08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 3

Johannes Singhammer - Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zum Antrag. Liebe Kollegin Roth, ich glaube, dass die Debatte schon zeigt, dass wir ein gemeinsames Anliegen haben. Es wäre sicherlich schöner gewesen, wenn wir einen gemeinsamen Antrag verabschiedet hätten. Aber das ist am Ende an Nuancen und nicht an fundamentalen Unterschieden gescheitert. Das sollte man an dieser Stelle ruhig einmal erwähnen. Die Textpassagen sind größtenteils gemeinsam erarbeitet worden, Kollege Nouripour. Deswegen ähneln sich die gestellten Anträge so sehr. Wir beide haben ganz zu Beginn darüber gesprochen, ob es nicht einen gemeinsamen Antrag geben könnte. Ich jedenfalls hätte mir einen solchen Antrag gewünscht. Aber es hat nicht geklappt.

Die Debatte zeigt umso mehr, dass es unser gemeinsames Anliegen ist, den Menschen in Syrien zu helfen. Ich möchte Kollegin Roth explizit unterstützen, gerade vor dem Hintergrund des Genf-II-Prozesses, den wir uns auch im Zusammenhang mit der Ukraine erhoffen und der hoffentlich erfolgreicher ist als Genf I: Wir suchen gewissermaßen nach Formaten, die dazu dienen, in Syrien einen politischen Prozess einzuleiten.

Erinnern wir uns. Zu Beginn des Syrien-Konflikts haben fast alle – inklusive meiner Person – hier im Deutschen Bundestag gesagt: Eine Friedenslösung kann es nur ohne Assad geben. – Wir haben damals aufwendige Treffen mit den „Friends of Syria“ arrangiert. Ich hatte damals mit dem ehemaligen Außenminister Westerwelle die Gelegenheit, engagierte Oppositionelle aus Syrien zu treffen. Das hat uns die Hoffnung gegeben, dass das Land nach einem blutigen Bürgerkrieg, der hoffentlich bald beendet ist, einen Schritt nach vorne geht. Nichts davon ist eingetreten. Assad ist noch da. Leider müssen wir die Worte, die wir einst gesprochen haben, beiseiteschieben.

Des Weiteren hat die Opposition nicht die Stärke entfaltet, die wir uns erhofft hatten.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Islamisten!)

Diejenigen, die wir stärker unterstützen wollten, haben größtenteils das Land verlassen. – Frau Jelpke, ich möchte Ihren Zuruf aufgreifen. Wir haben bei „Friends of Syria“ zu keinem Zeitpunkt Terroristen unterstützt. Vielmehr haben wir diejenigen unterstützt, die sich um eine demokratische Zukunft verdient gemacht haben; das ist etwas vollkommen anderes. Dass dann von außen zusätzliche Kräfte in das Land hineingekommen sind und finanziell unterstützt wurden – und zwar gerade aus der Golfregion –, hat die Situation erschwert. Daher ist anzumerken, dass wir zu Beginn des Konflikts von ganz anderen Voraussetzungen ausgegangen sind, als der Verlauf später gezeigt hat. Das muss man an dieser Stelle konstatieren.

Herr Kollege Mißfelder, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jelpke?

Nein. Ich habe ihren Zuruf schon aufgegriffen.

Letzter Punkt dazu. Ich bin der Meinung, dass nur die Fortsetzung der politischen Gespräche hilfreich ist und dass es in diesem Konflikt keine militärische Option gibt. Der humanitäre Beitrag ist umso wichtiger, um die politischen Gespräche zu begleiten. Gerd Müller hat – ebenso wie Staatssekretär Schröder – dankenswerterweise für die Bundesregierung deutlich gemacht, dass Deutschland dort vorbildlich handelt. Natürlich wünschen wir uns, dass alle anderen europäischen Länder genauso handeln wie wir. Aber nicht in allen anderen Ländern ist die gleiche Bereitschaft vorhanden wie bei uns. Da gerade mein Heimatland Nordrhein-Westfalen genannt wurde: Ich bin froh, dass insbesondere die Kommunen, die sich in der Regel in einer schwierigen finanziellen Situation befinden, die Menschen aus Syrien mit offenen Armen empfangen. Das spricht für die Kultur unseres Landes, und das sollte auch für andere europäische Länder Vorbild sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber der entscheidende Blick, was die Flüchtlingsproblematik angeht, richtet sich – das haben fast alle Redner schon gesagt – auf die Nachbarländer. Es ist schon angesprochen worden: Die Türkei leistet Erhebliches. In Jordanien sehen wir eine Situation, bei der man sich, von außen betrachtet, nur noch wundert, warum es da noch nicht zu größeren politischen Umwälzungen gekommen ist. Darauf müssen wir unseren politischen Fokus richten.

Auch der Irak ist angesprochen worden. Darauf möchte ich etwas detaillierter eingehen. In Kurdistan, im Nordirak, werden die Menschen mit offenen Armen empfangen. Die Zentralregierung leistet aus meiner Sicht noch keinen genügenden finanziellen Beitrag, um den Nordirak stärker zu unterstützen. Der innerirakische Konflikt, der dort stattfindet, darf nicht auf dem Rücken der Menschen, vor allem der Christinnen und Christen, die dort Zuflucht gefunden haben, ausgetragen werden, weil sich Bagdad weigert, dort wesentlich mehr zu leisten, als es das bisher tut. Deshalb gilt unsere Solidarität insbesondere der Regionalregierung von Kurdistan.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Auch Ägypten ist angesprochen worden. Ägypten hat selber große Schwierigkeiten. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich die Ägypter an unsere Seite gestellt und uns unterstützt haben.

Wie der Kollege Annen gesagt hat, handelt es sich um eine der größten Tragödien unserer Zeit. Wir haben bisher kein Mittel gefunden, dieses Töten zu stoppen. Wenn es auch Signale der Entspannung oder Hoffnungsschimmer an manchen Tagen gibt, so hat sich doch herausgestellt, dass Strukturen von außen aus geopolitischen Gründen unterstützt worden sind, seitens der Golfstaaten, aber auch insbesondere seitens Russlands, und dass wir in einer Situation sind, in der sich die Fronten verhärtet haben und der Konflikt in Syrien zu einem Stellvertreterkonflikt geworden ist.

Es besteht die große Gefahr, dass die Terroristen, die von außen eingesickert sind, und die Islamisten, die jetzt kampferprobt sind, bei einer Befriedung des Konflikts in andere Länder zurückkehren, teilweise als Flüchtlinge getarnt, und zur Destabilisierung der gesamten Region beitragen. Weiterhin droht sich der Stellvertreterkrieg auszuweiten.

Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass es nicht nur darum geht, heute die syrischen Flüchtlinge nicht zu vergessen, sondern auch darum, dass wir den Brandherd Syrien insgesamt im Blick behalten. Wir müssen uns einer Sache bewusst sein: Dieser Konflikt ist noch nicht vorbei. Wir werden in Zukunft noch mehr leisten müssen, und der politische Weg muss weiter beschritten werden.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die Sozialdemokraten erteile ich nun dem Kollegen Rüdiger Veit das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3390845
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien
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