Gesine LötzschDIE LINKE - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2014
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilanz dieser Woche lautet: Die Regierung ist mit sich zufrieden und lobt sich über den grünen Klee. Das scheint sie für ihr Seelenheil zu brauchen, und für fünf Minuten können wir es ihr auch gönnen. Aber Steffen Kampeter hat schon richtig gesagt: Die Opposition wird kluge Vorschläge machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Insofern will ich Ihnen am Ende dieser Woche acht ganz konkrete Vorschläge mit auf den Weg geben, die wir in den Beratungen umsetzen können:
Erster Vorschlag: die Finanztransaktionsteuer endlich einführen. Deutschland kann da vorangehen.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Kein guter Vorschlag!)
Die Kanzlerin hat am Mittwoch darauf verwiesen, dass Deutschland bei der Regulierung der Finanzmärkte in Europa immer vorangeht. Ich finde, man sollte sie beim Wort nehmen: Sie sollte auch hier mit gutem Beispiel vorangehen und durchsetzen, dass die Finanztransaktionsteuer zuerst in Deutschland eingeführt wird. Ich sage Ihnen: Die anderen Länder werden uns folgen, weil sie sich dem nicht entziehen können, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn beim Kauf von Aktien im Wert von 1 000 Euro Steuern von nur 1 Euro anfallen würden, dann wäre das, wie ich glaube, für jedermann vertretbar. Der Staat würde 50 Milliarden Euro mehr in der Kasse haben. Damit könnte man eine Menge anfangen. Ich glaube, die Kanzlerin als die mächtigste Frau der Welt könnte das doch locker durchsetzen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wer zahlt denn diese Finanztransaktionsteuer, Frau Lötzsch? Wer zahlt das denn? Haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht?)
Zweiter Vorschlag: Kindergelderhöhung. Unseren Kindern steht nach dem Bericht über das Existenzminimum eine Kindergelderhöhung zu. Es geht hier um 425 Millionen Euro im Jahr. Das hört sich erst einmal nach viel an, aber im Hinblick auf den Gesamthaushalt ist das durchaus vertretbar.
Wir haben gerade in dieser Woche erfahren, dass Frau von der Leyen dem Finanzminister 1 Milliarde Euro zurückzahlen musste, weil sie ihre Rüstungsprojekte nicht finanziert bekommt. Wir hätten also Geld für eine Kindergelderhöhung übrig. Das wäre sinnvoller, als es für Rüstungsprojekte auszugeben.
(Beifall bei der LINKEN – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Was ist denn die Alternative?)
Meine Damen und Herren von der Union, wir alle werfen einen Blick in unsere Wahlprogramme, Sie sicherlich auch in Ihres. Sie haben im Wahlkampf 35 Euro mehr Kindergeld versprochen. Darüber sollten wir uns in den Haushaltsberatungen unterhalten.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Dritter Vorschlag: Industrie an der Energiewende beteiligen. Kollege Gabriel hat den Satz formuliert:
Ich weiß nicht, was die SPD sagen würde, wenn jemand gegen den Mindestlohn, der ihr so sehr am Herzen liegt, folgendermaßen argumentieren würde: Ein paar Euro mehr Lohn in der Stunde tauschen gegen ein paar Hundert Arbeitsplätze, das wäre frivol. – Sie würden demjenigen doch einen Vogel zeigen, und das zu Recht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Der Vergleich hinkt ja auch!)
Herr Gabriel – ich gehe davon aus, dass Sie ihn alle unterstützen – hat ein ganz altes Argument der Arbeitgeber einfach auf die Energiewende übertragen. Das finde ich nicht in Ordnung; denn solange es die SPD gibt – Sie erinnern sich doch an Ihre Geschichte –, erklären Arbeitgeber in Bezug auf die sozialen Vorschläge der SPD, dass diese eine Menge Arbeitsplätze kosten würden. Dieses Argument gab es übrigens schon, als es um die Abschaffung der Kinderarbeit und die Einführung des Achtstundentages ging. – Das können Sie sich doch nicht im Ernst zu eigen machen!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vierter Vorschlag: Mindestlohn schneller und flächendeckend einführen. Gerade das Finanzministerium, hier heute vertreten durch Herrn Kampeter und nicht durch Herrn Schäuble, müsste doch ein sehr großes Interesse daran haben, dass der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn schneller, als bisher geplant, eingeführt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Denn der Mindestlohn entlastet die öffentlichen Haushalte. Wir haben es gestern Abend, leider zu relativ später Stunde, besprochen: Allein 10 Milliarden Euro zusätzlich müssen für die sogenannten Aufstocker – also für Menschen, die so wenig Geld bekommen, dass sie von ihrer Arbeit nicht leben können – in den Haushalt eingestellt werden.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die meisten davon arbeiten Teilzeit!)
Ich habe gestern Abend – ich erzähle es gerne noch einmal – von dem skandalösen Urteil des Arbeitsgerichtes in Cottbus berichtet. Die Richter waren der Auffassung, dass Menschen freiwillig für 1,54 Euro in der Stunde arbeiten würden, damit sie auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen können. Ich finde: Gerade solche Urteile zeigen, dass wir keine Ausnahme beim gesetzlichen Mindestlohn zulassen dürfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Fünfter Vorschlag: Ost- und Westmütter endlich gleich behandeln. Es ist möglich und für alle wünschenswert, dass wir keinen Unterschied mehr bei der Rente machen. Ich finde, wir sollten bei der Mütterrente anfangen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir werden im kommenden Jahr den 25. Jahrestag der deutschen Einheit begehen. Wir werden feiern, viele Reden werden gehalten. Nach 25 Jahren kann man niemandem mehr erklären, dass es Unterschiede zwischen Ost und West gibt, insbesondere bei Müttern.
(Beifall bei der LINKEN)
Sechster Vorschlag: endlich die kalte Progression abschaffen.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr gut! CDU-Vorschlag!)
– Genau, das ist ein CDU-Vorschlag. – CDU/CSU und auch SPD wollen wieder einmal die kalte Progression abschaffen, aber dafür fehlt angeblich das Geld. Die SPD ist nur für die Steuersenkung, wenn es eine Gegenfinanzierung gibt. Es gibt natürlich eine Gegenfinanzierung! Wir müssen nur die Vermögenden in unserem Land steuerlich etwas mehr belasten, damit die Mittelschicht ihre Lohnerhöhungen nicht mehr vollständig beim Finanzminister abgeben muss; denn das ist ungerecht.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass der Finanzminister in den Jahren bis 2017 durch die kalte Progression insgesamt etwa 55 Milliarden Euro mehr einnehmen würde.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt aber nicht! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist Quatsch!)
Ich finde, dieses Geld gehört den Menschen, die es erarbeitet haben, nämlich der Mittelschicht. Wir brauchen endlich eine gerechte Besteuerung der Reichen. Das hat unser Land verdient.
(Beifall bei der LINKEN)
Siebenter Vorschlag: Geben Sie den Kommunen mehr Geld! Steffen Kampeter ist auf dieses Thema eingegangen und hat immerhin zugestanden, dass die Lage der Kommunen sehr unterschiedlich ist. Ich finde, wir sollten die Augen davor nicht verschließen. Natürlich gibt es reiche Kommunen, aber sehr viele Kommunen ächzen und leiden unter der Situation. Hier im Haus sind Kollegen aus allen Bundesländern vertreten; jeder wird Beispiele dafür kennen.
Das ist nicht nur eine Finanzfrage. Denn Finanzen und Haushalt beschreiben auch den Zustand unserer Gesellschaft. Es geht dabei auch um die Frage einer lebendigen Demokratie. Warum soll man sich eigentlich bei einer Kommunalwahl zur Wahl stellen, wenn man genau weiß, dass man aufgrund der Finanzsituation entscheiden muss, ob zuerst die Schwimmhalle, die Bibliothek, das Theater oder vielleicht eine Schule geschlossen werden muss? Ich glaube, die Frage einer gerechten Finanzierung der Kommunen ist auch die Frage einer lebendigen Demokratie, und dafür sollten wir doch alle einstehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben vor wenigen Minuten die Debatte über den Verkehrsetat beendet. Ich bin der Auffassung, dass wir wesentlich mehr in unsere Infrastruktur investieren müssen. Jeder von uns kennt mindestens eine Brücke oder eine Straße in diesem Land, die marode ist. Da muss wirklich schnell etwas passieren. Wer die Sanierung auf die lange Bank schiebt, wird später mehr ausgeben müssen. Das ist doch nun wirklich eine Binsenweisheit.
