Elisabeth MotschmannCDU/CSU - Kooperationen bei Nutzung atomarer Technologien
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kotting-Uhl, zunächst möchte ich Ihren Vorwurf, dass Herr Oettinger ein Atomlobbyist ist, zurückweisen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat sich selbst so tituliert! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das kann man ganz sicher so nicht sagen. Die uns von Ihnen unterstellte Atomeuphorie hat es aus meiner Sicht auch nie gegeben.
Alle Jahre wieder kommt ein ähnlicher Antrag von Ihnen zur Kündigung bilateraler Kooperationen im Bereich der Nutzung atomarer Technologien. Das gehört zu Ihren Lieblingsthemen. Wie bereits in der letzten Legislaturperiode geht es auch heute wieder um die Hermesbürgschaften – Sie haben es eben gesagt – für ein Atomkraftwerk in Brasilien. In Ihrem Antrag heißt es – ich zitiere –:
So weit Ihr Antrag.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Klingt gut!)
Das klingt im ersten Moment plausibel und einleuchtend,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ist es aber nicht. Wer im eigenen Land so etwas beschließt, kann noch lange nicht fordern, dass alle anderen es dann auch tun.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür arbeiten! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie können es fordern, aber Sie können es nicht erzwingen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wollen wir auch gar nicht!)
Bei genauer Betrachtung der Lage in den anderen Ländern – diese haben Sie viel zu wenig betrachtet – können Sie eine solche Forderung eben nicht aufrechterhalten.
Unsere Regierung hat beschlossen, dass Deutschland mittelfristig aus der Atomkraft aussteigt. Ich stehe voll und ganz dahinter, meine Fraktion selbstverständlich auch.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hören Sie doch auf, sie zu exportieren!)
Der Fokus liegt auf den erneuerbaren, nachwachsenden und reproduzierbaren Energien. Dennoch ist uns aber auch bewusst, dass wir noch nicht ganz aus der Atomenergie aussteigen und noch nicht völlig auf sie verzichten können. Sie bleibt noch für einige Jahre ein Teil unseres Energiemixes. Fossile Energieträger und Kernenergie sind derzeit noch Bestandteil der Brückentechnologie auf dem Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien.
Wir haben allerdings – im Gegensatz zu Ihnen – nie, zu keinem Zeitpunkt, eine Politik der Angst im Hinblick auf die Atomenergie betrieben.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um Gottes willen, nein! – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Menschen haben Angst vor der Atomenergie!)
– Ja, das haben Sie gemacht. Ich will Ihnen auch ein Beispiel nennen, ein Beispiel, das ich in wirklich unguter Erinnerung habe: Claudia Roth hat anlässlich des Fukushima-Jahrestages die 16 000 Toten der Atomkatastrophe beklagt.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn das jetzt mit den Hermesbürgschaften zu tun?)
Das waren aber nicht 16 000 Tote der Atomkatastrophe, sondern des Tsunamis und des Erdbebens. Als die Atomkatastrophe kam, waren diese Menschen bereits tot. So kann man das nicht machen. Ich finde es einfach nicht in Ordnung, wenn man hier mit den Ängsten der Menschen spielt. Genau das tun Sie beim Thema Atomenergie.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man soll vor Fukushima also keine Angst haben, ja? Das müssen Sie den Menschen wirklich mal so sagen!)
Aber zurück zum Antrag. Sie fordern – wie immer belehrend –,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie sind belehrend!)
dass wir den anderen Ländern vorschreiben sollen, wie sie zu handeln haben.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Es geht darum, wie wir zu handeln haben!)
Deutschland hat infolge einer Risiko- und Interessenabwägung für sich entschieden, wie es mit der Kernenergie in Deutschland weitergehen bzw. nicht weitergehen soll. Da sind wir ja auch vorbildlich. Wir sind das einzige Land auf der Welt, das diesen Sonderweg geht.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht ganz! – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Es liegt aber in der souveränen Entscheidung eines jeden Staates, bei der Ausgestaltung seiner Energiepolitik einen anderen Energiemix zu wählen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)
Eine Bevormundung – das ist immer Ihre Schwäche –,
(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unsere souveräne Entscheidung, was wir exportieren!)
in diesem Fall eine Bevormundung anderer Staaten hinsichtlich der Energiepolitik, oder eine mittelbare Einflussnahme liegen nicht im Interesse deutscher Außenpolitik.
Wir mögen es ja gewohnt sein, dass der Strom bei uns in Deutschland immer fließt; daran haben wir uns gewöhnt. Das ist aber nicht in allen Ländern so.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hören Sie doch auf, Angst zu schüren!)
Zum Beispiel erwähnen Sie in Ihrem Antrag Brasilien, ein Land – ganz nebenbei –, das ich sehr gut kenne.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! 47 Prozent Erneuerbare!)
Ich bin in den Elendsvierteln von Brasilien gewesen und weiß, wie es den Menschen dort geht;
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird das mit Atomstrom besser? – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/ CSU]: Ja! – Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben 47 Prozent Erneuerbare! Die brauchen das nicht!)
auch darüber müssen wir einmal reden. Zum einen gibt es dort keine flächendeckende Stromversorgung. Zum anderen leidet dieses südamerikanische Land mit seiner rasch wachsenden Wirtschaft immer wieder unter stundenlangen Stromausfällen.
Zwei Beispiele will ich nennen. Im Oktober 2012 legte eine Panne den gesamten Norden und Nordosten des Landes lahm. Im November 2009 waren rund 60 Millionen Menschen in Brasilien von einem Mega- Blackout betroffen.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie eine Energiekooperation! Aber keine Atomkooperation! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist übles Angstschüren! Angst schüren ist das, was Sie da machen!)
