Florian HahnCDU/CSU - Bundeswehreinsatz EU-Operation Atalanta
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EU-geführte Operation Atalanta soll zum Schutz der internationalen Seeschifffahrt die vor der Küste Somalias operierenden Piraten abschrecken und bekämpfen. Mit der Operation sollen weiterhin Geiselnahmen und Lösegelderpressungen verhindert, das Völkerrecht durchgesetzt und humanitäre Hilfe für die somalische Bevölkerung, zum Beispiel – das ist schon oft genannt worden – durch das Welternährungsprogramm, sichergestellt werden.
Seit Beginn der Operation Atalanta ist kein Schiff des Welternährungsprogrammes mehr angegriffen worden. Auch die Sicherung der bedeutsamen Handelsroute zwischen Europa, der arabischen Halbinsel und Asien ist für Deutschland als Exportnation und Importeur von Rohstoffen dauerhaft von besonderem Interesse.
In Osnabrück wurde im April dieses Jahres im ersten Piratenprozess seit 400 Jahren ein somalischer Pirat in erster Instanz zu zwölf Jahren Haft verurteilt,
(Niels Annen [SPD]: So ist es! Und womit? Mit Recht!)
jetzt wird sich noch der Bundesgerichtshof mit diesem Fall beschäftigen. Die Umstände dieses Falles machen deutlich, warum die EU-geführte Operation Atalanta weiterhin so wichtig ist und warum uns romantische Piratenklischees den Blick auf die grausame Realität nicht verstellen dürfen.
Im Mai 2010 wird die „Marida Marguerite“, ein mit Flugbenzin und Speiseöl im Wert von 10 Millionen Euro beladener brandneuer Tanker einer Reederei aus dem Emsland von Piraten vor Somalia gekapert. Für die Besatzung folgen acht Monate unvorstellbares Leid und grausame Quälereien. Die Piraten schlagen und foltern die Seeleute. Es gibt Scheinhinrichtungen; ein Schuss geht knapp am Kopf des Kapitäns vorbei. Der Chefingenieur wird stundenlang kopfüber an einer Eisenstange über die Reling gehängt, die Piraten sperren Kapitän und Ingenieur nackt bei minus 17 Grad Celsius in die Kühlkammer. Kurz vor Weihnachten 2010 werden aus einem Flugzeug 5 Millionen Euro Lösegeld über dem Schiff abgeworfen. Die Kidnapper bestätigen den Empfang per Fax, unterschrieben mit: „Merry Christmas“. Am 28. Dezember 2010 geben die Piraten Schiff und Besatzung dann Gott sei Dank endlich frei.
Der Fall ist grausam, aber leider kein Einzelfall. In der Vergangenheit wurden Besatzungen im Durchschnitt bis zu fünf Monate lang gefangen gehalten. So etwas dürfen Staaten nicht zulassen. Wenn ein Failed State wie Somalia nicht in der Lage ist, die Piraterie zu unterbinden, muss die Weltgemeinschaft sich überlegen, was sie unternehmen kann, um solche Verbrechen zu verhindern.
Die Mission EU NAVFOR Atalanta, über deren Verlängerung wir heute wieder einmal beraten, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Piratenangriffe heute auf einem Tiefstand angekommen sind. 2013 wurden 20 verdächtige Ereignisse registriert, aber nur 7 Angriffe, die alle erfolglos blieben. Zum Vergleich: 2011 waren es noch 176 Angriffe. Das zeigt einmal mehr, wie erfolgreich und gut dieser Einsatz ist.
Das militärische Vorgehen im Rahmen der Operation Atalanta ist aber nur ein Teil eines umfassenden ressortübergreifenden Ansatzes zur Stabilisierung Somalias und der gesamten Region. Parallel zu den militärischen Bemühungen auf See laufen daher Bemühungen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und auch bilateraler Art, Somalia und die Region zu stabilisieren. Deutschland beteiligt sich umfangreich an humanitärer Hilfe für Somalia. Wir tragen über den allgemeinen Finanzierungsanteil 20 Prozent der humanitären Hilfe der EU-Kommission; das waren allein zwischen 2008 und 2013 313 Millionen Euro. Schon bisher stellten das BMZ und auch das Auswärtige Amt zusätzlich immer wieder substanzielle Mittel zur Verfügung.
Mir scheint, dass das der richtige Ansatz ist: auf der einen Seite Bekämpfung der akuten, gegenwärtigen Gefahren der Piraterie auf See durch Abschreckung der Piraten mit militärischen Mittel sowie Bekämpfung des Hungers und Elends in den Flüchtlingslagern durch humanitäre Hilfe, auf der anderen Seite zugleich zukunftsgerichtete Investitionen in die Stabilisierung der Region und in den Aufbau staatlicher Strukturen.
In den letzten Debatten und auch heute wurden wieder Befürchtungen geäußert, die Ergänzung des Mandats um die Möglichkeit der Bekämpfung der Piraterielogistik am Strand aus der Luft führe zu einer Eskalationsgefahr und berge das Risiko ziviler Opfer.
Diese Horrorszenarien haben sich bisher nicht bewahrheitet. Es ist entgegen diesen unrealistischen Vorstellungen bis heute nicht zu Kollateralschäden oder Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekommen. Keine Eskalation, deswegen keine Gefahr. Aus meiner Sicht sollten sich alle nichtdogmatischen Fraktionen in diesem Haus für den Einsatz im Rahmen des Mandats Atalanta einsetzen.
Herzlichen Dank.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 33 |
Agenda Item | Bundeswehreinsatz EU-Operation Atalanta |