Andrea LindholzCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu Ergebnissen des Treffens der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Von dem genialen Deutsch-Amerikaner Albert Einstein ist das Zitat überliefert: „Vertrauen und Loyalität können nur auf der Basis der Gegenseitigkeit gedeihen.“ Einsteins Vertrauen in Deutschland wurde durch die Nazis vollständig zerstört. Zeit seines Lebens konnte er nie wieder Vertrauen und Loyalität zu Deutschland aufbauen, und er hat alle Annäherungsversuche aus Deutschland rigoros abgelehnt. Menschlich ist diese Haltung sicherlich verständlich.
Zu unserem Glück zeigte sich die US-Regierung damals nachsichtiger und weitsichtiger als Einstein. Nazideutschland hatte jegliche Basis für gegenseitiges Vertrauen zerstört, und trotzdem ebneten die USA Deutschland den Weg in die westliche Staaten- und Wertegemeinschaft. Heute ist die transatlantische Partnerschaft in wirtschafts-, gesellschafts- und sicherheitspolitischer Hinsicht von überragender Bedeutung, nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt. Das zeigt sich aktuell auch in der Ukraine-Krise ganz deutlich. Wie ich bereits im Februar an dieser Stelle gesagt habe, kommt es auch und gerade in der Ukraine-Krise entscheidend darauf an, dass die USA und Europa eine gemeinsame Haltung zu Russland finden. Dafür muss Deutschland eine wichtige Vermittlerfunktion erfüllen. Mit der Reise nach Washington hat die Bundeskanzlerin diese Aufgabe erfüllt.
Zweifellos werden die deutsch-amerikanischen Beziehungen gleichzeitig durch das Vorgehen der US-Geheimdienste belastet. Die pauschale Überwachung des deutschen und europäischen Datenverkehrs durch die NSA beschädigt die Vertrauensbasis, auf der die transatlantische Partnerschaft ruht. Unsere gemeinsamen demokratischen und rechtsstaatlichen Werte werden mit der unkontrollierten Überwachung deutscher Bürgerinnen und Bürger durch befreundete Geheimdienste fundamental infrage gestellt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl!)
Im NSA-Untersuchungsausschuss müssen wir diese Vorwürfe nun sachlich und umfassend aufklären. Wir haben heute beschlossen, dass zunächst 27 Zeugen befragt sowie weitere Sachverständige und Gutachter angehört werden. Einer davon ist Edward Snowden. Aber unser Ausschuss ist mehr als ein Edward-Snowden-Untersuchungsausschuss.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die CDU- und CSU-Kollegen haben heute eine klare Position zur Anhörung von Edward Snowden bezogen. Aufgrund der Stellungnahme der Bundesregierung wollen wir Edward Snowden nicht in Deutschland anhören oder befragen, sondern wir überlegen, eine Befragung in Moskau oder per Videokonferenz durchzuführen. Das Weitere wird – Herr Kollege Flisek hat es gesagt – mit dem Anwalt von Herrn Snowden besprochen werden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das langfristige Ziel unserer Aufklärungsarbeit muss es sein, die Bürgerinnen und Bürger vor der Überwachung im digitalen Zeitalter zu schützen. Die entscheidende Frage dabei ist: Wie erreichen wir dieses Ziel? Im Gegensatz zur Opposition glaube ich nicht, dass sich eine tragfähige Lösung ohne die USA finden lässt. Nur gemeinsam mit den USA werden wir das umsetzen können. Die Dominanz von US-Firmen wie Google, Facebook oder Apple wird sich nicht per Parlamentsbeschluss relativieren lassen.
Die Bundesregierung weigert sich zu Recht, dem ebenso populistischen wie kurzsichtigen Impuls nachzugeben und infolge des NSA-Skandals die deutsch-amerikanische Freundschaft aufzukündigen oder gar die Arbeit der Nachrichtendienste infrage zu stellen. Selbst Edward Snowden, der in diesen Tagen so oft genannt wird, hat die Bedeutung unserer Nachrichtendienste für unsere Sicherheit und die weltweite Terrorabwehr mehrfach betont.
Die Bundeskanzlerin weiß, dass sie auf internationaler Ebene nur dann etwas für Deutschland bewegen kann, wenn sie trotz aller Differenzen mit den anderen Staaten im Gespräch bleibt. Das zeigt sich in der Ukraine-Krise, und das zeigt sich beim NSA-Skandal. Ihre Fähigkeit zum unaufgeregten und sachlichen Dialog zeichnet unsere Kanzlerin aus. Mit dieser deeskalierenden Herangehensweise hat sie für unser Land zum Beispiel auch in der Euro-Krise gute Ergebnisse erzielt. Ich bin sicher: Wir werden das auch beim NSA-Skandal so erleben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bei allem Verständnis für den Schock, unter dem die USA nach dem 11. September 2001 gestanden haben, müssen wir die USA konsequent an unsere Vorstellungen von Datenschutz erinnern. Wir müssen auch dafür werben, dass verlorengegangenes Vertrauen zurückgewonnen wird. Auch wenn ich mir etwas mehr gewünscht hätte im Sinne von gemeinsamen Absprachen, im Sinne von No-Spy-Abkommen, so ist doch zumindest der vereinbarte Cyber-Dialog eine Möglichkeit, den USA unsere deutschen Erfahrungen mit der staatlichen Überwachung näherzubringen und hier noch mehr von den USA einzufordern; denn selbst eine alte Demokratie wie die USA ist nicht vor staatlicher Willkür gefeit.
Oft angesprochen wurde heute auch das Freihandelsabkommen. Ich will auf die Sinnhaftigkeit und den Inhalt dieses Freihandelsabkommens an dieser Stelle gar nicht eingehen. Wir können die Verhandlungen in diesem Bereich auch dazu nutzen, dessen Inhalt eng mit der Frage des Datenschutzes aus deutscher Sicht zu koppeln und hier für eine klare deutsche Handschrift zu sorgen. Für mich ist ein Freihandelsabkommen ohne klare Regelungen beim Datenschutz nicht denkbar.
Vielen Dank.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 33 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde zu Ergebnissen des Treffens der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten |