Carola ReimannSPD - Familie, Frauen, Senioren und Jugend
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen bekommen für ihre Arbeit immer noch ein Viertel weniger Gehalt als Männer. Das ist ein fortwährender Skandal und ein eklatanter Verstoß gegen die Würde der Frauen und auch gegen das Gleichbehandlungsgebot unseres Grundgesetzes.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Über Jahre und Jahrzehnte haben Frauen diese Ungerechtigkeit mehr oder minder klaglos hingenommen. Jetzt endlich tut sich etwas. Manuela Schwesig und Andrea Nahles ergreifen die Initiative. Sie haben gemeinsam ein Maßnahmenpaket geschnürt, um Frauen endlich zu ihrem Recht auf gleiche und bessere Bezahlung zu verhelfen.
Dieses Maßnahmenbündel wird sich auch auf den Bundeshaushalt positiv auswirken. Denn gerecht bezahlte Frauen zahlen mehr Steuern. Gerecht bezahlte Frauen sind weniger auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen – im Übrigen gilt das auch für deren Kinder, Kollegin Golze –, und gerecht bezahlte Frauen sind im Alter seltener arm, womit wir auch die gesamte Rentenproblematik angesprochen haben.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Maßnahmen gehört erstens die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht irgendeine Reform. Er ist eine soziale Errungenschaft, und profitieren werden von ihm vor allem Frauen. Denn sie sind diejenigen, die häufig mit Niedriglöhnen in schlechten Jobs abgespeist werden. Mehr als 2 Millionen weibliche Beschäftigte werden künftig mehr Geld in der Lohntüte haben.
Zu den Maßnahmen gehört zweitens gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Es kann passieren, dass Frauen und Männer im gleichen Betrieb für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich bezahlt werden. Das muss sich ändern. Wir wollen ein individuelles Auskunftsrecht einführen, das den Beschäftigten erlaubt, die Bezahlung von Kollegen zu erfragen und mit ihrer vergleichen zu können. So kann eine Lohnungleichheit im Betrieb überhaupt erst sichtbar werden. Für Unternehmen, die nicht fair und gleich bezahlen, wollen wir verbindliche Verfahren entwickeln, mithilfe derer Arbeitgeber, Betriebsräte und Beschäftigte gemeinsam mit ihrem Unternehmen für Entgeltgleichheit sorgen können.
(Beifall bei der SPD)
Zu den Maßnahmen gehört drittens die gesetzliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten. Das hat Signalfunktion. Frauen kommen trotz bester Leistung und bester Qualifikation immer noch nicht oben in den Chefetagen der Unternehmen an. In den Behörden herrscht viel zu oft noch eine nahezu hundertprozentige Männerquote. Auch das ist ein wesentlicher Grund für die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen. Dieser Männerquote machen wir den Garaus, indem wir gesetzliche Regelungen zugunsten von Frauen, die in Führungspositionen arbeiten möchten, einführen. Auf diese Weise werden Frauen die Türen zu Chefinnenbüros und somit auch zu Spitzengehältern geöffnet. Damit sind wir wieder beim Geld.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])
Zu den Maßnahmen gehören viertens stärkere Rechte für Teilzeitbeschäftigte. Entscheidet sich eine Frau familienbedingt für Teilzeit, muss sie in Anbetracht einer schlechteren Entlohnung und des Verzichts auf berufliche Entwicklung häufig einen sehr hohen Preis bezahlen. Damit Teilzeit für Frauen nicht länger zur Falle wird, führen wir einen Rechtsanspruch ein, der es den Beschäftigten ermöglicht, auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina Hornhues [CDU/CSU])
Wir müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass diese Teilzeitarbeit nicht länger diskriminiert wird und Teilzeitbeschäftigte ganz selbstverständlich Karriere machen können.
Beim Elterngeld werden wir die Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten abschaffen. Wir werden das bestehende Elterngeld erweitern und um ein ElterngeldPlus ergänzen. Damit wird es künftig möglich, nach der Geburt eines Kindes früher in Teilzeit in den Beruf zurückzukehren, und zwar ohne benachteiligt zu werden, wie es bisher beim Elterngeld der Fall war.