Das ist Ihnen völlig egal. Uns ist das nicht egal.
Der Weg hin zu einer flächendeckenden und verlässlichen Stromversorgung ist für viele Länder noch weit.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Und dann schickt man sie in die atomare Falle?)
Nicht nur die ärmsten Länder der Welt, sondern auch Länder wie China oder Indien, die Sie in Ihrem Antrag ebenfalls nennen, weisen in ländlichen Regionen noch erhebliche Mängel bei der Stromversorgung auf;
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, natürlich! Und?)
das wissen Sie ganz genau, und das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen wir dem Iran auch helfen, ja? Atomkraftwerke in den Iran – eine tolle Idee! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sollen die jetzt alle Atomkraftwerke kriegen?)
Sie fordern, dass Deutschland den Menschen in diesen Ländern seine Hilfe bei der Stromversorgung entziehen soll.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich verrate Ihnen etwas: Es gibt noch Strom außerhalb von Atomstrom!)
Genau das wollen wir nicht. Deutschland muss aber seine internationale Verantwortung annehmen und die Menschen in diesen Ländern unterstützen.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das, was Sie da behaupten, hat niemand gesagt!)
– An Ihrer Aufregung sehe ich, dass das, was ich sage, wohl doch ganz richtig ist, und dass Sie es verstanden haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Niema Movassat [DIE LINKE]: Nein! Es ist völlig falsch, was Sie sagen! Deshalb regen wir uns auf! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist leider ziemlicher Unsinn! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich wollte Ihnen ein Geheimnis verraten! Es gibt noch anderen Strom als Atomstrom!)
– Das mit den Geheimnissen machen wir dann nach der Rede; sonst geht mir meine Redezeit verloren.
Ihre Forderung, Ländern wie Indien oder Brasilien Bedingungen zur verstärkten Energieeffizienz oder zur Minderung der CO 2 -Emissionen aufzuzwängen, können wir nicht unterstützen. Es geht immer um Freiwilligkeit.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht das, Frau Motschmann? Wo steht das Wort „Bedingungen“?)
– Ganz einfach: Wenn die Hermesbürgschaften zurückgezogen werden, dann können diese Länder ihre Stromversorgung nicht gewährleisten und nicht finanzieren.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach?)
Das finden Sie gut
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Niema Movassat [DIE LINKE])
und wir schlecht.
Mit Blick auf große Teile dieser Länder gehen solche Diskussionen an der Realität vorbei, die Sie offenbar nicht kennen; und das tut mir leid.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden an der Realität vorbei, verehrte Frau Kollegin! Ich weiß nicht, in welcher Realität Sie leben!)
Die Menschen in diesen Ländern brauchen zuallererst eine flächendeckende Stromversorgung. Die Wirtschaft in diesen Ländern braucht diese Stromversorgung,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist doch sowieso noch gar nicht da!)
um sich überhaupt weiterentwickeln zu können. Man kann die Kraftwerke doch gar nicht von jetzt auf gleich ersetzen.
Wir können diesen Ländern nicht unsere deutschen Maßstäbe, Vorstellungen und Wünsche aufzwingen, auch wenn Sie von den Grünen es immer wieder so gerne tun.
(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir zwingen nichts auf!)
Angesichts Ihrer sozialen Einstellung, die ich ja sehr schätze und die ich auch immer wieder sehe, wundert es mich etwas, dass Sie gerade das Elend, die Probleme der Menschen in diesen Ländern nicht sehen und solche Vorschläge machen.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch einmal auf, diese Menschen für Ihre Atompolitik zu instrumentalisieren! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Frau Motschmann hat recht! So ist es!)
– Genau das ist der Punkt.
Ich will am Ende noch auf einen Punkt Ihres Antrages eingehen: Sie behaupten, dass die Bundesrepublik Deutschland „ihrer außenpolitischen Mitverantwortung nicht gerecht“ wird und dass unsere Politik „sämtliche Bemühungen im Bereich der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen“ untergräbt; Sie haben das ja eben auch erwähnt. – Deutschland ist sich der besonderen Sensibilität von Nuklearprojekten absolut bewusst. Das zeigt sich schon bei der Besetzung des Interministeriellen Ausschusses für Exportkreditgarantien. Auch das sollten Sie einmal erwähnen: Allein daran sind vier Bundesministerien beteiligt: BMWi, BMF, Auswärtiges Amt und BMZ.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und sie treffen die falschen Entscheidungen!)
– Sie meinen, die irrten alle
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manchmal kommt so etwas vor!)
und nur Sie hätten immer recht? Nein, haben Sie nicht. – Solche Exporte werden strengstens geprüft, und es wird abgewogen, inwieweit deutsche Hilfen eventuell zweckentfremdet und für den Bau von Waffen eingesetzt werden können, so wie es sich für einen Rechtsstaat gehört.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Am Ende sage ich noch einmal: Die Grünen wollen immer alles bestimmen, sie wollen uns den Veggie Day aufzwingen,
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
um aus Nachhaltigkeitsgründen den Fleischkonsum zu verringern. Jetzt wollen die Grünen diesen Ländern aufzwingen, dass sie sich aus der Atomenergie verabschieden – wohl wissend, dass sie das in diesem Moment und von jetzt auf gleich ganz bestimmt nicht können.
Kollegin Motschmann, ich muss Sie jetzt bitten, diesen angeregten Dialog zu beenden.
Ihre Bevormundungspolitik lehnen wir ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veggie Day statt Intellekt!)
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Hubertus Zdebel das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3391099 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 33 |
Tagesordnungspunkt | Kooperationen bei Nutzung atomarer Technologien |