10.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 30 / Tagesordnungspunkt 6

Anita SchäferCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EUFOR RCA (Zentralafrik. Rep.)

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sturz der Regierung in der Zentralafrikanischen Republik vor einem Jahr hat mittlerweile zu einer Spirale wechselseitiger Vergeltung zwischen Christen und Muslimen geführt, bei der die ursprünglichen Motive hinter dem Putsch keine Rolle mehr spielen und stattdessen die religiöse Zugehörigkeit instrumentalisiert wird. Dabei geht es nicht um Glaubensfragen. Menschen werden getötet, weil sie zur falschen Volksgruppe gehören, die angeblich Unrecht an der anderen begangen hat. Wir kennen das von anderen Konflikten in der Region. Die jetzige Brutalität steht der in jenen Konflikten in nichts nach. Die Warnung vor einem neuen Ruanda liegt angesichts des Gedenkens vom Wochenende an die Opfer dieses Völkermordes vor 20 Jahren nahe.

Ich glaube, das vielzitierte Versagen der internationalen Gemeinschaft von damals steht uns allen vor Augen, wenn wir die derzeitigen Berichte aus Zentralafrika verfolgen. Die falsche religiöse Aufladung der Auseinandersetzung könnte zudem über die Region hinauswirken. Schon rufen Islamisten weltweit zum Dschihad für Zentralafrika auf. Das Land gehört außerdem noch zum Operationsgebiet der Lord’s Resistance Army mit ihrer wirren Version eines fundamentalistischen Christentums, die für zahlreiche Gräueltaten in mehreren Nachbarstaaten verantwortlich ist.

Das alles sind Voraussetzungen für einen weiteren gescheiterten Staat, der grenzüberschreitende Instabilität verursacht, als Basis für Terroristen jeglicher Couleur dient und zum Flüchtlingselend auf unserem Nachbarkontinent beiträgt. Das darf auch uns in Europa nicht egal sein, nicht aus humanitären und nicht aus sicherheitspolitischen Gründen.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union war bislang der Hauptpartner der Zentralafrikanischen Republik in der Aufbauarbeit nach den früheren Friedensvereinbarungen zwischen 2007 und 2012. Der jetzige Konflikt zerstört auch das, was in den letzten Jahren an Fortschritten gemacht worden war. Leider wird über das sicherheitspolitische Engagement der EU immer nur dann öffentlich gesprochen, wenn es um Militäreinsätze geht, obwohl die das letzte und am seltensten eingesetzte Instrument sind. Dasselbe gilt für das bilaterale Engagement Deutschlands. In der Debatte um Einsätze geht dann die tägliche, viel weniger schlagzeilenträchtige Arbeit für zivile Konfliktprävention, Stabilisierung und Staatsaufbau völlig unter.

Aber: Soldaten können auch notwendig sein, wie jetzt. Mit der Mission EUFOR RCA unterstützen wir die bereits laufenden Einsätze der Afrikanischen Union und Frankreichs. Es handelt sich dabei angesichts des Ausmaßes der Katastrophe um eine bescheidene Operation. Ziel ist die Sicherheit der Hauptstadt Bangui für eine Übergangszeit, um insbesondere den Truppen der AU- Mission MISCA eine stabile Basis für die Befriedung der ländlichen Gebiete zu geben. Nach spätestens sechs Monaten wird MISCA hoffentlich eine ausreichende Präsenz etabliert haben und im Herbst möglicherweise ihrerseits in eine UN-Mission überführt werden; eine solche hat der Sicherheitsrat soeben beschlossen.

Der deutsche Beitrag dazu ist vom Personal her gering, aber für den Erfolg entscheidend: neben der Beteiligung an den Hauptquartieren einerseits durch die Gestellung von Fähigkeiten zur luftgestützten Verwundetenevakuierung und andererseits durch die Finanzierung strategischer Lufttransportkapazitäten, die der zivileNATO-Dienstleister SALIS bereitstellt. Wir kommen damit unserer Verantwortung gegenüber unseren Partnern in der EU und der Solidarität mit unseren afrikanischen Nachbarn nach, wie wir es kürzlich auf dem EU- Afrika-Gipfel bekräftigt haben.

Meine Damen und Herren, hinzuzufügen wäre, dass eine solche Mission – ein Einsatz in Bataillonsstärke für sechs Monate – genau dem Profil entspricht, für das die EU-Battle-Groups geschaffen worden sind. In Zukunft sollten die Mitgliedstaaten verstärkt darauf hinwirken, dass dieses Instrument in solchen Fällen auch eingesetzt wird. Wäre das geschehen, dann wäre im Vorlauf dieses Einsatzes einiges vermieden worden, was nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beigetragen hat.

Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass osteuropäische Mitglieder ihre anfänglichen Truppenzusagen angesichts der aktuellen Situation in der Ukraine reduziert haben. Ich habe hier kürzlich schon in anderem Zusammenhang erwähnt, dass wir die Ängste dieser Partner angesichts des russischen Vorgehens auf der Krim ernst nehmen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer sich direkt bedroht fühlt, wird seine knappen Kräfte eher nicht in Afrika einsetzen wollen. Umso schwieriger nachzuvollziehen ist, wenn dann nicht stattdessen diejenigen Truppen eingesetzt werden, die bereits für die EU- Battle-Groups in Bereitschaft stehen.

Angesichts aktueller Herausforderungen wird die gemeinsame Nutzung militärischer Ressourcen in Europa künftig noch wichtiger. Da kann es nicht nur bei Absichtserklärungen bleiben. Deutschland als Motor der europäischen Integration sollte da im Sinne der kürzlich diskutierten größeren sicherheitspolitischen Verantwortung durchaus einmal den Anstoß geben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es besteht also noch Verbesserungsbedarf, aber die jetzt anstehende Mission ist aus den genannten Gründen richtig, und der deutsche Beitrag dazu wichtig. Ich hoffe, dass wir damit eine weitere Verschärfung der Lage in der Zentralafrikanischen Republik abwenden können und das Land diesen Konflikt überwindet. Dazu werden die EU und natürlich wir selbst weiterhin auch mit zivilen Mitteln beitragen, ob mit oder ohne öffentliche Aufmerksamkeit, sodass wir hoffentlich kein neues Ruanda erleben werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Frithjof Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3294288
Wahlperiode 18
Sitzung 30
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EUFOR RCA (Zentralafrik. Rep.)
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