Stefan RebmannSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus einigen der bisherigen Redebeiträge zum Haushaltsentwurf war ja durchaus auch Kritik am Entwicklungsetat und Unmut über die Höhe des Entwicklungsetats herauszuhören. Ich muss gestehen: Auch ich bin nicht gerade glücklich über den Entwurf und die Höhe der Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Denn kaum ein Etat ist so sensibel wie der Entwicklungshaushalt. Hinter all den Geldbeträgen stehen nicht nur Entwicklungsprojekte und wichtige Vorhaben, nein, dahinter stehen, so eng verknüpft und so unmittelbar betroffen wie bei kaum einem anderen Etat, Menschen, die oftmals unter Umständen leben müssen, die für uns hier nicht vorstellbar sind. Für diese Menschen machen wir auch Entwicklungspolitik.
Dafür, dass wir in der Entwicklungspolitik schon viel erreicht haben und unser Engagement Früchte getragen hat, gibt es zahlreiche Belege. Durch das Engagement der Weltgemeinschaft haben wir Polio nahezu ausgerottet. Seit 2000 wurden 8,5 Millionen Poliofälle durch Impfungen verhindert, und die Erkrankungen sind seither um weit über 95 Prozent gesunken; einzelne gehen sogar von 99 Prozent aus.
Die WHO schätzt, dass in den nächsten 20 Jahren allein in den Entwicklungsländern 40 bis 50 Milliarden US-Dollar an Behandlungs- und Folgekosten gespart werden können, wenn wir denn weiterhin impfen. Deshalb will ich auch die erfolgreiche Arbeit der GAVI-Allianz, die Impfmaßnahmen in armen Ländern unterstützt, hier hervorheben. In den letzten 12 bis 13 Jahren sind laut GAVI in Entwicklungsländern über 300 Millionen Kinder zusätzlich geimpft worden. Das sind zweifellos erfreuliche Zahlen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nach wie vor 200 Millionen Menschen an Krankheiten wie Malaria, Gelbfieber, Denguefieber und anderen Krankheiten, die bei uns überhaupt nicht bekannt sind, erkranken. Allein an Malaria sterben jährlich 600 000 Menschen, darunter sehr viele Kinder. Das ist in jedem Einzelfall eine Tragödie, die sehr oft leicht zu verhindern gewesen wäre, und zwar durch Impfungen, den Zugang zu Medikamenten, zu sauberem Wasser und zu Nahrung sowie oft einfach auch durch Bildung und Aufklärung.
Es ist auch gesamtgesellschaftlich und ökonomisch betrachtet eine Katastrophe. Krank zu sein oder gar schwer zu erkranken, fällt in Entwicklungsländern ungleich schwerer ins Gewicht als in Industrieländern wie dem unseren mit einem funktionierenden sozialen Gesundheitssystem. In den ärmsten Ländern der Welt gilt: Wer krankheitsbedingt ausfällt, kann nicht arbeiten. Wer nicht arbeiten kann, kann sich und seine Familie nicht ernähren, kann seinen Kindern keine Schulbildung ermöglichen und vieles mehr. Dadurch werden Entwicklung, Lebenschancen und Perspektiven behindert oder gar verunmöglicht – eine Kette, die wir endlich unterbrechen müssen.
(Beifall bei der SPD)
Auch deshalb ist unser Engagement im gesamten Gesundheitsbereich gerade im Hinblick auf Impfungen und Aufklärungskampagnen so elementar wichtig. Gesundheit ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Volkswirtschaft und für menschliche Entwicklung. Ohne Gesundheit laufen auch die besten Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit ins Leere. Ein angemessenes Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit ist natürlich nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen dafür auch adäquat und ausreichend sind. Was das angeht, habe ich so meine Zweifel.
Im aktuell vorliegenden Haushaltsplan ist gegenüber dem Vorjahr ein Aufwuchs von 5 Millionen Euro für die Impforganisation GAVI vorgesehen. Ja, das ist ein Zuwachs, aber ein kleiner und ein zu kleiner, wie ich meine. Impfungen sind teuer, aber effektiv. Ein bisschen Impfen bringt halt nichts. Deshalb glaube ich, dass wir mehr Mittel brauchen, als bisher eingeplant sind. Dies lässt sich durch Umschichtungen im Gesamthaushalt realisieren.
