Gunther KrichbaumCDU/CSU - Aktuelle Stunde zur Lage in der Ukraine
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außenminister Steinmeier, Sie haben die Lage in der Ukraine vorhin sehr zutreffend beschrieben. Wir haben uns als Europaausschuss des Deutschen Bundestages noch vor kurzem, vor knapp drei Wochen, selbst ein Bild von der Lage im Land verschafft. Wir waren in Kiew, wir waren in Donezk, und tatsächlich ist die Lage brisant, mancherorts explosiv, wiederum andernorts auch seltsam ruhig angespannt. Aber eines ist wahr: Seit dieser Zeit sind die Dinge eskaliert. Wir alle tun gut daran, die Lage zu deeskalieren.
Eines gilt auch: Die heutige Aktuelle Stunde trägt zwar den Titel „Zur aktuellen Lage in der Ukraine“, aber besser wäre fast noch der Titel „Zur aktuellen Lage in Ost- und Südosteuropa“. Denn längst droht aus der Krise in der Ukraine ein Flächenbrand zu werden.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Da hat er recht!)
Denn in Moldau wurde die Armee an der ukrainisch- moldauischen Grenze in Alarmbereitschaft versetzt. Per inoffizieller Twitter-Mitteilung hat der russische Vizepremier Rogosin seinen Besuch einer Militärparade in Tiraspol in Transnistrien angekündigt, just für den 9. Mai. Wir müssen solche Notizen aufnehmen und auch hier bewerten. Denn all das ist kein Zufall. So wie die Menschen in Moldau sehr beunruhigt sind, so sind sie es auch im Baltikum und in Polen.
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Sehr, sehr viel! Während wir im Zusammenhang mit Moldau schon lange von einem „Frozen Conflict“ sprechen, soll er von Putin in der Ukraine gegenwärtig kreiert werden. Genau das dürfen wir nicht zulassen. Durch die Annexion der Krim wurde schon ein erster Konflikt kreiert, und dies soll in einer Annexion faktischer Art der Ostukraine seine Fortsetzung finden, von Odessa ganz zu schweigen.
Wenn ich sage: „Das dürfen wir nicht zulassen“, dann heißt das: „Wir müssen gegensteuern.“ Was war der Ausgangspunkt der ganzen Krise? Ausgangspunkt war die Nichtunterzeichnung des sogenannten Assoziierungsabkommens mit Russland, also nichts anderes, als dass sich die Ukraine den Standards der Europäischen Union annähern wollte, weil es die Menschen dort satthatten, in einem Land voller Korruption und mit Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsdefiziten zu leben. Deswegen gibt es die Strategie der Östlichen Partnerschaft, in der Länder wie Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, aber eben auch Georgien, Moldau und die Ukraine versammelt sind. Bei nüchterner Betrachtung müssen wir aber auch festhalten, dass wir Armenien und Weißrussland längst an die eurasische Zollunion verloren haben.
(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Der geografische Machtkampf!)
Es bleiben noch Georgien, Moldau und die Ukraine.
Wir müssen hier gegensteuern; wir dürfen nicht zulassen, dass in Europa weitere Frozen Conflicts geschaffen werden. Denn es geht Herrn Putin allein um eines: um Vormachtstreben, um Hegemonie.
Die Breschnew-Doktrin ist tot; auch das muss man mit aller Deutlichkeit sagen. Deswegen ist es inakzeptabel, wenn Russland versucht, sich in die Gestaltung von Verträgen, die diese Staaten mit der Europäischen Union abschließen wollen, einzumischen.
Wir in Deutschland müssen ganz besonders sensibel sein; denn wir kommen aus einem geteilten Land und sind heute wiedervereinigt. Der ukrainischen Teilung müssen wir mit aller Macht entgegenwirken.
(Beifall des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])
Ja, es ist richtig: Wir müssen weiter auf die Diplomatie setzen; denn stirbt die Diplomatie, dann sterben Menschen. Aber eines gilt auch: Die Ukraine ist ein souveränes Land. Sie hat das Gewaltmonopol inne. Beides stellen wir dieser Tage seltsamerweise hin und wieder infrage.
Putin muss einlenken. Putin selbst hat es in der Hand, den Konflikt zu lösen. Es darf auch daran erinnert werden, dass vonseiten Russlands bislang nichts von dem, was in Genf vereinbart wurde, umgesetzt wurde.
Heute haben wir über eines noch nicht gesprochen: Die Zeit ist wahrscheinlich reif, eine Stufe weiterzugehen und echte Wirtschaftssanktionen nicht länger auszuschließen.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das möchte ich einmal sehen!)
Wir brauchen Russland – das ist wahr –, aber Russland braucht auch uns. Russland begreift seine Wirtschaftspolitik als reine Energielieferungspolitik. Das ist dauerhaft sicherlich zu wenig. Russland braucht unser Know-how, unsere Technologie und unser Wissen, aber natürlich auch die Erlöse aus den Rohstoffen, die es an uns verkauft.
Wir müssen stärker und einiger voranschreiten. Ich begrüße ausdrücklich, dass es bislang gelungen ist, die Europäische Union mit einer Stimme sprechen zu lassen. Nun müssen wir den Druck auf Russland erhöhen, sonst werden wir in Europa noch über ganz andere Länder zu sprechen haben als nur über die Ukraine, und das dürfen wir nicht zulassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Als Nächstem erteilte ich das Wort dem Kollegen Norbert Spinrath, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3387502 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 32 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Lage in der Ukraine |