Georg NüßleinCDU/CSU - Gesundheit
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Weinberg, Sie haben von der Null-Bock-Koalition gesprochen. Schon die Wortwahl passt nicht zu dieser Koalition. Das ist eher Ihr Jargon. Da Sie aber schon von null Bock sprechen: Ich habe keine Lust auf die Bürgerversicherung, die Ihnen vorschwebt; denn diese führt zu Gleichmacherei und dazu, dass alles gleichmäßig schlechter wird.
Herr Lauterbach hat die Kompromisslinie sehr gut beschrieben und Ihnen vorgehalten, worauf wir uns sinnvollerweise verständigt haben und was das für diejenigen bringt, auf die es ankommt, nämlich für die Patientinnen und Patienten, die Versicherten.
Da ich den Eindruck habe, dass die Opposition momentan nichts anderes zu tun hat, als uns den Start madig zu machen und so zu tun, als ginge hier nichts voran, will ich unterstreichen: Entgegen aller Unkenrufe hat diese Koalition auch im gesundheitspolitischen Bereich einen ausgezeichneten Start hingelegt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben im Arzneimittelbereich ausgewogene Maßnahmen beschlossen. Die Verlängerung des Preismoratoriums und die Anhebung der Herstellerrabatte helfen, die Ausgaben im Griff zu behalten. Die Beendigung des Aufrufs der Bestandsmarktarzneimittel trägt eindeutig zum Bürokratieabbau bei, vermeidet Streitfälle und gibt den Arzneimittelherstellern verlässliche Perspektiven. Denn zur Wahrheit gehört auch: Wir brauchen für die Arzneimittelhersteller in diesem Land, das einmal die Apotheke der Welt war, verlässliche Perspektiven und die komplette Wertschöpfungskette. Das ist nicht nur unter industriepolitischen Aspekten wichtig, sondern auch entscheidend für die Versorgung der Patienten. Ich erinnere nur an die Lieferengpässe, die uns gelegentlich drücken, beispielsweise bei den Impfstoffen. Im Laufe dieser Legislaturperiode müssen wir prüfen, ob die Rahmenbedingungen zum Beispiel bei der Preisfindung verbessert werden müssen.
Wir haben im Koalitionsvertrag – wie ich meine, zu Recht – vereinbart, dass wir möglichst bald in einen Dialog mit der Pharmaindustrie treten, nicht um einer Lobby nachzulaufen, sondern im Bewusstsein, dass die Pharmaindustrie in Deutschland hohe Umsatzrenditen erzielt und für Deutschland wichtig ist. Sie ist genauso wichtig wie die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum. Ich bin dem Bundesgesundheitsminister sehr dankbar, dass wir gleich zu Beginn ein Signal an die Hausärzteschaft gesendet und die Vergütungsdeckelung beseitigt haben. Man kann sicherlich viele theoretische Diskussionen darüber führen, wie sich der ländlichen Raum für die hausärztliche Versorgung attraktiver gestalten lässt. Aber zum Schluss müssen Taten folgen. Dass es dabei auch um Euro und Cent geht, dürfte jedem in diesem Haus klar sein.
Nun haben wir den Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der GKV auf den Weg gebracht. Dieses Gesetz wird an verschiedenen Stellen Nutzen stiften. Die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge ist hier schon kritisiert worden. Sie ist aber aus meiner Sicht ein Beitrag, um in diesem Land Arbeitsplätze zu sichern.
Wir haben in der Tat einen einkommensabhängigen Zusatzbeitrag statt des Sozialausgleichs über Steuermittel vereinbart. Er ist geeignet, Bürokratie zu reduzieren. Wir werden in einem ersten Schritt die Beiträge für alle senken. Nur die Kassen, die zusätzliche Mittel benötigen, werden Zusatzbeiträge erheben. Dadurch haben wir mehr Transparenz und mehr Wettbewerb. Es werden etliche Kassen sein – darüber brauchen wir nicht zu diskutieren –, aber wir haben, wie gesagt, mehr Transparenz und mehr Wettbewerb. Die Kassen erhalten mehr Beitragsautonomie und die Versicherten ein Sonderkündigungsrecht; das möchte ich ganz ausdrücklich sagen. Das können sie wahrnehmen, je nachdem, ob ihnen die Kosten mehr am Herzen liegen oder ob aus ihrer Sicht das Serviceangebot wichtiger ist. Ich glaube, dass wir an der Stelle einen guten Schritt vorangekommen sind.
Nun wurde hier verschiedentlich die Reduzierung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds angesprochen. Ich weiß, dass das ein Einfallstor für Kritik der Opposition ist, weil man verschiedene Rechnungen aufmachen und allerhand behaupten kann. Wenn man aber angesichts der Tatsache, dass 30 Milliarden Euro auf Halde liegen, am Anfang weniger und später, wenn das Geld knapp wird, mehr zahlt, dann kann das doch nicht Anlass für Kritik sein; denn das Geld fehlt an der Stelle nicht.
