08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 2

Antje LeziusCDU/CSU - Soziales Europa

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute angesichts des vorliegenden Antrags der Kollegen von den Linken mit einem großen Projekt, dem der europäischen Integration. Europa – das ist die seit über 60 Jahren erfolgreiche Idee einer Friedensordnung auf europäischem Boden, und das kann man gerade im Hinblick auf die Situation in der Ukraine und am heutigen 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, nicht oft genug betonen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Und es ist noch mehr: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist es uns durch die europäische Integration gelungen, in allen Politikfeldern Kooperation unter den Mitgliedstaaten herzustellen und den ursprünglich als Wirtschaftsgemeinschaft gemeinten Zusammenschluss auch politisch voranzubringen. Wer heutzutage in der EU jung ist, hat keine Grenzen mehr erlebt, kennt nur den Euro als Zahlungsmittel und lebt mit wesentlichen Freiheiten, die für viele von uns selbstverständlich geworden sind. Darüber wird oft vergessen, dass der Integrationsprozess mühsam war und auch aktuell in Gefahr ist, von Populisten von rechts und links infrage gestellt zu werden. Das, meine Damen und Herren, ist sehr schade.

Ihr Antrag, werte Kollegen, bezieht sich auf eine ganze Reihe von Dingen, die Sie wahrscheinlich an Europa nicht schätzen. Sie glauben sich in Ihrer Hoffnung auf sozialen Fortschritt und Zusammenarbeit enttäuscht. Aber die Realität sieht anders aus.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ich habe Ihnen doch die Realität in Griechenland geschildert!)

Wir leben in einem Europa der Solidarität. Seit dem Beginn der Euro-Krise versuchen die europäischen Staaten gemeinsam, diese zu meistern. Dies gelingt auch, trotz der linken Unheilsprophezeihungen. Mithilfe einer umfassenden Gesamtstrategie wurde versucht, nicht nur Mechanismen zur Krisenbewältigung zu implementieren, sondern auch Krisen durch präventive Maßnahmen zu vermeiden.

Deutschland hat als wirtschaftlich starker Mitgliedstaat und Stabilitätsanker eine besondere Verantwortung und wird auch in Zukunft alle Möglichkeiten nutzen, um ein politisch und wirtschaftlich starkes und sozial gerechtes Europa zu schaffen. Wir sind uns klar darüber, dass immer noch einige Mitgliedstaaten unsere Hilfe benötigen, und wir leisten diese Hilfe, weil wir an Europa glauben.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Sie kommt nicht an!)

Aber auch das muss gesagt werden: Die betroffenen Staaten müssen zunächst selbst versuchen, ihre Finanzen durch eigene Anstrengungen wieder in Ordnung zu bringen. Das gebietet allein die Fairness gegenüber der Gemeinschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit ist nicht zuletzt gemeint, dass beispielsweise im Falle Griechenlands der Staat effizienter gestaltet und zum Beispiel – darin gebe ich Ihnen recht – auch Steuerhinterziehung effektiv bekämpft werden muss. Dies ist im ureigenen Interesse gerade der Bevölkerung; denn wenn der Staat mehr einnimmt, kann er auch mehr ausgeben, zum Beispiel für die öffentliche Daseinsfürsorge. Das ist keine Frage der Anwendung von Marktmechanismen, sondern von Bürgersinn.

Deutschland hat seinen Weg durch die Euro-Krise gefunden. Auch wir haben unseren Bürgern viel abverlangt. Aber das hat sich gelohnt; denn heute verzeichnen wir Rekordbeschäftigung. Gleichzeitig haben wir mit 5,1 Prozent bzw. 2,9 Millionen Erwerbslosen im April 2014 die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Diese Zahl ist eine Lüge!)

und europaweit mit 7,4 Prozent die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Sie sehen hier mehr als deutlich, wie sich vernünftige Politik mit Augenmaß letzten Endes auszahlt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch in der aktuellen Debatte über den Mindestlohn können wir von anderen Ländern lernen, wie es nicht geht. Von überzogenen Löhnen, die Unternehmen nicht leisten können, profitiert am Ende niemand. In Frankreich liegt die Arbeitslosenquote aktuell doppelt so hoch wie bei uns, die Jugendarbeitslosigkeit bei sage und schreibe 25 Prozent.

Die kluge deutsche Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre hat erkannt, dass gerade Berufsanfänger nicht unbedingt von einem Mindestlohn profitieren, zum Beispiel weil es ihnen an Berufserfahrung fehlt. Das hat damit zu tun, dass sich Unternehmer genau ausrechnen müssen, wie produktiv ein Arbeitsplatz sein muss, damit er sich lohnt. Wenn diese dann feststellen, dass er sich nicht lohnt, dann wird er eben nicht besetzt. Deswegen wollen wir beim Mindestlohn eine Mindestaltersgrenze einziehen, weil die jungen Leute eine Ausbildung machen sollen, anstatt sich von hohen Stundenlöhnen einer sofort aufgenommenen Arbeit verführen zu lassen. Wir wissen schließlich, dass Qualifikation besser vor Arbeitslosigkeit schützt, und Arbeit schützt am besten vor Armut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Strategie „Europa 2020“ der Europäischen Union setzt darauf, bis Ende des Jahrzehnts so viele Menschen wie möglich in Arbeit zu bringen. Hierzu gibt es ein Bündel an Maßnahmen, die sich unter anderem mit den Bereichen Beschäftigung, Bildung und soziale Inklusion befassen. Die dafür vorgesehenen Mittel des Europäischen Sozialfonds sind dabei darauf ausgelegt, verschiedene Projekte zu koordinieren und damit Beschäftigung zu fördern. Allein Deutschland stehen zwischen 2014 und 2020 etwa 6,3 Milliarden Euro zur Verfügung, davon allein 1,3 Milliarden Euro für soziale Integration und Armutsbekämpfung. Europaweit beträgt diese Summe rund 10 Milliarden Euro, die aus nationalen Mitteln noch aufgestockt wird.

Allerdings wird bemängelt, dass es auf nationaler Ebene häufig problematisch ist, die Mittel auch in vollem Umfang abzurufen, zum Beispiel in Bulgarien und Rumänien, wo es massive Probleme in der öffentlichen Verwaltung gibt. Im Falle Rumäniens wurden nur bis zu 30 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel abgerufen. Hier müssen wir ansetzen und Hilfestellung leisten, damit Gelder auch dort ankommen, wo sie benötigt werden.

Maßnahmen, die aus Mitteln des ESF finanziert werden, richten sich daher ausdrücklich auch an die Systeme der beruflichen Bildung und haben die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen zum Ziel. Auch direkte Angebote wie Qualifizierungsmaßnahmen und die Unterstützung von Jugendlichen beim Übergang von der Schule in das Berufsleben werden gefördert. Die Bundesagentur für Arbeit plant weiterhin, den Ausbau einer Beratungsstruktur zur beruflichen Orientierung in denjenigen Ländern voranzubringen, die hier Nachholbedarf haben. So fördern wir aktiv den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben guter Arbeitsmarktpolitik haben wir in Deutschland das europaweit vorbildlichste System der dualen Ausbildung. Nirgendwo sonst gibt es einen Ansatz, der akademische und praktische Ausbildung in den Betrieben verbindet. Damit auch Jugendliche aus anderen europäischen Staaten diese Art der Ausbildung kennenlernen können, gibt es das Programm MobiPro; die Kollegen von den Grünen haben bereits darauf hingewiesen. Es fördert Jugendliche, die einen Blick über den Tellerrand werfen möchten. Wir freuen uns darüber, dass dieses Angebot so gut angenommen wird. Wir werden uns im Laufe der aktuellen Haushaltsberatungen bemühen, den jungen Leuten so gut wie möglich gerecht zu werden. Ministerin Nahles hat hier bereits positive Signale gegenüber dem Fachausschuss gegeben, wofür ich dankbar bin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Gemeinsam wollen wir versuchen, das Vertrauen der Bürger in die europäischen Institutionen wiederherzustellen. Frieden, Freiheit und Stabilität sind die Grundwerte dieses europäischen Einigungswerkes. Gerade am 8. Mai sollten wir alle dankbar sein und daran denken, dass sich dieses Europa auch ganz anders hätte entwickeln können, auch Sie, liebe Kollegen von der Linken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort Dr. Matthias Bartke, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3390714
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Soziales Europa
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