08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Zusatzpunkt 6

Saskia EskenSPD - Aktuelle Stunde zu Ergebnissen des Treffens der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „ Das Internet gehört der NSA“, so lautete eine Überschrift von vielen, mit denen die Medien die Enthüllungen von Edward Snowden kommentierten. Die Ahnung von der Datensammelwut von Geheimdiensten, die wir durch diese Enthüllungen bisher erhalten haben, hat unser Vertrauen in die Chancen von Digitalisierung und weltweiter Vernetzung nachhaltig erschüttert. Die Verunsicherung der Menschen und der Diskurs, der darüber entstanden ist, betreffen aber nicht nur die Tätigkeit ausländischer Geheimdienste. Wir beschäftigen uns in der Folge auch mit dem Umgang der großen und kleineren Netzakteure mit unseren persönlichen Daten, und wir beschäftigen uns mit Fragen der Datensicherheit, so zum Beispiel mit Verschlüsselungsverfahren, ihrer Anwendbarkeit und Verbreitung. Ich meine, das sind gute und notwendige Diskussionen. Sie beschränken sich nicht auf die Grenzen unseres Landes, sondern werden weltweit geführt, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und in anderen Ländern.

Heute Morgen durfte ich an einem Gespräch mit Vertretern der Regierung von Ruanda teilnehmen, die die Internetkonferenz re:publica hier in Berlin besuchen. Ich habe mich gefreut, zu hören, wie klar und deutlich auch in Ruanda die Chancen des Internets für Bildung und Emanzipation, für die persönliche und für die wirtschaftliche Entwicklung der Menschen gesehen werden. Internet und Digitalisierung werden also durchaus noch als Verheißung wahrgenommen.

Doch diese Verheißung hat durch die bekannt gewordene Überwachung einen tiefen Bruch erfahren, der weit über eine allgemeine Skepsis gegenüber der digitalen Kommunikation hinausgeht. Nicht nur auf deutscher Seite ist dabei das Vertrauen in die USA als befreundete Nation nachhaltig beschädigt worden. Unsere Wahrnehmung wird beherrscht von einer großen Verunsicherung darüber, welchen Schaden die Überwachung unserer Kommunikation für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Wirtschaft bedeutet.

Lassen Sie mich das Maß dieser Verunsicherung an einem Beispiel aus der analogen Welt erläutern. Wenn Menschen Opfer eines Wohnungseinbruchs werden, dann fühlen sie sich in ihrem Grundvertrauen in unsere Gesellschaft nachhaltig verletzt. Dieser Vertrauensverlust ist durch den Ausgleich des Schadens durch die Versicherung nicht zu beheben. Ebenso gilt – auch im Hinblick auf die Verletzung unserer Privatsphäre, unserer Persönlichkeits- und Freiheitsrechte –: Nicht alle Wunden heilt die Zeit. Es darf also keinesfalls der Fehler begangen werden, Dinge unter den Teppich zu kehren oder gar etwas für beendet zu erklären, das noch lange nicht beendet ist. Allen Akteuren sollte bewusst sein: Vertrauen kann man nicht verordnen. Verlorengegangenes Vertrauen muss aktiv wiederhergestellt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen deshalb – und wir bestärken die Bundeskanzlerin darin –, dass sie bei ihrem USA-Besuch mit Präsident Obama vereinbart hat, den notwendigen und vertrauensbildenden Dialog, den sogenannten Cyber-Dialog, fortzusetzen und auszubauen. In diesem Dialog muss es um die– vielleicht auch unterschiedliche – Bewertung und die Balance von Privatsphäre, Freiheit und Sicherheit gehen. Im Ergebnis erwarten wir nicht mehr und nicht weniger, als darin vertrauen zu können, dass amerikanische Geheimdienste die Grund- und Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger wahren.

Natürlich gibt es auch eine eigene, eine deutsche und eine europäische Verpflichtung, uns über unsere Sicherheit und den Schutz unserer Daten, den Schutz unserer Privatsphäre im Internet Gedanken zu machen. Da geht es nicht nur um den Schutz vor Nachrichtendiensten, sondern auch um den Schutz vor Internetkriminalität und Wirtschaftsspionage. Wir haben schließlich die Aufgabe, die Menschen und ihre Bürgerrechte in der digitalen Welt genauso zu schützen wie in der analogen.

Gestern hat der Ausschuss Digitale Agenda, dem ich angehöre, mit einem Fachgespräch zur IT-Sicherheit einen ersten Beitrag hierzu geleistet. Dass dieses Fachgespräch öffentlich stattfand, ist ein klares Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger: Wir dürfen die Fragen, die die Privatsphäre der Bevölkerung in diesem hohen Maße betreffen, nicht hinter verschlossenen Türen diskutieren. Dennoch ist in diesen Fragen ein nationaler Alleingang nicht notwendig und auch ganz bestimmt nicht förderlich. Vielmehr ist die Zusammenarbeit in der Europäischen Union und mit den USA auszubauen, ohne dabei deutsche und europäische Standards von Sicherheit und Datenschutz preiszugeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, eine flächendeckende Ausspähung unter Freunden darf es nicht geben. Wir haben die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger aktiv zu schützen. Die tiefgreifende Vertrauenskrise, die sich gegenüber dem Internet und gegenüber unseren amerikanischen Partnern ergeben hat, müssen wir überwinden. Wenn uns das nicht gelingt, wäre das wirklich ein Schaden für das Staatswohl. Ich wünsche mir, dass wir in naher Zukunft nicht mehr befürchten müssen, das Internet gehöre der NSA. Wir wollen zu Recht wieder sagen dürfen: Das Internet gehört uns.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Hans-Christian Ströbele.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3390945
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Ergebnissen des Treffens der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten
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