Kollege Nüßlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Klein-Schmeink?
Ich nehme an, dass die Kollegin mir wieder dasselbe vorrechnen wird wie vorhin, aber gerne.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ob das dem Erkenntnisgewinn dient?)
Wir rechnen jetzt nicht einfach, sondern es geht darum, dass der Zuschuss von 14 Milliarden Euro definitiv im § 221 des SGB V fixiert ist, und zwar genau für den Zweck der Abgeltung versicherungsfremder Leistungen. Es ist also nicht so, dass man je nach Kassenlage einen Zuschuss dort hinschieben kann oder nicht. Vielmehr ist dieser Zuschuss zur Abdeckung von bestimmten Kosten vorgesehen. Insgesamt sind es 30 Milliarden Euro, die aufzubringen wären, aber 14 Milliarden Euro stehen im Gesetz. Das ist das eine.
Der andere Gesichtspunkt ist: Wenn weniger Zuschuss an den Gesundheitsfonds gegeben wird, wird das dazu führen, dass dann, wenn der Gesundheitsfonds leer ist – das wird er Ende 2015 sein –, der Beitragszahler nach Ihren Plänen ihn alleine wieder auffüllen, also alleine die Kosten tragen muss. Sehe ich das richtig, oder wie würden Sie das beschreiben?
Liebe Frau Kollegin, das ist Ihre Sicht der Dinge. Ich sehe ganz klar, dass wir das Gesetz und auch den Zuschuss regeln. Wir sagen in dem Zusammenhang: Wir zahlen das Geld dann in diesen Fonds, wenn es notwendig ist und wenn es als Ausgleich gebraucht wird. Das werden wir in höherem Maße zu dem Zeitpunkt tun, wenn die Gelder, wie Sie es richtig beschreiben, fehlen. Daher drückt mich die Sorge nicht, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in diesem Zusammenhang draufzahlen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Also doch Manövriermasse!)
Wir werden an dieser Stelle unserer Verpflichtung, wie es alle Redner der Koalition beschrieben haben, komplett nachkommen. Seien Sie da nicht in Sorge!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD])
Ich will auch die Regelung zum Risikostrukturausgleich ansprechen, die mehr Gerechtigkeit zwischen den Kassen schaffen soll. Deshalb werden wir im Zusammenhang mit diesem Mechanismus insbesondere über das Krankengeld reden. Das Krankengeld ist eine einkommensabhängige Entgeltfortzahlung. Deshalb muss man die Einkommensstrukturen der Versicherten in den unterschiedlichen Krankenkassen – die weichen voneinander ab – entsprechend berücksichtigen.
Nun hat vorhin jemand gesagt, wir würden nicht auf die Qualität schauen. Auch das ist falsch. Es ist im Gesetzentwurf ein Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen vorgesehen. Gerade die Verbesserung der Qualität in der medizinischen Versorgung ist dieser Koalition ein entscheidendes Anliegen. Ich möchte deutlich machen: Qualität ist das entscheidende Wort, nicht Staatsmedizin.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Staatsmedizin?)
Ich sage Ja zu einer Verbesserung der Qualität. Wir müssen aber darauf achten, dass die Diagnose- und Therapiefreiheit nicht durch Standardisierung oder Reglementierung eingeschränkt wird.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Dann kann man auch heilen durch Handauflegen!)
Arzt und Patient brauchen Freiheit bei der Behandlung von Krankheiten, um dem individuellen Fall Rechnung zu tragen.
(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
– Ich erkläre es Ihnen gleich.
Die freie Arztwahl und die freie Krankenhauswahl sind elementare Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung. Ich sage das besonders deshalb, weil wir auch vorhaben, Regelungen zu den Wartezeiten zu treffen. Das macht Sinn, weil es viele bedrückt, dass sie nicht rechtzeitig einen Termin bei dem Facharzt bekommen, den sie sich ausgesucht haben. Aber das Ganze kann man nicht schematisch, losgelöst von individuellen Fragestellungen, etwa von der Frage, welchen Arzt die entsprechende Person für sich ausgesucht hat, klären. Deshalb werden wir über dieses Thema noch eine ganze Menge nachdenken müssen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wie machen Sie das? Mit welcher Bürokratie machen Sie das?)
In den nächsten Wochen wird der Gesetzentwurf zur ersten Stufe der Reform der Pflegeversicherung vorbereitet. Es gibt vielfältige Leistungsverbesserungen mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro. Mir ist es ganz wichtig, dass wir den Grundsatz „Ambulant vor stationär“ ganz nach vorne rücken. Natürlich haben die pflegebedürftigen Menschen einen Anspruch darauf, möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld zu verbleiben.
Wenn man den Grundsatz „Ambulant vor stationär“ nach vorne rückt, dann gehört dazu, dass wir bestehende Betreuungsleistungen in der ambulanten Pflege ausbauen – das wollen wir tun –, dass wir niederschwellige Entlastungsleistungen zugunsten Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen verbessern, dass wir dafür sorgen, dass wir die häusliche Pflege flexibler gestalten, dass wir Leistungen zu deren Stabilisierung voranbringen – Stichwort kurzzeitige Verhinderungspflege, Tages- und Nachtpflege –, dass wir Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes auf den Weg bringen.
Das sind aus meiner Sicht wichtige Themen, die wir in diesem Zusammenhang bearbeiten müssen, und das neben dem allseits diskutierten Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wir haben hier ganz genau überlegt, wie wir vorgehen: erst ein Gutachten erstellen lassen, die Ergebnisse Anfang 2015 haben und dann nach dem Grundsatz „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ den neuen Pflegebegriff einführen. Das macht aus meiner Sicht absolut Sinn. Der Minister hat auch ganz deutlich gesagt, dass es besonders auf die Rekrutierung von Pflegekräften ankommt. Dafür reicht es nicht aus, nur ins Ausland zu schauen, um dort Menschen abzuwerben und dafür zu sorgen, dass sie hierherkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind doch schon die ganze Zeit verantwortlich für alles, was da fehlt!)
Herr Kollege Nüßlein, gestatten Sie noch eine kurze Zwischenfrage der Kollegin Vogler?
Ja, eine Zwischenfrage gestatte ich noch.
Sie haben danach noch eine ganz kurze Redezeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Danke, Herr Kollege, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade erneut davon gesprochen, „Sorgfalt vor Schnelligkeit“ gelte bei der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs. Nun debattieren dieses Haus und die ganze gesundheitspolitische Welt schon seit circa zehn Jahren über den neuen Pflegebegriff. Die vorherigen Bundesregierungen haben bereits zwei eingesetzte Expertenbeiräte an dieser Frage verschlissen,
(Hilde Mattheis [SPD]: „Verschlissen“, das verbitten wir uns!)
die jeweils substanzielle Vorschläge gemacht haben, die einen neuen Pflegebegriff ausgearbeitet haben. Das liegt alles auf dem Tisch.
Meinen Sie nicht, dass jetzt langsam der Zeitpunkt wäre, auch einmal auf die Vorarbeiten zurückzugreifen, darauf zu vertrauen, dass sie sorgfältig sind, und ein kleines bisschen Schnelligkeit an den Tag zu legen, im Interesse der Menschen mit Pflegebedarf, ihrer Angehörigen und der Pflegekräfte, die schon seit längerer Zeit auf eine Anpassung der Leistungen warten?
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Liebe Kollegin, ich weiß, dass es für eine Linke viel verlangt ist, wenn ich sage: Vertrauen Sie auf das, was diese Bundesregierung hier in großer Ausgewogenheit und mit viel Sorgfalt leistet. Wir werden dieses Gutachten abwarten. Es geht um alles. Wir geben über 2 Milliarden Euro zusätzlich aus. Es muss sichergestellt werden, dass dieses Geld am Schluss bei den Pflegebedürftigen respektive bei den pflegenden Personen ankommt und nicht sonst irgendwo landet. Es muss auch in Ihrem Interesse sein, meine Damen und Herren, dass das gelingt. Trauen Sie uns!
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum sollten wir das diesmal bekommen? Sie regieren doch schon seit Jahren!)
Das wird so kommen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Aus Zeitgründen kann ich das, was ich zur Sterbehilfe und Palliativmedizin sagen wollte, leider nicht ausführen. Aber es gibt bestimmt noch genügend andere Gelegenheiten, das zu diskutieren.
Ich möchte noch einmal ganz klar unterstreichen: Diese Bundesregierung hat auch im Gesundheitsbereich einen guten Start hingelegt.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Herr Kollege Nüßlein, es gibt sicher noch viele Gelegenheiten, die anderen Themen anzusprechen. Aber wir danken Ihnen jetzt insbesondere, weil Sie heute an Ihrem Geburtstag zu uns gesprochen haben. Dazu herzlichen Glückwunsch vom gesamten Haus!
(Beifall)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Pia Zimmermann, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal auch von mir noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Dr. Nüßlein!
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Vielen Dank!)
Meine Damen und Herren, gute Pflege ist individuell, sie ist selbstbestimmt, und sie muss sich an den Bedürfnissen der Betroffenen orientieren.
