr gute Bemerkung!)

Es gilt also, einen Weg zu finden zwischen vernünftiger Haushaltspolitik auf der einen Seite und den finanziellen Verpflichtungen und Verantwortungen, die wir im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit haben, auf der anderen Seite.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel – da gebe ich meinen Vorrednern recht – führen, gerade vor dem Hintergrund des ehrgeizigen Ziels der Schuldenreduzierung, zu einem sehr begrenzten Spielraum. Mit einem Etat von 6,44 Milliarden Euro haben wir im Vergleich zum gesamten Bundeshaushalt einen recht deutlichen Aufwuchs zu verzeichnen. Frau Hajduk, ich habe übrigens ausgerechnet, dass es 2,3 Prozent sind. Dabei habe ich die Zahlen des Jahres 2013 zugrunde gelegt. Sie haben vorhin 3,7 Prozent genannt. Dabei ist natürlich klar, dass sich viele an dieser Stelle mehr gewünscht hätten; selbstverständlich auch wir Sozialdemokraten.

Insgesamt stellen wir in dieser Legislaturperiode 2 Milliarden Euro an ODA-Mitteln mehr zur Verfügung, als die mittelfristige Finanzplanung der schwarz-gelben Koalition ursprünglich vorsah. Es gibt in dieser Woche aktuelle Zahlen. 2013 beträgt die ODA-Quote 0,38 Prozent. Wie es im Moment aussieht, werden wir die ODA- Quote in dieser Legislaturperiode zumindest halten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unser ursprüngliches ODA-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in 2015 werden wir aller Voraussicht nach nicht erreichen. Ich verweise an dieser Stelle darauf, dass in Großbritannien die ODA-Quote sehr gut erreicht ist. Dort beträgt sie 2013 0,72 Prozent. Das liegt unter anderem daran, dass Großbritannien diesen Etat vor die Klammer zieht. Unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation diskutiert man dort nicht über den Aufwuchs in diesem Etat, sodass man die ODA-Quote jetzt gut erreicht hat.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten uns allmählich ernsthafte Gedanken darüber machen, wie es mit diesen Zielen auch bei uns weitergehen soll. Außerdem dürfen wir die bereitgestellten 2 Milliarden Euro nicht als Deckel betrachten, erst recht nicht als geschlossenen Deckel, sondern sie können nur ein Minimum an zur Verfügung gestellten Mitteln im Bereich der internationalen Zusammenarbeit sein. Das haben Sie, Herr Minister Müller, gerade schon gesagt.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass wir zumindest erreicht haben, dass der Abwärtstrend, der während der schwarz-gelben Koalition leider entstanden ist, die sogenannte Niebel-Delle – darüber ist heute schon geredet worden –, endlich beendet werden konnte und dass es mit der Entwicklungspolitik endlich wieder aufwärts geht.

2014 wird in diesem Einzelplan nicht gekürzt, auch nicht, zumindest wenn es nach mir geht, in der Bereinigungssitzung. Der Etat des Entwicklungsministeriums wird im Vergleich zum Haushalt 2013 um 147 Millionen Euro aufwachsen und im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf von CDU/CSU und FDP sogar um 160 Millionen Euro steigen. Es liegt an uns, diesen Spielraum an Aufwuchs, den wir haben, qualitativ und inhaltlich möglichst sinnvoll umzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Anfang des Jahres war ich in Vietnam und habe mir die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung angeschaut. Wir haben Parlamentarier besucht, wir haben mit ihnen über das Sozialversicherungswesen diskutiert. Ich konnte mir nicht nur ein Bild von den dortigen Verhältnissen machen, sondern auch von der wirklich großartigen Arbeit, die von den Stiftungen vor Ort geleistet wird. Dabei ist mir die Bedeutung des politischen Dialogs und der Beratung mit und in den Partnerländern sehr eindrucksvoll bewusst geworden. Diese Arbeit ist vielleicht auf den ersten Blick viel weniger greifbar, als wenn Schulen oder Brunnen gebaut werden, aber langfristig kann sie sehr nachhaltig sein. Wir wollen uns deshalb im parlamentarischen Verfahren die entsprechenden Zahlen im Einzelplan noch einmal ganz genau anschauen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube, das ist wichtig!)