Ich bin froh, dass unser Erfolgsmodell Elterngeld bei den Eltern weiterhin so gut ankommt und es auch von immer mehr Vätern in Anspruch genommen wird. Das erklärt auch den deutlichen Anstieg an Mitteln im Haushalt für das Elterngeld. Auch wenn Haushälter von Natur aus Aufwüchsen eher kritisch gegenüberstehen – Kollege Leutert hat gerade gesagt, wir sparen lieber –: Dieser Aufwuchs beim Elterngeld ist gut investiert,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und zwar in Familien und in ein familienfreundlicheres Deutschland.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin hat Franziska Brantner das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Irgendwie erleben wir jetzt schon zum x-ten Mal die Selbstbeweihräucherung dieser Großaktionäre. Ich halte es bald nicht mehr aus.
(Sönke Rix [SPD]: „Großaktionäre“? Meinen Sie Großkoalitionäre?)
– Großkoalitionäre; sorry.
(Sönke Rix [SPD]: So weit sind wir noch nicht!)
– Mal gucken! Wie war das: „Genosse der Bosse“? – Sie machen uns hier pausenlos ein X für ein U vor. Sie tun so, als ob Sie etwas für die nächsten Generationen täten, nur weil Sie einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.
(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das ist ja auch so!)
Das ist aber bei den derzeitigen wirtschaftlichen Daten und den niedrigen Zinsen kein Hexenwerk; das hat übrigens Herr Oppermann selber zugegeben.
(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Na ja! Das muss uns erst mal einer nachmachen!)
Wer von den Jüngeren hier im Raum – es sind ja leider nicht so wahnsinnig viele –
(Petra Crone [SPD]: Das ist Altersdiskriminierung! Iih! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)
– da oben, danke schön; Sie werden gleich hören, warum ich von den Jüngeren gesprochen habe –, glaubt denn ernsthaft daran, dass wir mit 63 Jahren in Rente gehen können? Es wird, wenn wir Glück haben, wohl eher mit 73 Jahren sein, weil die Rentenkassen von Ihnen so sehr geplündert wurden. Mit 73 sind wir doch froh, wenn wir endlich in Rente gehen können, oder? Sie da oben auf den Zuschauertribünen werden wahrscheinlich erst mit 80 Jahren in Rente gehen können, wenn die Rentenkassen weiter geplündert werden.
(Elke Ferner [SPD]: Wirklich! Dümmer geht immer!)
Wer glaubt denn wirklich, dass mit dem vorliegenden Haushalt und mit diesen Entscheidungen die richtigen Prioritäten für die nächsten Generationen gesetzt werden? Wer glaubt denn wirklich, dass hier genügend und ausreichend in Bildung und in die Chancen und Möglichkeiten der nächsten Generationen investiert wird? Wer glaubt wirklich, dass 160 Milliarden Euro für die Rentner zu 6 Milliarden Euro für Betreuung und Bildung und Forschung das richtige Verhältnis sind?
(Ulrike Gottschalck [SPD]: Für Forschung gibt es Extramittel!)
Dabei helfen diese Milliarden noch nicht einmal bei der Bekämpfung von Altersarmut; das ist ja das Traurige daran. Wenn die Milliarden wenigstens zur Bekämpfung von Altersarmut beitragen würden, dann wäre das wenigstens etwas, aber sie helfen hierbei ja noch nicht einmal.
Wir brauchen dringend mehr Geld für gute Kitas, für gute Schulen, für gute Ganztagsschulen. Wir brauchen nicht nur ein Satt und Sauber, sondern Bildung und Chancen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich nenne ein Beispiel. Überall in Deutschland ist folgende Situation permanent zu finden: Zwei Betreuer und zehn Kinder unter zwei Jahren.
(Michael Leutert [DIE LINKE]: Das ist aber ein gutes Verhältnis!)
Nehmen wir einmal an, diese zwei Betreuer sind Herr Weinberg – Herr Weinberg, hören Sie mir zu –
(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Ich höre immer zu!)
und Herr Rix. Diese beiden haben zehn Kinder unter zwei Jahren zu betreuen,
(Sönke Rix [SPD]: Das habe ich sogar schon mal gemacht!)
die nicht alleine auf den Topf können, die nicht alleine essen können, die nicht mehr als ein paar Worte sprechen können und die auch sonst ziemlich viel Aufmerksamkeit brauchen. Dann wird Herr Weinberg krank und Sie, Herr Rix, sind alleine mit den zehn Kindern. Dann bekommen Sie richtig Spaß. Sie werden nach Hilfe und Verstärkung rufen.
Was wir also brauchen, ist Geld zur Verstärkung des Betreuungspersonals für die Kinder.
