08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 2

Sabine ZimmermannDIE LINKE - Soziales Europa

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung wird nicht müde, das Erfolgsmodell Europa zu preisen. So sagte kürzlich Staatsminister Roth: „Europa gilt nach wie vor als einzigartiges Erfolgsmodell.“ Frau Merkel meint sogar, das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell gründe auf der individuellen Würde des einzelnen Menschen. Da frage ich mich doch wirklich: Was ist das für ein Sozialmodell, das zulässt, dass 125 Millionen Menschen in Armut und sozialer Ausgrenzung leben?

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sieht es denn aus mit der individuellen Würde dieser Menschen? Wollen Sie ernsthaft zum Modell erheben, dass die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern dramatisch zugenommen hat, dass sich die Langzeitarbeitslosigkeit oft verdoppelt oder verdreifacht hat, dass in Spanien, Griechenland oder Italien die Hälfte der jungen Menschen keinen Job hat? Nein, das ist nicht das Europa, das unsere Bevölkerung in Deutschland will.

(Beifall bei der LINKEN)

Junge Menschen in Europa geben jedenfalls eine ganz klare Antwort. Ausgerechnet in einer Umfrage des Europäischen Parlaments haben sechs von zehn jungen Menschen auf die Frage: „Haben Sie das Gefühl, in Ihrem Land durch die Wirtschaftskrise an den Rand gedrängt und vom wirtschaftlichen und sozialen Leben ausgeschlossen zu sein?“, mit Ja geantwortet. Das muss Ihnen doch zu denken geben. Aber Beispiele gibt es auch bei uns. In den 90er-Jahren waren unsere Truckfahrer im internationalen Fernverkehr mit mehr als 5 000 DM Spitzenverdiener. Heute müssen mehr als 80 000 Truckfahrer ihren kärglichen Lohn mit Hartz IV aufbessern. Das ist nicht die Politik, die die Menschen wollen. Hier muss sich ganz deutlich etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht nur um eine gewaltige Absenkung der Verdienste. Es geht auch um eine dramatische Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa. Diese müssen verbessert werden. Am vergangenen Samstag sind die deutschen Truckfahrer auf die Straße gegangen, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und gegen Lohndumping zu demonstrieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben ein beeindruckendes Zeichen für Europa gesetzt; denn sie haben Solidarität mit den Kollegen gezeigt, die unter noch schlechteren Arbeitsbedingungen, zu noch mieseren Löhnen und windigen Vertragsbedingungen arbeiten müssen. 400 Euro im Monat, Lkw, bei denen auf nahezu jedes Extra, das Komfort oder Sicherheit erhöhen könnte, verzichtet wird, monatelange Abwesenheit von den Familien, Verträge ohne soziale Absicherung, das sind die Bedingungen, unter denen tschechische Fahrer leben müssen. Das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Dennoch sagen diese Menschen Ja zu Europa und europäischer Solidarität. Aber sie sagen Nein zu einem Europa des Lohndumpings und des Sozialabbaus.

(Beifall bei der LINKEN)

Europa wird nur eine Chance haben, wenn es eine breite Zustimmung in der Bevölkerung gibt. Diese gibt es nur, wenn viele Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass Europa ihre Lebensqualität verbessert. Freiheit, offene Grenzen und Frieden stellen einen gewaltigen Fortschritt dar. Aber die Menschen erwarten auch ein Leben in wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit. Das ist das Europa, das die Menschen in Deutschland und in Europa wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Europa darf nicht nur wenigen nutzen, deren Reichtum immer weiter wächst. In Europa gab es im letzten Jahr 766 Dollarmilliardäre. Deren Vermögen ist in Euro umgerechnet auf etwa 1,5 Billionen angewachsen. Das entzieht sich jedweder Vorstellungskraft. Das ist mehr als das Doppelte von dem, was die europäischen Steuerzahler für die Bankenrettung als Bürgschaft hinterlegt haben. Das, meine Damen und Herren, ist Ihre Politik, die Politik der Bundesregierung.

Für eine Krise, die sie nicht zu verantworten hat, wird die Bevölkerung in Geiselhaft genommen. Löhne werden gesenkt, Arbeitnehmerrechte und der Sozialstaat abgebaut. Statt in Wachstum und in Beschäftigung zu investieren, wird gekürzt. Die Wirtschaft schrumpft, und die Schulden steigen. So gibt es zwei Europas, die derzeit zueinander im Gegensatz stehen. Das eine ist das Europa der Wirtschaft, der Vermögenden und der Lobbyisten, das andere ist ein soziales Europa, ein Europa, welches die Menschen wollen.

Die Linke will diese europäische Kürzungspolitik beenden. Wir fordern stattdessen ein EU-weit koordiniertes Investitionsprogramm, mit dem Arbeitsplätze geschaffen, die Wirtschaft ökologisch umgebaut und Bildung, Gesundheitsversorgung und öffentliche Infrastruktur ausgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dumpingkonkurrenz bei den Löhnen darf es nicht geben. Wir brauchen eine europaweite Millionärsabgabe, um gerade die Krisenverursacher und -gewinner in die Verantwortung zu nehmen. Meine Damen und Herren, auch Sie kommen nicht an der Wahrheit vorbei: Wer ein soziales Europa will, muss es den Reichen nehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Mark Helfrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3388876
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Soziales Europa
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