Wir stehen im Augenblick augenscheinlich vor zwei demografischen Herausforderungen: Die Menschen, aber auch die Infrastruktur unseres Landes werden immer älter. Wir müssen beide Herausforderungen ernst nehmen und müssen wirklich mehr Geld für sinnvolle, für langfristige Investitionen zur Verfügung stellen.
Achter Vorschlag: Investieren Sie in ein friedliches Europa! Die Bundesrepublik Deutschland hat immer dann profitiert, wenn sie in friedliche Beziehungen mit anderen Ländern investiert hat, und Deutschland hat immer verloren, wenn es auf Gewalt und Militär gesetzt hat. Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle einmal für zwei Minuten an die FDP erinnern.
(Johannes Kahrs [SPD]: Nee, nee, nee! – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Jetzt kommt etwas Gutes!)
Man kann über die FDP viel Schlechtes sagen, aber dass Guido Westerwelle als Außenminister eine Politik der militärischen Zurückhaltung verfolgt hat, war, glaube ich, eine richtige Entscheidung. Davon sollten wir nicht abweichen.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Neue Koalitionsangebote!)
– Lieber Kollege Barthle, nicht jedes Lob ist ein Koalitionsangebot.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Sie werden im Laufe unserer Zusammenarbeit bestimmt noch erleben, dass ich auch Sie lobe.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Bitte keine Drohungen!)
Aber Sie müssen keine Angst haben. Das ist nicht automatisch ein Koalitionsangebot.
(Beifall bei der LINKEN)
Kommen wir zurück zum Verteidigungsetat, den ich kurz ansprechen möchte. Ich glaube, man kann niemandem erklären, warum der zweitgrößte Einzelplan in unserem Bundeshaushalt immer noch der Etat für Verteidigung ist. Das ist doch ein teurer Reflex aus dem Kalten Krieg. Das hat nichts mehr mit realen Bedrohungen zu tun. Wer den Bürgerinnen und Bürgern in der Bundesrepublik Deutschland Sicherheit geben will, der muss in Arbeitsplätze, in Wohnungen und in unsere solidarischen Sicherungssysteme investieren und nicht in veraltete Waffensysteme.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist gerade mal ein Fünftel des Sozialetats!)
In Anbetracht der Tatsache, dass im Bundestag parteiübergreifend ein großes Interesse daran besteht, Waffen zu vernichten, sollten wir in den Haushaltsberatungen darüber diskutieren, welche Rüstungsprojekte wir überhaupt noch brauchen und welche wir deutlich reduzieren, wenn nicht gar streichen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Dabei haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite.
Zum Abschluss. Vor uns liegen die Detailberatungen. Wir werden uns über viele Fragen sehr intensiv auseinandersetzen. In einigen Wochen werden wir wieder hier im Plenum beraten. Ich glaube, wir können diese Beratungen alle miteinander vernünftig führen, wenn wir die guten Vorschläge der anderen ernst nehmen und wenn wir uns – davon bin ich überzeugt – wie in den letzten Jahren auf die unermüdliche Geduld und Ausgeglichenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sekretariats verlassen können. Ich hoffe, dass wir gemeinsam, wenn wir in einigen Wochen wieder hier stehen, wesentliche Veränderungen des Etats erreicht haben, die bewirken, dass er gerechter, ausgeglichener, solidarischer und friedlicher ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Rede hat der Kollege Johannes Kahrs von der SPD das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Retrieved from | http://dbtg.tv/fvid/3295617 |
Electoral Period | 18 |
Session | 31 |
Agenda Item | Schlussrunde Haushaltsgesetz 2014 |