(Petra Crone [SPD]: Der Sönke kann das mit den zehn! Er hat das gelernt!)
– Er kann das mit den zehn Kindern? Na gut.
Achtung – auch die Linke passt bitte auf –: Dann kommt eine Stimme aus der Wohlfühllounge der Großen Koalition und sagt: Hey, Marcus, hey, Sönke, habt ihr vergessen: Die Kleinen sind weder Stammwähler der CDU noch der SPD – –
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sie sind nüchtern, oder?)
– Ja, klar.
Sie sehen nichts in Ihrem Koalitionsvertrag vor, Sie machen nichts in diesem Haushalt, damit endlich genügend Geld in die Qualität fließt. Sie sagen, insgesamt gebe es genug Geld, aber Sie machen keinen guten Vorschlag, damit Geld in die Qualität fließt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gegen Kinderarmut unternehmen Sie auch nichts. Frau Schwesig, Sie haben vorgeschlagen, den Kinderzuschlag zu erhöhen. Dazu ist in diesem Haushalt aber gar nichts zu finden. Die Mittel zum Kinderzuschlag werden sogar reduziert, und zwar um 10 Millionen Euro; das wurde schon genannt.
(Elke Ferner [SPD]: Das ist ein gesetzlicher Auftrag!)
In Deutschland lebt jeder zweite, der alleinerziehend ist, von Hartz IV. Ich finde, es ist eine Schande für dieses reiche Land Deutschland, dass der Status „Alleinerziehend“ ein so großer Faktor ist, um bei Hartz IV zu landen. Was machen Sie beim Unterhaltsvorschuss: Wie wollen Sie diesen vereinfachen? Wollen Sie die Grenze von zwölf Jahren aufheben? Wollen Sie Bürokratie abbauen? Auch dazu haben wir keine Vorlagen.
Es gibt von Ihnen auch keine besonderen Alternativen. Okay, Sie haben das Betreuungsgeld erhöht; das stimmt. Das Kindergeld wird dagegen nicht erhöht, und zwar ohne Begründung. Auf eine Anfrage von uns hat die Regierung geantwortet, man könne sich auf keine Begründung einigen, warum es keine Erhöhung beim Kindergeld gibt.
(Heiterkeit des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE])
Sie können sich noch nicht einmal auf eine Begründung einigen. Das finde ich interessant. Eine Erhöhung wird vielleicht 2016 als Wahlkampfgeschenk angekündigt.
Die Gelder für die Finanzierung von Schulsozialarbeitern laufen aus. Das macht 400 Millionen Euro. Und Sie kommen mit 4 Millionen Euro für Sprachförderung! Dann feiern Sie sich für diesen Haushalt auch noch, anstatt sich richtig dafür zu schämen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Elke Ferner [SPD]: Sie sollten sich für die Rede schämen!)
Ein letzter Punkt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zum ElterngeldPlus. Wir begrüßen die Einführung, denken aber, dass der Fokus zu stark auf Familien mit Kleinkindern und noch längst nicht auf den Beschäftigten liegt. Was Sie vorhin gesagt haben, Frau Schön, ist absolut richtig. Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssten noch andere Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Warum ist es in Deutschland nicht möglich, mit Kindern Vollzeit zu arbeiten? Das muss doch auch bei uns möglich sein. Die einzige Option kann doch nicht sein, Teilzeit zu arbeiten. Denn manche Menschen können es sich gar nicht leisten, Teilzeit zu arbeiten. Ich finde, wie auch Herr Weinberg gesagt hat, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, die Teilzeit der Eltern permanent zu finanzieren. Wir brauchen eine Antwort darauf, ob auch eine Vollzeittätigkeit mit Familie vereinbar ist.
(Elke Ferner [SPD]: Was ist denn Ihre Antwort?)
Unsere Antwort darauf ist, dass es rechtliche Rahmenbedingungen zum Beispiel mit einem Recht auf familienfreundliche Arbeitszeiten geben muss. Das gibt es in Deutschland noch nicht, aber in vielen anderen europäischen Ländern.
(Elke Ferner [SPD]: Willkommen im Klub!)
Das wäre ein Vorschlag, von dem ich denke, dass diese Regierung ihn aufnehmen könnte. Dann könnte sie auch die restlichen Faktoren endlich angehen, von denen Frau Schön korrekterweise gesprochen hat.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Redner hat der Kollege Peter Tauber das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Frauen, Senioren und Jugend |