08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 2

Mark HelfrichCDU/CSU - Soziales Europa

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn eines in aller Deutlichkeit sagen: Europa ist eine weltweit einzigartige Erfolgsgeschichte. Das lassen wir uns auch nicht durch einen solchen Antrag wie den, der heute vorliegt, kaputtmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Unsere Europäische Union, die auf dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft beruht, ermöglicht es ihren Bürgern, ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Im EU-Vertrag ist festgeschrieben, dass ein hoher Beschäftigungsgrad, sozialer Zusammenhalt, ein angemessener Sozialschutz und die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung bei der Gestaltung und der Umsetzung der EU-Politik in allen Bereichen berücksichtigt werden müssen. Wir arbeiten für ein Europa, das den Menschen Chancen für ihr berufliches und soziales Wohlergehen eröffnet, und das schon seit 1951.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum machen Sie das Gegenteil?)

Wir befinden uns bereits jetzt auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau. Obwohl nur 7 Prozent der Weltbevölkerung in der Europäischen Union leben,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Waren Sie mal in Griechenland?)

produzieren wir 25 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Ja, ich spreche zuerst über das BIP, weil alles, was Sie unter sozialen Errungenschaften subsumieren, zunächst erwirtschaftet werden muss. Ich werde nicht müde, auf diesen Zusammenhang, der eigentlich ganz simpel ist, von Ihnen aber immer wieder geleugnet wird, hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Während Sie, meine Damen und Herren der Linken, behaupten, dass die sozialen Errungenschaften auf breiter Front zunichtegemacht werden, muss ich an dieser Stelle sagen, dass die Wirtschafts- und Währungsunion unser heutiges ausgesprochen hohes Sozialniveau erst ermöglicht hat und dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union heute 50 Prozent aller Sozialleistungen der Welt auf sich vereinen. Ich wiederhole das gerne: 7 Prozent der Weltbevölkerung erhalten 50 Prozent aller Sozialleistungen.

Weil Sie in Ihrem Antrag die EU mehr oder minder als Verschwörung marktradikaler Kräfte porträtieren, würde ich gerne auf ein paar Punkte eingehen und darlegen, wie wir in diese schwierige Situation gekommen sind. Es ist eine völlig verantwortungslose Finanz- und Verschuldungspolitik gewesen, die diese Situation, die Sie hier zu Recht als bedrohlich und bedrückend beschreiben, herbeigeführt hat. Wir haben im Laufe der Krise verschiedene Weiterentwicklungen der Instrumente erlebt, die dazu führen sollen, dass sich diese Dinge nicht wiederholen und damit auch in Zukunft von derartigen Entwicklungen kein Risiko mehr für soziale Errungenschaften in Europa drohen kann. Da sind wir auch beieinander.

Es ist letztlich dem Konzept der Wirtschafts- und Währungsunion zu verdanken, dass einige Krisenländer – Spanien, Irland, Portugal – aus dem Hilfsprogramm bereits herauskommen konnten und damit als Gesellschaft, als Staat das, was wir uns alle gemeinsam wünschen, auch in Zukunft leisten können.

Wir alle wissen, dass das Wohlstandsgefälle in der Europäischen Union eine ganz wesentliche Ursache für die Armutswanderung innerhalb der EU ist. Wir wollen nicht, dass Menschen ihr Land verlassen müssen, weil sie dort keine Perspektive sehen. Auch deswegen sind wir der Meinung, dass durch die Mitgliedstaaten soziale Errungenschaften, ein Niveau der sozialen Sicherung vor Ort nachhaltig gewährleistet werden müssen. Ich sage an dieser Stelle aber auch ganz deutlich: Ich bin der festen Überzeugung, dass Sozialpolitik noch sehr lange Aufgabe der Mitgliedstaaten und nicht der EU bleiben wird.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Warum diktiert sie dann was?)

Die EU setzt soziale Mindeststandards; das ist richtig so.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wo denn?)

Sie hat mit dem Europäischen Sozialfonds seit langem ein Instrument, um auf soziale Lagen in Europa einwirken zu können. Der Europäische Sozialfonds ist bereits vor mehr als 50 Jahren geschaffen worden. Es geht darum, Unterschiede bei Wohlstand und Lebensstandard zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen Regionen zu verringern. Es geht um die Verbesserung der Beschäftigungs- und Bildungschancen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann?

Ich würde gerne weiter ausführen.

Also nicht. Dann führen Sie bitte weiter aus.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Feigling!)

Es werden unter anderem Maßnahmen in den Bereichen Fort- und Weiterbildung, Unterstützung von Beschäftigten und Unternehmen bei Umstrukturierungsmaßnahmen, Bekämpfung des vorzeitigen Schulabbruchs und praktische Hilfen für arbeitslose Jugendliche sowie Integration benachteiligter Menschen in den Arbeitsmarkt gefördert.

Zwischen 2007 und 2013 sind insgesamt 76 Milliarden Euro aufgewendet worden. Diese Geschichte wird fortgeführt. In der nächsten Periode, 2014 bis 2020, fließen 80 Milliarden Euro aus dem ESF und weitere 3,2 Milliarden Euro für Jugendinitiativen. Auch da sieht man, dass es einen Ausbau und nicht einen Abbau gibt. Diese Mittel kommen insbesondere den Regionen überproportional zugute – das ist auch richtig so –, die unter dem EU-Durchschnitt liegen, was ihre wirtschaftliche und soziale Entwicklung betrifft.

Ein weiterer Meilenstein bei der Überwindung der Staatsschuldenkrise ist die Wachstumsstrategie „Europa 2020“. Sie hat – wie sollte es anders sein? – soziale Kernziele in den Bereichen Beschäftigung und Bildung, soziale Inklusion und Bekämpfung von Armut. 20 Millionen Menschen sollen bis 2020 aus der Armut herausgeführt werden, und es soll eine Beschäftigungsquote von 75 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter erreicht werden. Um diese beiden Hauptziele zu unterfüttern, gibt es eine Reihe von Initiativen; Sie alle wissen das. „ Jugend in Bewegung“ ist ein entsprechendes Instrument; die „Agenda für neue Kompetenzen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten“ ist ein weiteres.

Bei all dem ist uns bewusst, dass die Chancen auf Arbeit in Europa noch ungleich verteilt sind. Deutschland hat eine sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit, ganz anders als viele andere Länder in der Europäischen Union. Dort stehen junge Menschen vor gigantischen Herausforderungen; das ist völlig klar. Weil das so ist, ist auch auf Drängen der Bundesrepublik vereinbart worden, dass man 6 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in der EU zur Verfügung stellt. Ich finde das sehr beeindruckend. Auch ich weiß, dass es in der Umsetzung in den Mitgliedstaaten durchaus noch Anlaufschwierigkeiten und Defizite gibt. Aber das Ziel und auch die Bereitschaft, das Ganze zu unterfüttern, sind ganz klar gegeben.

Das soll nicht heißen, dass wir nicht weiterhin auf die bewährten Maßnahmen aus dem Europäischen Sozialfonds zurückgreifen können, um benachteiligten Jugendlichen entsprechend Hilfe gewähren zu können.

Sie kennen EURIS, ein Kooperationsnetzwerk der öffentlichen Arbeitsvermittlungen aller EU-Staaten. Bereits in den Anfängen dieser Kooperation sind 50 000 Stellen pro Jahr für junge Europäerinnen und Europäer vermittelt worden. Ich glaube, auch das ist ein Zeichen, dass sich Europa dieser Aufgabe stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann möchte ich das Thema „Jugend in Beschäftigung bringen“ ansprechen, auch unter dem Stichwort „Jugendgarantie“ bekannt. Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Schulabgängern unter 25 Jahren nach Verlassen der Schule innerhalb von vier Monaten einen Ausbildungsplatz zuzuweisen bzw. eine weitere Bildungsmaßnahme zu gewähren oder eine Praktikumsstelle zu vermitteln, damit in Europa nicht eine verlorene Generation groß wird, was wir nicht wollen. Insofern ist auch dieser Baustein richtig.

In diesem Zusammenhang können wir als Deutsche froh sein, dass wir das duale Ausbildungssystem haben. Das ist behutsam angepasst sicherlich auch ein Erfolgsmodell für die Europäische Union. Nur so können dann auch die Probleme in den jeweiligen Mitgliedstaaten angegangen werden.

Nichtsdestotrotz stellen wir uns mit dem Programm MobiPro-EU der Verpflichtung, hier in Deutschland Plätze für Auszubildende und junge Berufstätige zur Verfügung zu stellen. Die in Aussicht stehende Mittelverdreifachung – das sage ich zu den Kolleginnen und Kollegen der Grünen – ist, anders als das in dem Antrag dargestellt wird, durchaus vorbildlich. Ich glaube, dass die Bundesregierung dort die Zeichen der Zeit erkannt hat.

Apropos „Zeichen der Zeit“:

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie einen kurzen Blick auf Ihre Uhr werfen würfen!

Ich komme zum Ende. – Sehr geehrte Damen und Herren der Linken, Sie sehen also: Es gibt bereits zahlreiche realisierte, realisierbare und erfolgversprechende Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung von Jugendlichen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Europa. Dies ist Ausdruck eines sozial gestalteten und wirtschaftlich starken Europas, dessen Einstehen für seine sozialen Errungenschaften Sie auch vor dem Hintergrund der herannahenden Europawahl bitte nicht in Abrede stellen sollten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3388879
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Soziales Europa
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