Uwe KekeritzDIE GRÜNEN - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Müller, sicherlich erinnern Sie sich noch an die Reaktionen auf Ihre erste Rede hier im Parlament. Sie waren sehr positiv, und sie waren zu Recht positiv. Wir sind uns aber schon damals einig darüber gewesen, dass nicht Worte zählen, sondern Taten.
Ihre Worte sind oftmals verblüffend klar, so auch Ihre Aussage zur Fußballweltmeisterschaft in Katar. Respekt!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)
Sie sagten: Die Entscheidung für Katar war falsch, und die FIFA solle sie zurücknehmen. – Das findet unsere Unterstützung. Das waren richtige und gute Worte. Es fragt sich nur: War das nur für die Presse, oder folgt da noch etwas? Wir sind davon überzeugt, dass der Prozess politisch begleitet werden sollte, und wir unterstützen Sie dabei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hervorragend klingt auch Ihre entschlossen wirkende Aussage zu einem Nachhaltigkeitssiegel im Textilbereich, mit dem die soziale Strukturen in vielen Ländern verbessert werden könnten. Ich habe zu diesem Thema eine Kleine Anfrage gestellt, auf die ich eine Antwort aus Ihrem Haus bekommen habe. Sie haben weder in Bezug auf die Ausgestaltung noch in Bezug auf die Umsetzung des Siegels eine Vorstellung. Das Ministerium weiß auch nicht, ob es eine Weiterentwicklung eines bestehenden Siegels oder ob es ein neues Siegel werden soll. Soll es ein Dachsiegel, ein staatliches oder ein privates Siegel werden? Sie wissen ebenfalls nicht, wie die Zivilgesellschaft eingebunden wird. All diese Fragen kann das Ministerium nicht beantworten. Das ist schade, wenn man eine solche PR-Kampagne macht.
Ich will Sie nicht entmutigen. Bitte machen Sie weiter! Sie haben unsere Unterstützung. Aber ich muss leider feststellen – das ist vorhin nicht ganz objektiv formuliert worden –: Sie haben die Tendenz, die Zivilgesellschaft zu vergessen. Das sollten Sie gerade in diesem Fall auf keinen Fall tun; denn sie ist von zentraler Bedeutung für die Einführung eines vernünftigen Siegels.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Leider wird auch beim Haushalt deutlich, dass Ihre Ankündigungen – sagen wir mal – eine kurze Halbwertszeit besitzen. Sie haben zwar mit dem Kappen Ihres Vorgängers aufgeräumt, aber die Rechentricks, die er verwendet hat, verwenden Sie auch.
Sie sprechen zum Beispiel davon, dass der Etat um 160 Millionen Euro steigt. Darüber haben wir genug gesprochen, das muss ich nicht weiter ausführen. Sie täuschen damit uns und die Öffentlichkeit. Dass so etwas nicht funktioniert, Herr Minister, müssten Sie wissen, vor allen Dingen müsste das Ihr Staatssekretär Herr Kitschelt wissen, der vier Jahre lang Erfahrung in diesem Bereich gesammelt hat. Ich sage Ihnen: Weder die Opposition noch die Zivilgesellschaft lassen sich hinters Licht führen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Um ehrlich zu sein: Effektiv kommen 8 Millionen Euro mehr heraus. Meine werten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, kommen Ihnen da nicht die Tränen? Sie haben im Wahlkampf das 125-Fache davon gefordert. Der angekündigte großartige Paradigmenwechsel kann so nicht funktionieren.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist was dran!)
Zum Thema Landwirtschaft. Herr Minister, wir begrüßen natürlich außerordentlich, dass Sie das Thema ländliche Entwicklung endlich oben auf die Agenda gesetzt haben. Aber bitte erklären Sie uns doch einmal, wie Sie die Mittel für den Kampf gegen den Hunger ohne Etataufwuchs auf 1 Milliarde Euro erhöhen wollen? Wo kommen die 300 Millionen her? Wenn Sie die irgendwo aus Ihrem Etat herausnehmen, dann heißt das, Sie kürzen bei der Gesundheit, der Bildung oder beim Klimaschutz, und all das ist nicht akzeptabel.
Ihr Schulterschluss mit der Agrarlobby – auch darüber haben wir schon gesprochen – ist für mich auch ein großes Problem. Sie postulieren, dass Sie die Wertschöpfungsketten in den afrikanischen Entwicklungsländern aufbauen wollen, gleichzeitig arbeiten Sie mit der German Food Partnership zusammen. Sie setzen also doch lieber auf Syngenta, Bayer oder BASF statt auf die Menschen vor Ort
(Zuruf der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])
– doch, Frau Pfeiffer –, die mit unserer westlichen Technologie oftmals große Schwierigkeiten haben. Wir brauchen keine neuen Exportförderungsinitiativen und auch keine Subventionierung dieser Firmen, sondern wir brauchen Ernährungssouveränität vor Ort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
In Kapitel 6 des Afrika-Konzeptes des BMZ, das die Überschrift hat „Afrika kann sich selbst ernähren“, propagieren Sie afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme. In dieser Aussage stecken zwei entscheidende Fehler: Zum einen sind die afrikanischen Lösungen keine afrikanischen Lösungen, sondern rein westliche Lösungen für Afrika. Diese Lösungen sind rein wachstumsorientiert. Sie basieren auf massiver Expansion der Bewässerungstechnologie mit einseitigem Fokus auf Großprojekten einschließlich gentechnisch verändertem Saatgut. Das heißt also auch, dass Dünger und Pestizide gekauft werden müssen – von Monsanto oder Syngenta. Damit befördert das BMZ ökonomische Abhängigkeiten und schadet den kleinbäuerlichen Strukturen. Das steht in einem krassen Widerspruch zu Ihren vorgegebenen Zielen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Die Aussage „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ lenkt – das ist der zweite Fehler – davon ab, dass afrikanische Probleme nicht nur afrikanische Ursachen haben. Die Subventionierung der westlichen Landwirtschaft mit täglich über 1 Milliarde Dollar, die erzwungene Marktöffnung, unsere verfehlte Klimapolitik, der Waffen-, insbesondere der Kleinwaffenhandel, das chaotische globale Finanzsystem usw. usf. sind auch Basis für den Hunger in Afrika. Diese Fakten werden im Afrika-Konzept schlicht ignoriert. Wir müssen endlich damit anfangen, die Verhältnisse auch hier zu ändern, damit sich die Verhältnisse dort verbessern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zum 0,7-Prozent-Ziel ist schon etwas gesagt worden. Ich glaube, Sie verabschieden sich hochoffiziell davon. Sie sollten das endlich zugeben.
Da ich erst 35 Sekunden überzogen habe, noch eine ganz simple Frage zum Schluss
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
– Herr Minister, vielleicht können Sie die ja beantworten –: Wieso werden 850 000 Euro aus dem Entwicklungsetat für die griechischen Initiativen Ihres Staatssekretärs Fuchtel bereitgestellt? Ich habe ja nichts dagegen, dass er das Geld bekommt. Aber aus Ihrem Etat?
(Dr. Gerd Müller, Bundesminister: Das kommt zusätzlich!)
– Das kommt zusätzlich. Aha.
(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Lesen muss man können!)
Ich bedanke mich für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Jürgen Klimke, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3291150 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |