10.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 30 / Einzelplan 16

Matthias MierschSPD - Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dieser späten Stunde auch ein herzliches Willkommen den Besucherinnen und Besuchern! Ich sehe, es sind vor allen Dingen jüngere. Schön, dass ihr hier ausharrt!

(Beifall)

Ich will heute ganz bewusst einmal anders anfangen, weil ich glaube, dass diese Debatte, in der es eigentlich darum geht, wie viel Geld wir in die Umweltpolitik, in die Baupolitik dieses Landes stecken, ein schönes Beispiel – „schön“ in Anführungsstrichen! – dafür gibt, dass die Grundsätze der Haushaltspolitik – man kann immer nur das ausgeben, was man eingenommen hat – gerade im Bereich der Umweltpolitik jedenfalls nicht immer gelten.

Am Beispiel Atomenergie können wir etwas erkennen. Es ist viele Jahrzehnte den Menschen versprochen worden: Hier handelt es sich um eine ganz billige Energie. – Wir sehen heute, dass wir es sein werden, dass ihr es sein werdet, dass es zukünftige Generationen sein werden, die viele Milliarden dafür aufbringen müssen, dass der Müll aus der Energie, von der viele keinen Nutzen mehr haben, einigermaßen sicher verwahrt werden kann. Es ist alles andere als eine billige Energie. Es ist alles andere als nachhaltig gewesen, was viele Jahrzehnte praktiziert worden ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man muss sagen, dass das, was hier heute beschlossen worden ist, zumindest ein erster wichtiger Schritt ist, nämlich auf die Suche zu gehen nach einer Lösung für ein, wie ich es nenne, Menschheitsproblem.

Es gibt derzeit weltweit kein Beispiel eines funktionierenden Endlagers. Wir haben etwas begonnen, was es in der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben hat. Wir haben ein Gesetz beschlossen, das ein Element enthält, in dem der Gesetzgeber selbst sagt: Wir wollen lernen. Wir wollen eine Kommission aus Vertretern zivilgesellschaftlicher Gruppen einsetzen, die uns sagt, ob wir hier auf dem richtigen oder auf dem falschen Weg sind. – Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich jedenfalls ein wichtiger Schritt und gibt Anlass, den Umweltverbänden, die damit jetzt noch hadern, zu sagen: Bitte gebt uns einen Vertrauensvorschuss! Macht mit bei dieser wichtigen Arbeit!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich ist es in einer Haushaltsdebatte so, dass man als Opposition die Regierung angreift. Aber ich will an dieser Stelle schon sagen: Es ist kein selbstverständlicher Schritt gewesen, den Barbara Hendricks als zuständige Umweltministerin gemacht hat, indem sie die Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans in Gorleben zurückgenommen hat. Das war ein ganz wichtiger vertrauensbildender Schritt, und dafür gebührt ihr auch unser Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber die Fragen sind offen. Ob es uns gelingt, das Misstrauen der letzten Jahrzehnte in Vertrauen umzuwandeln – davon bin ich überzeugt –, wird uns nur durch aktives Handeln gelingen. Wir werden das nicht versprechen können, sondern wir werden beweisen müssen, wie wir als Gesetzgeber mit den ersten Ergebnissen der Kommission umgehen, wenn sie vorliegen. Ich wünsche mir sehr, dass nicht zwei Jahre gewartet wird, sondern dass es unter Umständen auch in Form von Zwischenberichten möglich ist, dass sich der Deutsche Bundestag frühzeitig mit den Dingen auseinandersetzt, um weitere vertrauensbildende Signale zu setzen. Ich glaube, für diese Arbeit wäre es ein ganz wichtiger Schritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da man nur eine begrenzte Redezeit hat, sage ich abschließend, dass ich von den letzten Wochen sehr beeindruckt gewesen bin, weil es uns gelungen ist, das, was Maria Flachsbart und Ute Vogt als zuständige Berichterstatterinnen im letzten Jahr mit Sylvia Kotting-Uhl begonnen haben, auch im 18. Deutschen Bundestag fortzusetzen. Ich bedanke mich bei meinen Berichterstatterkollegen Steffen Kanitz, Sylvia Kotting-Uhl, aber auch Hubertus Zdebel, der konstruktiv mitgearbeitet hat. Am Ende konnten wir nicht zusammenkommen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass es uns gelingt, bei dieser großen Frage zusammenzubleiben; denn es lohnt sich kein parteipolitischer Streit. Wenn uns das bei den nächsten großen Schritten, die skizziert worden sind, zum Beispiel im Bereich des Klimaschutzes – Frau Weisgerber, ich nehme es gerne auf –, gelingen soll, dann werden wir Barbara Hendricks gegenüber dem Finanzminister den Rücken stärken müssen und deutlich machen, dass auch hier möglicherweise die schwarze Null nicht alles ist, sondern dass manche Investition für die Zukunft besser ist. Gerade beim Klimaschutz gilt, dass jeder Euro wichtig ist. Insofern lassen Sie uns bei dieser Frage zusammenbleiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man hier vorne steht, dann ist es insbesondere für jemanden, der aus dem östlichen Niedersachsen kommt, zunächst verlockend, einige Worte zum Thema Asse und Asse-Fonds zu verlieren. Ich habe die Bundesumweltministerin gehört und darf meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der um 20 Millionen Euro gekürzte Ansatz bei der Asse nicht zu Verzögerungen führt. Ich hoffe auch, dass sich in Sachen Asse-Fonds noch etwas tut. Ich finde es prima, dass der Vorgänger Peter Altmaier diesen Haushaltstitel aufgenommen hat. Das, meine Damen und Herren, waren nur einleitende Bemerkungen.

Ich will heute ein Thema ansprechen, das bisher leider nur in der Rede meiner Kollegin Anja Weisgerber angerissen wurde. Das ist das Thema Mobilität, Verkehr.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diskutieren wir morgen!)

– Herr Kindler, seien Sie ganz beruhigt. Ich habe nicht vor, auf Sie im Besonderen einzugehen, obwohl es sich wahrscheinlich lohnen würde.

Meine Damen und Herren, Mobilität und Verkehr sind eine wichtige Voraussetzung für persönliche Freiheit, für gesellschaftliche Teilhabe und natürlich auch für Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Aber wenn wir dieses Thema behandeln, dann müssen wir im Blick behalten, dass wir Mobilität so gestalten müssen, dass wir Ressourcen schonen und dass Mobilität nachhaltig bleibt.

Im Energiekonzept 2010 wurde der Auftrag für den Verkehrsbereich sehr präzise formuliert: Der Endenergieverbrauch muss reduziert werden, und zwar bis zum Jahr 2020 um rund 10 Prozent. Bis zum Jahr 2050 haben wir uns eine Absenkung um 40 Prozent im Vergleich zu den Zahlen von 2005 vorgenommen. Meine Damen und Herren, wir sind auf dem richtigen Weg. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Bisher ist es uns gelungen, den Endenergieverbrauch im Vergleich zum Wert von vor 15 Jahren um 7,5 Prozent zu reduzieren. Aber das reicht noch nicht. Die Geschwindigkeit muss erhöht werden. Das ist natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass der Personen- und auch der Güterverkehr in der Vergangenheit quantitativ zugenommen haben.

Meine Damen und Herren, Pkw haben heute einen um 9 Prozent geringeren Schadstoffausstoß als im Jahr 1995. Bei Lkw ist uns ein noch größerer Schritt gelungen. Wir sind hier bei einer Minderung um rund 28 Prozent des Treibhausgasausstoßes und der Luftschadstoffe angekommen. Ich habe es, glaube ich, in der letzten Woche schon einmal gesagt – die Zahl finde ich persönlich sehr eindrucksvoll –: Gegenüber 2006 konnten der CO 2 -Ausstoß neu zugelassener Pkw deutscher Marken um 22 Prozent reduziert werden, und zwar von durchschnittlich 175 auf 136 Gramm pro Kilometer. Auch dieses Haus geht mit gutem Beispiel voran.

Diese Ergebnisse können sich sehen lassen. Die Anstrengungen müssen fortgesetzt werden. Ich begrüße sehr, dass das Ministerium im Verkehrsbereich sozusagen einen Dreiklang aus Forschen, Prüfen und Weiterentwickeln auf den Weg gebracht hat: Forschen zu Mobilitätskonzepten und zum Mobilitätsverhalten, Prüfen und Messen von Emissionen, Weiterentwickeln von Kraftstoffen und insbesondere Antriebssystemen.

Hierbei wird Elektromobilität eine ganz besondere Rolle spielen. Sie ist der Schlüssel zu einer klimafreundlichen Mobilität und zu einem nachhaltigen Wandel in diesem Bereich. Wir haben dort noch einiges zu tun. Eines ist ziemlich klar und liegt auf der Hand: Wir werden das ursprünglich gesteckte Ziel von 1 Million elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeugen im Jahre 2020 nicht erreichen können. Wir haben heute leider erst 13 000 elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf den Straßen. Wir haben aber immerhin im Jahr 2013 eine Verdopplung der Neuzulassungen zu verzeichnen gehabt.

Ich finde es im Übrigen gut, dass die deutschen Kraftfahrzeughersteller bis Ende dieses Jahres 16 Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt gebracht haben werden. Das zeigt uns, dass wir insbesondere für diesen Bereich stabile Rahmenbedingungen brauchen.

Aus einem Gespräch vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich eine in diesem Haushalt gleichwohl noch nicht abgebildete, aber für die Zukunft durchaus überlegenswerte Idee mitgenommen, nämlich tatsächlich darüber nachzudenken, ob es gegebenenfalls Sinn macht, dass wir bei der Besteuerung von Dienstwagen auch zur privaten Nutzung die Bemessungsgrundlage bei Elektrofahrzeugen halbieren. Das würde der derzeitigen Situation durchaus Rechnung tragen, dass man für ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug heute einen etwa doppelt so hohen Kaufpreis aufwenden muss wie für ein vergleichbares konventionell angetriebenes Fahrzeug. Denn das, meine Damen und Herren, macht es jetzt für den steuerpflichtigen Endnutzer erst einmal unattraktiv, sich für ein solches Fahrzeug zu entscheiden. Ich halte diese Idee jedenfalls für verfolgenswert. Wir sollten gemeinsam Überlegungen dazu anstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich will einen zweiten Punkt konkret ansprechen – Anja Weisgerber hat ihn schon angesprochen –: Partikelfilter. Auch dieser Punkt war hier in der letzten Woche Gegenstand einer Debatte. Ich hatte da gesagt: Sehr geehrte Frau Ministerin, da muss Ihrem Haus einfach ein bedauerlicher Fehler unterlaufen sein. – Denn der Ansatz für die Förderung des Einbaus von Partikelfiltern wurde auf null reduziert, und das kann eigentlich nicht sein, und zwar, weil wir mit dem Nachrüstprogramm eigentlich hervorragende Ergebnisse erzielt haben: Wir haben in den letzten zwei Jahren hierfür 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, und 186 000 Fahrzeuge konnten nachgerüstet werden. Das führt im Übrigen zu einer Wertschöpfung, die im örtlichen Handwerk verbleibt und damit unseren Regionen zugutekommt. Der relativ schwere Fehler, diese Mittel zu streichen – wahrscheinlich nur ein redaktioneller Fehler –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

muss meines Erachtens behoben werden. Ich habe einmal genauer nachgeschaut: Es kann tatsächlich nur ein Irrtum sein, weil wir eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag festgehalten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Insofern glaube ich, meine Damen und Herren – da war Herr Kollege Kindler etwas zu kleinmütig –, dass es dort ganz bestimmt eine Entwicklung geben wird. Das wäre im Sinne des Klimaschutzes gut angelegtes Geld.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Haushalt stehen reale Zahlen! Das ist die Realität!)

– Immer schön sachte.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Motto!)

Ich will abschließend vier Leitlinien unserer Mobilitätspolitik im Umweltbereich aufzählen:

Erstens. Nachhaltige Mobilität darf weder die Unternehmen noch die Bürgerinnen und Bürger überfordern.

Zweitens. Nachhaltige Mobilität benötigt klare, verlässliche Rahmenbedingungen. Dazu habe ich eben etwas ausgeführt.

Drittens. Nachhaltige Mobilität muss allerdings auch bezahlbar bleiben.

Viertens. Nachhaltige Mobilität muss die Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Wirtschaft stärken.

Ich glaube, wir sind mit dem Haushaltsansatz insgesamt auf einem guten Weg.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit zur späten Stunde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Ute Vogt, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3294608
Wahlperiode 18
Sitzung 30
Tagesordnungspunkt Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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