11.04.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 31 / Tagesordnungspunkt 1

Ingrid Arndt-BrauerSPD - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2014

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir sind heute in der Schlussdebatte zum Haushalt, und mit mir spricht ausnahmsweise mal ein Mitglied des Finanzausschusses; ansonsten haben hier heute morgen, glaube ich, ausnahmslos Haushälter gesprochen.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ist ja auch ein wichtiges Thema!)

Auch wir Finanzausschussmitglieder freuen uns darüber, dass es nächstes Jahr keine Neuverschuldung geben wird, sofern es dazu kommt. Aber was uns ein bisschen stört, ist das Schulterklopfen zwischen Haushältern und Finanzminister, während man uns Finanzausschussmitglieder vergisst.

(Zurufe von Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU: Oh!)

Die Basis für diesen guten Haushalt legt doch die Steuergesetzgebung, und die findet bei uns statt. Das muss man doch mal sagen, und das möchte ich hier auch einmal betonen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In vielen Landesparlamenten und Kommunen ist es ja so, dass die Einnahmen und die Ausgaben im Haushaltsausschuss getätigt werden. Bei uns ist es aber anders:

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ihr liefert, und wir geben aus!)

Die Einnahmen müssen wir besorgen, und die Ausgaben werden dann vom Haushaltsausschuss beschlossen, dem permanent dafür gedankt wird. Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Oh!)

Was passiert, wenn es falsch läuft? Da müssen wir alle uns nur zurückerinnern, wie es vor vier Jahren im Finanzausschuss war: Da wurde beschlossen, den Hoteliers einen reduzierten Mehrwertsteuersatz zu gewähren, und schon war dauerhaft 1 Milliarde Euro jährlich weg. Würde so etwas noch einmal passieren, wäre es mit der schwarzen Null im nächsten Jahr vorbei. Deswegen sollten Sie sich mit den Finanzpolitikern und dem Finanzausschuss gutstellen. Wir sind nämlich 37 sehr qualifizierte und sehr motivierte Mitglieder, viele aus steuerberatenden Berufen und somit alle Fachleute.

(Christian Hirte [CDU/CSU]: Bei uns in der Union ist das kein Problem!)

Eine Fraktion ist seit dieser Legislatur nicht mehr dabei; das war die mit den Plänen zu niedrigen, gerechten und einfachen Steuern. Frei nach Trude Herr – „Niemals geht man so ganz“ – wollen wir mal gucken, was aus der Idee geworden ist: Niedrigere Steuern will keiner mehr. Sonst kommt man ja auch nächstes Jahr nicht zur schwarzen Null. Gerechtere Steuern wollen eigentlich alle. Nur was ist bei den Steuern gerecht? Da gibt es sehr unterschiedliche Definitionen. Bei der Opposition und manchmal auch bei der SPD bedeutet „gerecht“, dass es für einzelne reiche Mitbürger zu einer Steuererhöhung kommt. Das wird entweder niedergestimmt – leider – oder gar nicht erst beantragt, weil der Koalitionsvertrag festlegt, dass es zu keinen Steuererhöhungen kommen soll.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist das! – Thomas Stritzl [CDU/CSU]: Sie haben dem ja auch zugestimmt!)

– Genau, und so wird es auch sein.

Jetzt bleibt noch das Stichwort „einfach“. Das sollten wir wirklich ernst nehmen. Denn hier kommt die Stunde des Finanzausschusses. Wenn wir die Banken- und Finanzmarktregulierung abgeschlossen haben, dann sollten wir uns das Vorhaben „einfache Steuergesetzgebung“ vornehmen. Im Koalitionsvertrag auf Seite 64 steht ein bisschen darüber. Da steht, dass Steuervereinfachung eine Daueraufgabe ist. Angeführt werden die vorausgefüllte Steuererklärung, das Faktorverfahren und als Zukunftsprojekt auch das Selbstveranlagungsverfahren. Damit ist die Auflistung eigentlich schon am Ende. Ich denke, das sollte es nicht sein.

Wir haben eine riesige Koalitionsmehrheit von 504 Abgeordneten, und wir haben in der Bevölkerung mit dieser Großen Koalition riesige Erwartungen geweckt. Deswegen sollte sich diese Koalition nicht nur auf das jährliche Jahressteuergesetz freuen und darauf warten, endlich Steuergesetzgebung in der Form machen zu können, dass marginal irgendetwas nachjustiert wird, was aus dem Ruder gelaufen ist. Wir sollten vielmehr wirklich versuchen, uns die Steuervereinfachung als Projekt vorzunehmen.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

– Ja, genau, das ist einen Applaus wert. –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten auch nicht darauf warten, dass uns das Bundesverfassungsgericht irgendwelche Urteile um die Ohren haut und uns zu irgendwelchen Handlungen zwingt, sondern wir sollten ganz konkret Projekte angehen.

Das Bundesfinanzministerium hat dankenswerterweise ein paar Gutachten in Auftrag gegeben, die wir uns einmal näher anschauen sollten. Da fällt mir zum Beispiel ein Gutachten vom RWI ein – das ist kein SPD- nahes Institut –, das uns vorschlägt, die Mehrwertsteuer zu reformieren. Darin werden gute Beispiele gerechnet. Wir sollten uns dieses Vorhaben einmal vornehmen.

(Beifall des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])

Wir sollten auch einmal darüber diskutieren – unser stellvertretender Fraktionsvorsitzender hat es schon mal versucht –: Wo gibt es eigentlich bei den Dingen, die wir jetzt schon haben, Missbrauch – Stichwort haushaltsnahe Dienstleistungen? Wir wollen sie nicht abschaffen, aber wir sollten einmal drüberschauen.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Keine Steuererhöhungen!)

Nur befinden wir uns im Moment in folgender medialer Situation: Sobald einer auch nur irgendetwas andiskutiert, wird schon draufgeschlagen. Das ist eigentlich schade. Wir sollten uns die Zeit zur Diskussion lassen, weil wir so die Situation der Menschen wirklich verbessern können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir wollen nur die Gesetzgebung, wo nötig, einfacher und gerechter gestalten und aus dem Ruder gelaufene Vorgänge wieder einfangen.

Wir sollten auch darüber nachdenken, die Höhe bereits bestehender Pauschalen anzupassen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Behindertenpauschale, die ziemlich vergessen worden ist. Das kostet zwar ein bisschen Geld, aber ich bin der Meinung, das muss drin sein. Andere Pauschalen sollten wir überdenken und uns fragen: Sind sie noch sinnvoll? Vielleicht sollten wir auch neue Pauschalen einführen. Für eine solche Diskussion mit den qualifizierten Mitgliedern des Haushaltsausschusses sollten wir uns Zeit nehmen, und ich bitte Sie, nicht gleich draufzuschlagen, wenn wir ein neues Thema aufmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Herbst werden wir uns mit einem Thema beschäftigten müssen, da geht es um eine Regelung, die uns vom Bundesverfassungsgericht zurückgespiegelt wird, nämlich das Thema Erbschaftsteuer. Da müssen wir dann etwas machen.

(Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Wir sollten die Beratungen in aller Ruhe angehen und über eine Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage nachdenken. Die Länder würden sich freuen, wenn wir mehr als 4 Milliarden Euro an sie überweisen würden.

(Beifall des Abg. René Röspel [SPD] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Schon wieder eine Steuererhöhung! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ich denke, es soll keine Steuererhöhung geben?)

Ich rede nicht von den erbschaftsteuerlichen Regelungen bei der Nachfolge in Unternehmen, sondern ich rede von privaten Erbschaften, die ja meistens ein leistungsloses Einkommen darstellen, das in der Regel in unserer Gesellschaft auch nicht gerecht verteilt ist. Deswegen sollten wir offen über eine Verbreiterung nachdenken. Da sollte man uns auch ein bisschen Spielraum lassen.

Wir alle hoffen, dass die Wachstumsprognosen, die uns vorliegen, eintreten. Wenn nicht, dann sind wir als Finanzer gefordert. Wir werden dann nicht darum herumkommen, irgendetwas zu tun, um Mehreinnahmen zu generieren; denn die Null bei der Neuverschuldung wird, wie ich denke, doch auch in den folgenden Jahren unser Ziel sein. Möglicherweise werden ein paar Krisen auf uns zukommen. Das können wir jetzt noch nicht abschätzen. Manche Krise deutet sich am Horizont an – Stichwort Ukraine. Sollte das der Fall sein, könnte es dazu kommen, dass wir Geld in die Hand nehmen müssen.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir sind mehr für Sparen! – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ja!)

Wir sollten schon jetzt über Steuerquellen nachdenken, die wir dann akquirieren könnten.

(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Ich habe den Eindruck, dass es gut ist, wenn nur Haushälter reden!)

Ich möchte noch etwas zum Koalitionsvertrag sagen. Auf Seite 63 steht:

Das sollten wir uns immer vor Augen führen. Wir sollten jetzt nicht sagen: In den nächsten Jahren machen wir steuerlich erst einmal gar nichts, weil alles geregelt ist. – Das wäre falsch. Wir sollten das als dynamischen Prozess begreifen und entsprechend damit umgehen.

Ich möchte noch ein paar Sätze zu meinen Vorrednern sagen. Frau Dr. Lötzsch, die Finanztransaktionsteuer kommt; da können Sie sicher sein.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und wann?)

Das steht überall drin, auch im Koalitionsvertrag. Das ist ja auch keine Steuererhöhung für den Bürger.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aha!)

Die 50 Milliarden Euro, die Sie damit einnehmen wollen, sind nicht im Finanztableau enthalten. Ich halte die Summe auch ein bisschen für zu hoch. Auch wenn sie weltweit gelten sollte, ist das ein bisschen zu optimistisch veranschlagt. Aber wenn sie kommen würde, würden wir uns natürlich freuen.

Zum Thema Kindergelderhöhung. Ich denke, hier wird etwas passieren. Wir haben allerdings das Problem, dass – das wissen Sie selber – eine Erhöhung der Freibeträge um 72 Euro und des Kindergeldes um 24 Euro natürlich nicht besonders viel ist. Deshalb sollten wir an dieser Stelle offensiv über andere Verfahren nachdenken, wie wir Familien helfen können. Über so etwas wie einen Kindergrundfreibetrag muss man einmal ernsthaft nachdenken. Dafür haben wir jetzt genug Zeit. Wir haben genug Man- und Frauenpower. Das sollten wir nutzen.

Die Industrie wird natürlich an den Kosten der Energiewende beteiligt, das ist gar keine Frage. Der Mindestlohn wird flächendeckend eingeführt. Der Abbau der kalten Progression würde zwischen 3 und 8 Milliarden Euro kosten. Da wir die im Moment nicht übrig haben, sollten wir über dieses Thema nicht weiter reden. Die Kommunen werden mehr Geld bekommen, das ist prioritär. Für die Infrastruktur wird mehr ausgegeben, ebenso wie für ein friedliches Europa; das wünschen wir uns alle. Wir werden natürlich nicht in veraltete Waffensysteme, sondern in sinnvolle Maßnahmen investieren.

Da meine Redezeit abgelaufen ist, werde ich zu den übrigen Bereichen nichts mehr sagen. Ich bin mir aber sicher: Wir werden die nächsten Jahre eine gute und fortschrittliche Steuerpolitik machen. Liebe Haushälter, vergessen Sie bitte nicht immer, woher das Geld, das Sie verteilen, kommt und wer das aufbringen muss. Nicht nur die Bürger, auch wir mit unserer Steuergesetzgebung sind ein Stück weit beteiligt.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für die weiteren Haushaltsberatungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volkmar Klein [CDU/CSU])

Als nächster Redner hat der Kollege Ingbert Liebing von der CDU/CSU das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3297455
Wahlperiode 18
Sitzung 31
Tagesordnungspunkt Schlussrunde Haushaltsgesetz 2014
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