10.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 30 / Tagesordnungspunkt 6

Christoph SträsserSPD - Bundeswehreinsatz EUFOR RCA (Zentralafrik. Rep.)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! „ Kwibuka“ ist ein Wort aus der Sprache Kinyarwanda, einer der Landessprachen Ruandas. Dieses Wort bedeutet „erinnern“. Unter diesem Motto standen zu Beginn dieser Woche die Gedenkveranstaltungen anlässlich des Genozids in Ruanda vor 20 Jahren. Ich hatte mit drei anderen Kollegen aus diesem Hohen Hause die Gelegenheit, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Es war beeindruckend. Es war immer wieder die Botschaft an uns, die internationale Gemeinschaft, zu hören, dass so etwas wie in Ruanda nie wieder passieren darf. Ban Ki-moon, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat in seiner Rede klar und deutlich gesagt: Die internationale Gemeinschaft, die Vereinten Nationen, hat im Ruanda-Konflikt versagt. Zitiert wurde immer wieder der damalige Kommandeur der kanadischen Blauhelmtruppen, Roméo Dallaire, der zu Beginn des Genozids nach New York gefunkt hat: Ich brauche 4 000 bis 5 000 Soldaten. Dann kann ich den Mörderbanden Einhalt gebieten. – Nicht nur das ist nicht passiert. Die Truppen mussten sogar abgezogen werden, und das Drama nahm seinen Lauf.

Daran sollten wir im Zusammenhang mit der Situation und der Entwicklung in der Zentralafrikanischen Republik und dem Mandat denken, über das wir heute entscheiden, in einem Land, von dessen Existenz viele Menschen in Deutschland vor der aktuellen Krise – ich habe viele Gespräche geführt – gar nichts wussten, aber das nur am Rande.

Das Problem in der Zentralafrikanischen Republik ist völlig klar. Die humanitäre Lage ist dramatisch. Der humanitäre Zugang, also konkrete Hilfe für Menschen in Not, ist aufgrund der extrem fragilen Sicherheitslage außerordentlich erschwert.

Der VN-Beauftragte für humanitäre Hilfe, John Ging, hat am 16. Januar vor einem Völkermord gewarnt. Die gesamte Bevölkerung der Zentralafrikanischen Republik, also circa 4,6 Millionen Menschen, ist von der Krise betroffen. 2,5 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon 1,6 Millionen Menschen aktiv auf Nahrungsmittelhilfe. Circa 1 Million Menschen sind im Moment auf der Flucht, davon 615 000 im eigenen Land, der Rest in den Nachbarländern, von denen wir wissen, dass die Situation dort ebenfalls sehr schwierig ist.

UNICEF berichtet frisch von der zunehmenden Aktivierung und Rekrutierung von Kindersoldaten in diesem Konflikt. Mittlerweile schätzt UNICEF, dass es 3 500 Kinder betrifft, die zum Einsatz genötigt werden. Amnesty International beklagt den mangelnden Einsatz der internationalen Gemeinschaft, die mangelnde Robustheit des Mandats. Médecins sans Frontières, also Ärzte ohne Grenzen, beklagen eine mangelnde und unzureichende Reaktion auf die humanitäre Krise.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen muss man sich, wie ich finde, wirklich anschauen, über was wir heute eigentlich reden. Wir reden heute über die Beteiligung der Bundeswehr in Form von 80 Soldatinnen und Soldaten sowie die Bereitstellung von strategischem Lufttransport für Transportleistungen nach Bangui.

Ich weiß, worüber diskutiert wird. Ich kenne die ganzen Diskussionen; die führen wir relativ intensiv. Es geht um die Frage: Ist eigentlich das Mandat, das wir anstreben, eine Militarisierung der Außenpolitik? Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind uns hier, glaube ich, völlig klar, dass wir nie in der Lage sein werden, solche Krisen alleine mit militärischen Mitteln zu lösen. Aber das behauptet auch keiner. Das Militär ist aber erforderlich – das sage ich ganz klar, und das fordern auch ganz viele Menschen von uns –, um den Zugang der humanitären Helfer in die Krisenregionen zu gewährleisten. Darum geht es und um nichts anderes. Wer dem nicht zustimmt, der sagt den Menschen in der Zentralafrikanischen Republik: Hilfe können wir euch nicht bieten, weil wir nicht bereit sind, Militär zu entsenden. Ich finde das absolut unakzeptabel und werbe deshalb für dieses Mandat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ja, auch das ist richtig: Wenn wir über diesen Einsatz reden – das ist immer bei Militäreinsätzen so –, dann geht es um die Frage, ob Politik versagt hat. Wenn Militär eingesetzt werden muss, hat vorher Politik versagt. Das ist so. Auch das sollte man zur Kenntnis nehmen; denn nicht die Soldatinnen und Soldaten, die wir dahin schicken, verursachen diese Krise, sondern die hat andere Gründe und andere Ursachen.

Aber ich sage auch eines an dieser Stelle: Es ist richtig und wichtig, den Staatsaufbau, den Aufbau von Strukturen, den Zugang zu Gesundheit, Bildung, Wasser und Nahrung zu ermöglichen. Das können die Soldatinnen und Soldaten nicht schaffen. Das ist die Aufgabe der Politik. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass, während wir diese Diskussion hier führen, in der Zentralafrikanischen Republik Menschen sterben. Dessen müssen wir uns bewusst sein; denn es geht um klare Aussagen zur Hilfe für Menschen in Not, es geht darum, dass Menschen humanitäre Hilfe in Anspruch nehmen können. Die humanitären Organisationen fordern uns im Übrigen dazu auf, dass wir diese Bereitschaft an den Tag legen und dass wir alles tun, damit geholfen wird. Um nichts anderes geht es, und das geht nicht anders als mit diesem Mittel.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich ein Zitat von Tobias Zick aus der Süddeutschen Zeitung vom Montag dieser Woche vortragen, das mich sehr überzeugt hat. Er hat im Kommentar Folgendes geschrieben:

Dem kann ich nur zustimmen. Unter diesem Aspekt bitte ich Sie alle nach Möglichkeit um Zustimmung zu diesem Mandat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Buchholz, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3294276
Wahlperiode 18
Sitzung 30
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUFOR RCA (Zentralafrik. Rep.)
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