Michael GerdesSPD - Soziales Europa
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte liefert den Anstoß, über das Thema „soziales Europa“ zu reden. Tatsächlich mussten wir in den letzten Jahren bei europapolitischen Diskussionen sehr häufig, vielleicht zu häufig, über Finanzmärkte, Banken oder Ratingagenturen streiten. Wirtschafts- und Währungspolitik allein bringt uns aber nicht das Europa, das wir uns wünschen.
Wir Sozialdemokraten wollen ein Europa, in dem soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt die Basis für wirtschaftlichen Erfolg sind. Um die soziale Spaltung Europas zu verhindern, brauchen wir insgesamt mehr Beschäftigung, speziell in Süd- und Osteuropa.
Gerade die junge Generation braucht unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Junge Menschen brauchen eine Chance, damit sie nicht das Vertrauen in sich selbst und in das europäische Projekt verlieren. MobiPro-EU ist da nur ein Projekt; ein gutes im Übrigen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Arbeit und das damit verbundene Einkommen bedeuten – hier wie überall – Teilhabe. Wir müssen allen Jugendlichen eine Perspektive bieten, damit sie eine selbstbestimmte Zukunft in Europa erleben. Sie brauchen eine Chance auf Ausbildung. Deshalb stehen wir als SPD zur europäischen Jugendgarantie, die jedem arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren binnen vier Monaten ein Angebot für einen Job, eine Ausbildung oder ein Praktikum macht. Bei ihrer Umsetzung brauchen wir dringend mehr Entschlossenheit. Gut ausgebildete junge Menschen haben in ganz Europa gute Perspektiven.
Mehr Arbeitsplätze können dann entstehen, wenn wir arbeitsmarktrelevante Ideen und Maßnahmen europaweit besser koordinieren. Die Europäische Beschäftigungsstrategie ist ein Anfang. Die europäischen Arbeitsmarktzahlen zeigen allerdings, dass wir besser werden müssen. Dazu sind Investitionen in Bildung und in die Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern notwendig.
Gezielte Weiterbildung ist nur ein erstes Stichwort, wenn es darum geht, die Menschen auf die moderne Arbeitswelt vorzubereiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Gute Beschäftigung beginnt viel früher, nämlich mit guter Schulbildung, besseren Übergängen zwischen Schule und Beruf, und sie geht weiter mit einer soliden Berufsausbildung, die Theorie und Praxis miteinander verbindet.
Die Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung der Berufsbilder in der EU sind auch noch nicht komplett vollzogen. Viele Zuwanderer sind gut ausgebildet, können aber in ihrem eigentlichen Beruf nicht arbeiten, weil ihre Ausbildung in Europa nicht anerkannt wird. Das schadet uns allen. Wenn wir dem Facharbeiter- und Fachkräftemangel vorbeugen wollen, müssen wir bei der Anerkennung schneller sein. Es ist nicht richtig, wenn in Deutschland Fachkräfte unterhalb ihrer Qualifikation als billige Hilfskräfte verheizt werden, während wir gleichzeitig über Fachkräftemangel diskutieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch Innovationen und eine funktionierende Infrastruktur fallen nicht vom Himmel. Beides muss ausreichend finanziert werden, um mehr Jobs zu schaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Grundsatz „Gute Arbeit“ soll nicht nur hier in Deutschland gelten, sondern in ganz Europa. Dabei geht es mir um grundlegende Errungenschaften wie den Kündigungsschutz, die Tarifautonomie oder die Maxime „Gleiche Löhne für gleiche Arbeit“. Selbstverständlich sollte gute Arbeit überall in Europa existenzsichernd sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Gute Arbeit heißt aber auch: möglichst gleiche Standards in der Arbeitswelt. Das betrifft den Arbeitsschutz, die Unfallversicherung und die Sozialversicherungssysteme gleichermaßen. Eine Vereinheitlichung der Standards darf aber nicht die Absenkung unseres Niveaus bedeuten. Wir wollen ein Europa mit einheitlichen Regeln. Deshalb geht es nicht ohne Mitbestimmung. Starke Betriebsräte und Gewerkschaften sind kein Hindernis für den Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: Mitbestimmung heißt mitdenken, anpacken, Verantwortung übernehmen. All das kann dabei helfen, die gewünschte Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Insofern spricht nichts dagegen, die Regeln für Mitbestimmung in Unternehmen europäischer Rechtsform auszuweiten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt: Uns geht es in Deutschland recht gut, die Erwerbstätigkeit ist hoch, und es wird viel exportiert. Leider profitieren aber nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Wachstum. Es gibt zu viele Menschen mit geringen Löhnen und Minijobs. Sorgen bereiten uns zudem die Langzeitarbeitslosen.
Gut also, dass der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn kommt. Der Gesetzentwurf von Ministerin Andrea Nahles wird dafür sorgen, dass über 4 Millionen Beschäftigte in Deutschland bald mehr Geld in der Lohntüte haben werden. Darüber hinaus ist ein europäischer Pakt für Mindestlöhne wünschenswert, damit Lohn- und Sozialdumping europaweit bekämpft werden können.
(Beifall bei der SPD)
Mindestens genauso wichtig wie der Mindestlohn sind gute Tarifabschlüsse, an die sich alle halten. Das Tarifpaket der Großen Koalition wird die Tarifflucht mancher Branchen beenden. Das ist gute und gerechte Beschäftigungspolitik. Wir machen unsere Hausaufgaben. Damit leisten wir unseren Beitrag zu einem sozialen Europa.
Herzlichen Dank. Glück auf!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächste Rednerin rufe ich Annalena Baerbock, Bündnis 90/Die Grünen, auf.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3390666 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 33 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Europa |