Im Übrigen halte ich es auch für notwendig, dass sich Deutschland aktiv um die GAVI-Wiederauffüllungskonferenz 2015 bemüht. Für den „Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria“ sieht der Entwurf ein Aufstocken von 40 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2014 vor. Das ist gut. Aber auch da sage ich: Das ist nicht ausreichend. Vor allem aber ist nicht klar ersichtlich, wie sich die Finanzierung in den Jahren 2015 bis 2017 aufwachsend weiterentwickeln soll. Um wirklich wirksam und effektiv gegen vernachlässigte Krankheiten und Seuchen wie Polio und Ebola sowie gegen die großen Killer Aids, Malaria und Tuberkulose vorgehen zu können, brauchen wir ein deutliches Mehr.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der deutsche Beitrag zum Globalen Fonds muss meiner Ansicht nach innerhalb dieser Legislaturperiode auf 400 Millionen Euro aufgestockt werden. Ich finde, dazu sind Mittel im Gesamthaushalt durchaus vorhanden und dafür lohnt es sich auch zu kämpfen, Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Nebenbei bemerkt: In unserer globalisierten, mobilen Welt ist es auch keinesfalls so, dass hochansteckende Krankheiten vor den Grenzen Europas haltmachen. Die aktuellen Poliofälle unter den syrischen Flüchtlingen und Ebola in Afrika, wo einer von zehn Erkrankten überlebt, sind nur wenige Flugstunden von uns entfernt. Dabei wird deutlich: „Fast ausgerottete“ Krankheiten sind eben nur fast ausgerottet, sie können jederzeit wieder ausbrechen und sich sehr schnell verbreiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesundheitsbereich steht nur exemplarisch für die generelle Ausstattung des Gesamtetats Entwicklung. Auch im Bereich „Ziviler Friedensdienst“ gibt es seit Jahren keinen Aufwuchs mehr – die Kollegin Bärbel Kofler hat darauf hingewiesen –, und das, obwohl die Evaluierung positiv ausgefallen ist und belegt hat, wie wichtig und nützlich dieses Instrument ist. Der Ruf nach zivilen Helfern, nach Friedensfachkräften, nach ziviler Entwicklungszusammenarbeit ist wesentlich deutlicher und lauter zu vernehmen als alles andere. Der verteidigungs- und außenpolitische Bereich ist dann im Fokus, wenn die Eskalationsstufe bereits auf Rot steht. Entwicklungspolitik muss wesentlich früher ansetzen und tut es auch, damit es erst gar nicht zur Eskalationsstufe Rot kommt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Entwicklungspolitik ist nachhaltig und immer noch vor Ort – nahezu geräuschlos –, wenn die Scheinwerfer der medialen Öffentlichkeit schon längst abgebaut sind. Kolleginnen und Kollegen, nachhaltige Entwicklung fordert langfristiges und finanziell abgesichertes Engagement.
Ich komme zum Schluss. Ich finde, die Aufstockung um 2 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre spiegelt nur zum Teil die wichtige Rolle wider, die Deutschland beigemessen wird und die wir auch selber vor den Vereinten Nationen und im Rahmen der Verhandlungen über die ODA-Quote zugesagt haben. Wir alle wissen aber um das Struck’sche Gesetz; insofern sehe ich den kommenden Beratungen zuversichtlich entgegen.
Liebe Kollegin Weiss, ich kämpfe gerne mit dir darum, dass freiwerdende finanzielle Mittel, wie es im Koalitionsvertrag steht, nicht nur zu einem Drittel zur Entlastung der Kommunen bereitgestellt werden – vielleicht erreichen wir es auch gemeinsam, dass ein weiteres Drittel zur Bekämpfung der Armut in der Welt zur Verfügung gestellt wird. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden unseren Beitrag dazu leisten.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das wollen wir auch!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt das Wort der Kollege Peter Stein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine vergleichbar dankbare Aufgabe, hier zu diesem Teil des Haushalts zu reden. Im Haushaltsplan für das BMZ gibt es nämlich mit dem Aufwuchs der Mittel überwiegend gute Nachrichten. Herr Minister, so einen Haushalt, in dieser Höhe, hätten Ihre Vorgänger gerne gehabt.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass man mit viel Geld den Problemen und Sorgen der halben Welt etwas entgegensetzen kann. Die Herausforderungen sind aber, müssen wir leider immer wieder feststellen, so groß – und es ist auch nicht immer nur eine Frage des Geldes –, dass auch dieser Haushalt sicherlich nicht reichen wird. Die Millenniumsziele, insbesondere zum Welthunger und zur Gesundheit, wurden bislang verfehlt. Wir werden in diesen Bereichen daher auch zukünftig noch mehr leisten müssen. In vielen Regionen der Welt toben Kriege und andere gewaltsame Auseinandersetzungen. Wir haben es mit autoritären Systemen zu tun, die ihre Bürger unterdrücken; wir haben es mit Eliten zu tun, die raffgierig Geld außer Landes schaffen. Außerdem müssen wir Hilfen geben, um präventiv Naturkatastrophen zu begegnen; denn die treffen meist die Ärmsten dieser Welt zuallererst und am stärksten. Mangelhafte Wasserversorgung ist vielerorts ein Problem, genauso wie ein unterentwickeltes Gesundheitswesen.
Meine Damen und Herren, wir wissen – das haben hier alle vorgetragen –, dass wir mit dem, was unser Haushalt hergibt, nicht alle Probleme der Welt lösen können, schon gar nicht im Alleingang. Deswegen ist neben einer angemessenen Bereitstellung der Mittel eine effektive Verwendung der Gelder in Kooperation mit anderen Ländern und auch mit Partnern aus der Wirtschaft entscheidend. Es braucht ein schlüssiges Programm, einen roten Faden, der die einzelnen Ausgaben sinnvoll zusammenführt und dabei auch die verschiedenen Ressorts der Bundesregierung im Blick hat, die an der Thematik mitarbeiten. Ein solches Konzept hat uns Minister Gerd Müller bereits vorgestellt; auch Minister Steinmeier hat heute mit Hinweis auf die Staatssekretärsrunde etwas dazu gesagt.
Die Schaffung der drei Sonderinitiativen für die Bekämpfung des globalen Hungers, die Linderung der Flüchtlingsproblematik und die Unterstützung des Nahen Ostens und Nordafrikas versetzt uns in die Lage, schnell und flexibel auf drängende Herausforderungen reagieren zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will dazu einige Aspekte herausstellen:
Es ist richtig, dass das Entwicklungsministerium einen Schwerpunkt auf die ländliche Entwicklung legen möchte. Ein entscheidender Punkt dabei ist auch die Infrastruktur; denn es leben immer mehr Menschen in großen Ballungsräumen und Städten; in Libyen und Ägypten sind es bis zu 80 Prozent. Die Versorgung der Menschen mit Bildung und einem ausreichenden Gesundheitswesen ist in diesen Zentren sicherlich leichter und effektiver möglich als auf dem Land. Der ländliche Raum lässt sich nur über eine gute Infrastruktur mit einer Stadt oder einem Zentrum verbinden, um so beispielsweise den Bauern den Weg zu den Absatzmärkten in der Stadt zu erleichtern. Gleiches gilt für den Zugang der Menschen in ländlichen Regionen zu höherer Bildung, zu Arbeitsplätzen und zum Gesundheitswesen. Das Entscheidende dabei ist, dass dies möglich wird, ohne dass die Menschen ihre Heimatregion in Richtung der Stadt grundsätzlich aufgeben müssen.
Als Berichterstatter für die Maghreb-Staaten begrüße ich ganz besonders alle Maßnahmen, die getroffen werden, um den Ursachen der Flüchtlingsströme zu begegnen, denen sich diese Länder im Vorhof der Europäischen Union alltäglich ausgesetzt sehen. Betrachten wir zum Beispiel Tunesien: Das Land befindet sich auf einem guten Weg, tatsächlich einen Erfolg nach dem Arabischen Frühling zu erleben. In dieser Übergangsphase ist das Land verwundbar. Schon kleinere Verwerfungen bergen die Gefahr, dieses Land erneut zu destabilisieren.
Wir alle wissen, dass die Ursachen, warum Menschen ihr Land verlassen, sehr komplex sind. Daher begrüße ich besonders die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“, die sich dieser Herausforderungen vielschichtig annehmen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
In diesem Kontext möchte ich die Förderung junger Menschen in diesen Ländern besonders herausstreichen. Nur wenn sich ihnen eine berufliche Perspektive bietet, kann eine nachhaltige Stabilisierung der Region gelingen. Gerade junge Menschen brauchen Perspektiven.
Der zum Teil gute Bildungsgrad derer, die ihre Heimat heute verlassen wollen, zeigt eines deutlich auf: Diese Menschen, meist junge Männer, sind fest entschlossen, aus diesem einen Leben, das sie haben, ein Leben in Wohlstand und Freiheit zu machen, und das auch, um ihre Familien unterstützen zu können. Diese Möglichkeit muss ihnen in der Heimat gegeben werden. Hierauf muss Deutschland in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung einen großen Fokus legen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Eine Schlüsselrolle nehmen dabei meiner Meinung nach auch die Frauen ein. Zum einen kann eine stabile Gesellschaft nur dann entstehen, wenn die Frauen die gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die gleichen Rechte haben;
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
denn Stabilität ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Gesellschaft. Zum anderen sind die Frauen vielleicht auch der emotionalste Grund für junge Männer, ihre Heimat gar nicht erst zu verlassen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, mit dem vorgelegten Haushaltsplan werden die zur Verfügung stehenden Gelder sinnvoll, nachhaltig und entlang eines politischen Konzepts eingesetzt, dessen Zielstellungen man größtenteils sicherlich als neu bezeichnen kann. Wir werden damit hoffentlich viel erreichen.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und über die teilweise erfolgten Zusagen der Opposition, daran mitzuarbeiten, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist Volkmar Klein, CDU/CSU-Fraktion.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3291156 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 29 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |