Tobias ZechCDU/CSU - Soziales Europa
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „ Portugal: Ausstieg in voller Fahrt“. Noch vor drei Jahren hätten wir mit dieser Schlagzeile etwas anderes assoziiert. Wir hätten damit assoziiert, dass ein Land aufgegeben wird. Wir hätten damit assoziiert, dass ein Land vielleicht die Euro-Zone verlassen muss. Der Titel, den ich Ihnen gerade präsentiert habe, stammt aber von gestern, 7. Mai 2014, Zeit. „ Ausstieg in voller Fahrt“ bezeichnet den Ausstieg aus dem EU-Rettungsschirm. Nach Irland und Spanien steht auch Portugal wieder auf eigenen Beinen. n-tv sagt: „Portugal stellt sich wieder in den Wind“. Der Rückenwind, den wir all diesen Ländern wünschen, wird auch die anderen betroffenen Länder wieder auf festen Boden stellen.
Damit ist die Krise garantiert noch nicht überwunden. Aber der Ausstieg Portugals zeigt ganz deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Norbert Spinrath [SPD])
auf einem Weg, den die europäischen Länder vor allem auf der Basis einer stringenten Haushaltsdisziplin einschlagen konnten. Heute haben Investoren wieder Vertrauen in das Land. Das portugiesische Haushaltsdefizit konnte auf 4,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts halbiert werden. Das Wichtigste: Die Portugiesen konnten ihre Glaubwürdigkeit und auch ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen. Auch wenn Portugal weiterhin extrem sparen muss, zeigt sich, dass die durchgeführten Maßnahmen, so bitter sie im Einzelnen sind, richtig und wichtig sind.
Liebe Kollegen von der Linken, Sie kritisieren in Ihrem Antrag, dass es kein soziales Europa mehr gibt. Stimmt das denn? Der Sparkurs verlangte den Menschen zwar Entbehrungen ab, aber diese Entbehrungen waren und sind weiterhin notwendig. Wir können nicht so tun, als hätte es diese Krise nicht gegeben.
Wir diskutieren in etwa acht Minuten über ein ganz wichtiges Thema, nämlich darüber, wie wir mit den Flüchtlingen aus Syrien umgehen. Europa hat einen Zustrom an Flüchtlingen zu verkraften. Wir sind für die Welt eine Insel der sozialen Gerechtigkeit, eine Insel der Sicherheit und eine Insel der Demokratie. Das lassen wir uns von Ihrem Antrag nicht kaputtreden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich denke, das kann man heute, am 8. Mai – der Kollege Bartke hat es betont –, noch einmal unterstreichen.
Wir haben – jetzt muss ich mich leider wiederholen, aber es ist wichtig – drei große Projekte in Europa, die wir auch als Deutschland unterstützen, nämlich den Europäischen Sozialfonds, MobiPro-EU und EURES.
Der Europäische Sozialfonds ist ein Fonds, in den alle einzahlen, um die Mittel denjenigen, die es am dringendsten brauchen, egal in welchem Land, auszuzahlen. Mehr als 10 Milliarden Euro jährlich stellt die EU zur Verfügung. Das sind mehr als 10 Prozent des Gesamthaushalts. Dazu kommen noch Gelder der Mitgliedstaaten. Damit wird jährlich 10 Millionen Menschen europaweit geholfen.
Der frühverrentete polnische Arbeitnehmer, wegen einer missglückten Hüftoperation mit Anfang 40 entlassen, wird im Rahmen eines ESF-Programms umgeschult. Der spanische Mechaniker, der kurz vor der Insolvenz steht, wird unterstützt. Ebenso profitiert die griechische Mutter, die nach der Elternzeit erst nach einigen Schulungen den Wiedereinstieg ins Berufsleben findet. Der ESF greift also genau dort ein, wo die EU gebraucht wird: bei den Menschen, am Arbeitsplatz, in der Bildung, in der Familie.
Auch hier gibt es natürlich noch Verbesserungsbedarf, wenn es darum geht, die Mittel vollständig auszuschöpfen, vor allem in bestimmten Ländern; ich denke da an Rumänien, wo wir langsam in einen Verbesserungsprozess eintreten. Aber wir haben schon viel erreicht und werden natürlich mit Nachdruck weiter daran arbeiten.
Nächstes Beispiel: EURES. Das EURES-Netz bietet Informationen, Beratung, Vermittlung für Arbeitskräfte und Arbeitgeber, die vom Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen möchten. EURES hat derzeit ein Netz von mehr als 850 – 850! – Beratern, die in täglichem Kontakt mit Arbeitsuchenden und Arbeitgebern in ganz Europa stehen.
Ihre Kritik geht dahin, dass Sie diese Projekte für unterfinanziert halten. Sie sehen sie als unverbindlich an und meinen, dass sie lediglich die Mobilität fördern. Man kann einmal darauf hinweisen, dass 3,1 Prozent der EU-Arbeitnehmer in einem anderen Land arbeiten. Angesichts von 3,1 Prozent kann, glaube ich, ein bisschen Förderung von Mobilität nicht schaden. Aber – das ist mir wichtig und ist auch für die CDU/CSU wichtig – was wir damit nicht fördern wollen – das haben wir nicht vor, und das tun wir auch nicht –, ist ein Braindrain auf der europäischen Fachkräfteebene. Es geht nicht an, Fachkräfte aus ihren Heimatländern abzuziehen. Ein Abziehen wäre viel zu kurzfristig gedacht und würde uns in einigen Jahren mit immensen Kosten belasten. Es ist uns daher daran gelegen, die Nationen aus sich heraus wiederaufzubauen.
Dafür ist zum einen der Europäische Sozialfonds da, der die Menschen in ihren Heimatländern unterstützt. Zum anderen bietet EURES die Möglichkeit, wenigstens einige Jahre Berufserfahrung in einem anderen Land zu sammeln. Die wenigsten verlassen ihre Heimat, ihre Familie, ihre Umgebung, ihre Sprache, ihre Sozialisation gern; viele tun es aber, nutzen die Chancen, um dann weitergebildet und motiviert in ihr Heimatland zurückzukehren.
MobiPro-EU – darüber wurde heute schon mehrmals gesprochen – ist ein Beispiel für das soziale Europa. Es ist ein exklusives Programm, das in Deutschland einzigartig ist. MobiPro-EU ist das Angebot, eine hervorragende Ausbildung zu absolvieren. Es ist ein wichtiger Schritt, anderen europäischen Ländern unsere duale Ausbildung näherzubringen. Gerade für die Länder, in denen es das duale Ausbildungssystem gar nicht gibt, ist das eine Riesenchance.
Was die Finanzierung angeht – das haben wir heute gehört –, werden alle Anträge bis zum 8. April noch abgearbeitet. Wir haben heuer die Mittel in einem Kraftakt verdreifacht. Das muss ich schon noch einmal sagen: Hätte das Programm nicht gegriffen, dann hätten wir uns heute von Ihnen anhören müssen, dass wir falsche Mittel oder falsche Methoden gewählt haben, etwas gefördert haben, was niemanden interessiert. Jetzt haben wir einen Erfolg, und dann lassen Sie uns diesen Erfolg doch bitte auch einmal so benennen und das nicht schon wieder schlechtreden, wenn wir gemeinsam diesen Kraftakt mit der Verdreifachung der Mittel heuer geschafft haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Welche Möglichkeiten schafft dieses soziale Europa? Europäische Jugendliche können die Chance nutzen, ein anderes Land kennenzulernen, sich über Kulturen auszutauschen, eine neue Sprache zu erlernen und sich hier ausbilden zu lassen – MobiPro-EU –, oder sie können die Chance nutzen, im Ausland zu arbeiten und Berufserfahrung zu sammeln – EURES –, oder sie können Förderungsmaßnahmen im eigenen Land wahrnehmen – ESF.
Liebe Kollegen, wir sind damit sicher nicht am Ende unserer Maßnahmen. Aber wir leben mitten in einem sozialen Europa mit einigen hervorragenden sozialen Errungenschaften. Wir müssen natürlich noch viel tun. Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern bringt eine Situation mit sich, die sich keiner von uns wünscht. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die Euro-Krise noch nicht lange her ist, viele Länder noch mittendrin stecken und wir Zeit brauchen, um uns wieder auf einem hohen Niveau einzupendeln. Das müssen wir mit aller Kraft gemeinsam vorantreiben.
Es gilt, jungen Menschen eine Zukunft zu bieten. Daran arbeiten wir in der EU schon sehr aktiv. Ein Beispiel: die Jugendgarantie. Damit soll gewährleistet werden, dass allen Europäern unter 25 Jahren binnen vier Monaten nach Erhalt ihres Abschlusses bzw. nach Verlust ihres Arbeitsplatzes ein neuer Job oder eine Ausbildung angeboten wird.
Das soll jedoch nicht, wie Sie es vorschlagen, geschehen, indem wir einen EU-weiten Mindestlohn festlegen. Viele europäische Länder haben bereits den Mindestlohn, und wir werden ihn heuer auch in Deutschland einführen. Diese Länder haben ihn nach ihren Möglichkeiten festgelegt. Einen einheitlichen Standard zu definieren, indem wir ein 60-Prozent-Minimum festlegen, schafft ein erneutes Ungleichgewicht in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Länder.
Bleiben wir aber bei den geplanten Maßnahmen. Im April hat das EU-Parlament ein Paket von Maßnahmen angenommen, mit dem sichergestellt werden soll, dass künftig die Banken das Risiko für ihr Scheitern tragen und nicht der Steuerzahler. Drei Gesetzesvorlagen wurden dafür auf den Weg gebracht. Sie beziehen sich auf die Restrukturierung und Abwicklung maroder Banken sowie auf die Erneuerung der Systeme zur Einlagensicherung bis zu 100 000 Euro.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf „Europa 2020“ hinweisen. Das ist eine Wachstumsstrategie der EU für eine intelligente, nachhaltige und integrative Wirtschaft in Europa. Diese drei Prioritäten, die sich gegenseitig verstärken, helfen der EU und den Mitgliedstaaten, ein hohes Maß an Beschäftigung, Produktivität und sozialem Zusammenhalt zu erreichen. Jeder Mitgliedstaat hat für die Bereiche Beschäftigung, Innovation, Bildung, soziale Integration, Armutsbekämpfung sowie Klima und Energie seine eigenen nationalen Ziele festgelegt. Ferner wird diese Strategie durch konkrete Maßnahmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten untermauert. Dabei geht es vor allem darum, Arbeitsplätze zu schaffen. Arbeitsplätze schaffen die Unternehmen. Daher darf neben all den sozialen Aspekten auch die Wirtschaft nicht vergessen werden. Die dürfen wir in diesem Punkt nicht aus dem Blick verlieren.
Was die CDU/CSU bei der Europawahl erreichen will, haben meine Vorredner schon zur Genüge ausgeführt. Ich glaube, dafür haben wir besten Rückenwind. Wir werden die positive Bilanz dieser Wahlperiode und der letzten Wahlperiode in der nächsten nur noch steigern können.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: In Bayern brauchen wir Wahlbeobachter!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Norbert Spinrath, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3390723 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 33 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Europa |