Ich denke, dass wir die Stiftungen und auch andere zivilgesellschaftliche Einrichtungen – Frau Kofler hat vorhin schon den Zivilen Friedensdienst genannt – noch stärker unterstützen müssen, als dies im gegenwärtigen Haushaltsentwurf vorgesehen ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Insbesondere die Arbeit dieser Einrichtungen wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, wenn es um die Begleitung demokratischer Prozesse in den Transformationsstaaten geht, also in den Staaten, die sich gerade im politischen Umbruch befinden. Durch sinnvolle Unterstützung vor Ort können wir unseren Teil dazu beitragen, dass diese Staaten demokratische und rechtsstaatliche Strukturen erhalten, dass Konflikte eingedämmt werden und dass Menschenrechte verwirklicht werden können.

Hier schließt sich auch die Flüchtlingsproblematik an, die Sie, Herr Minister, in einer Ihrer drei Sonderinitiativen aufgreifen möchten. Die Bilder der syrischen Bevölkerung und insbesondere der syrischen Flüchtlinge sind uns allen präsent. Nicht nur Sie, Herr Minister, blicken voller Sorge auf die Flüchtlingscamps im Libanon und in Jordanien. Ich freue mich deshalb über den neuen Schwerpunkt „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“, für den im Haushalt 70 Millionen Euro veranschlagt worden sind. Insgesamt ist die Flüchtlingsproblematik tatsächlich sehr vielschichtig. Den besten Beitrag können wir leisten, indem wir helfen, dass die Menschen nicht mehr gezwungen sind, ihre Gebiete, ihre Heimat zu verlassen. Denn eines steht fest: Niemand flüchtet ohne Not aus seiner Heimat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE])

Aber es geht dabei auch um die aktuelle Situation in den Flüchtlingscamps und um die Zukunft im Aufnahmeland, übrigens auch in Deutschland.

Eine weitere Sonderinitiative soll der weltweiten Bekämpfung von Hunger und Unterernährung dienen. Auch bei dieser Aufgabe, Herr Minister, sind wir Sozialdemokraten ganz an Ihrer Seite. Bei einer Reise in ein Entwicklungs- oder Schwellenland wird man sich einmal mehr bewusst, welch hohen Lebensstandard wir in Deutschland haben und auf welch hohem wirtschaftlichen Niveau wir hier leben. Es versteht sich daher von selbst, dass es unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist, dort Unterstützung und Hilfe zu leisten. Dieses Prinzip gilt für uns Sozialdemokraten innerhalb Deutschlands genauso wie weltweit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir können und wollen es nicht hinnehmen, dass nach wie vor mehr als 800 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden.

Zum Schluss eine kameralistische Anmerkung. Es gibt eine Besonderheit im Haushaltsplan: Die Sonderinitiativen sind nicht in einzelnen Titeln ausgewiesen, sondern es werden global Gelder veranschlagt, ohne diese auf einzelne Titel zu verteilen oder sie bestimmten Institutionen und Instrumenten zuzuordnen. Es ist daher im Moment noch nicht klar, durch wen, wie und wo genau diese Gelder verwendet werden, zumal die Mittel dieser drei Initiativen auch noch untereinander deckungsfähig sein sollen. Dies ermöglicht auf der einen Seite Flexibilität – die wünscht man sich –; auf der anderen Seite besteht aber auch die Gefahr, dass die Mittelverwendung undurchsichtig wird. Ich denke, das kann nicht im Interesse unseres Parlaments liegen. Ich kann Ihnen deshalb versichern, lieber Herr Minister, dass die SPD-Bundestagsfraktion Sie bei der Umsetzung der Sonderinitiativen tatkräftig unterstützen wird. Allerdings werden wir auch genau darauf achten, dass die Mittel sinnvoll und breitenwirksam eingesetzt werden. Denn es gilt, was Sie schon oft betont haben: Jeder Euro soll tatsächlich in der Entwicklungshilfe ankommen.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich auf spannende und konstruktive Haushaltsberatungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt Uwe Kekeritz das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3291125
Wahlperiode 18
Sitzung 29
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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