(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Gute Pflege ist vollumfänglich und beinhaltet gesellschaftliche Teilhabe.
(Beifall bei der LINKEN)
Gute Pflege wird von ausgebildetem Personal erbracht – unter guten Arbeitsbedingungen und bei guter Bezahlung. Und: Gute Pflege ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und ein Menschenrecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund möchte ich auf die von Herrn Minister Gröhe vorgestellten Vorhaben im Pflegebereich eingehen.
Durch eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung wollen Sie etwa 3,6 Milliarden Euro jährlich mehr einnehmen. Wenn ich aber betrachte, was Sie damit alles umsetzen wollen, dann muss ich sagen, dass Sie heute schon jeden Euro mindestens zweimal ausgegeben haben. Der Löwenanteil der Mehreinnahmen kommt gar nicht als verbesserte Pflegeleistung bei den Menschen mit Pflegebedarf an:
Ein Drittel der Summe benötigen Sie für schon bestehende Leistungen, um sie der allgemeinen Preisentwicklung anzupassen – mindestens, wenn nicht sogar deutlich mehr! Die Höhe müsste allerdings geprüft werden. So sieht es auch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz von 2008 vor.
Doch was planen Sie? Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Sie prüfen erst gar nicht, wie viel für den Ausgleich der Kostenentwicklung zu veranschlagen ist. Sie legen einfach irgendeinen Betrag fest. Das ist Politik nach Kassenlage auf dem Rücken der Menschen mit Pflegebedarf und ihrer Angehörigen, und das ist mit uns Linken nicht zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein weiteres Drittel wollen Sie bei der Deutschen Bundesbank in einem Fonds für die geburtenstarken Jahrgänge zurücklegen. Meine Damen und Herren, wie geht denn so etwas? Das Geld benötigen wir jetzt dringend in der Pflege. Wir können es doch nicht einfach zurücklegen und dort schmoren lassen.
(Beifall bei der LINKEN – Karin Maag [CDU/CSU]: Es schmort nicht!)
Herr Minister Gröhe, Sie sehen: Es bleibt von dem Geld, das Sie mehr einnehmen, gar nicht so viel übrig. Sie versprechen den Menschen Leistungsverbesserungen in der häuslichen und ambulanten Pflege sowie im stationären Bereich, von denen Sie heute schon wissen, dass Sie sie überhaupt nicht einhalten können.
Bei alledem verwundert es nicht, dass Sie, Herr Gröhe, die Familie als Deutschlands Pflegedienst Nummer eins bezeichnen.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist sie doch auch!)
Das stimmt natürlich. Die Familie ist nicht nur der größte Pflegedienst, sondern auch der kostengünstigste. Genau da wollen Sie ansetzen.
Selbstverständlich müssen die Angehörigen, die zu Hause pflegen wollen, und die zu Pflegenden, die zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden wollen, bestmögliche Unterstützung haben. Aber die Betonung liegt auf „wollen“; das darf nicht aus finanzieller Not heraus passieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Anders gesagt: Bei guter und selbstbestimmter Pflege darf es Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht geben. Herr Dr. Nüßlein, wenn Sie das „Gleichmacherei“ nennen, soll mir das recht sein;
(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Schlechtmacherei!)
wenn Sie es umsetzen würden, wäre es mir noch mehr recht.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gute Pflege ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Sie darf nicht von privaten Zusatzversicherungen abhängig sein. Deshalb können Sie den sogenannten Pflege-Bahr auch gleich wieder einmotten.
(Beifall bei der LINKEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Können wir auch abschaffen! Sehen wir genauso!)
Diese private Zusatzversicherung bedient im Wesentlichen die Versicherungswirtschaft und bringt den Versicherten kaum Leistungen. Ich vermute, Sie haben das schon selbst gemerkt. So erkläre zumindest ich mir das Absenken der staatlichen Förderung im Haushalt 2014 für ebendiese Versicherung von 100 Millionen Euro auf 33 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren, wenn Sie die eingangs von mir benannten Punkte ernst nehmen und eine gute, individuelle und selbstbestimmte Pflege für alle wollen, wenn Sie möchten, dass Pflegeberufe wieder Spaß machen und ein auskömmliches Einkommen bringen, wenn Sie den neuen Pflegebegriff mit Leben füllen wollen, und zwar sofort, dann gibt es nur eine Antwort auf all diese Fragen: die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle, unabhängig von Berufsgruppe und Selbstständigkeit, entsprechend dem jeweiligen Einkommen einzahlen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gute umfassende Pflege ist ein Menschenrecht. Sie haben die Verantwortung, dies auch zu gewährleisten. Handeln Sie endlich im Interesse der Pflegebedürftigen, ihrer Angehörigen und des Pflegepersonals.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Petra Hinz ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3294188 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 30 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |