Albert StegemannCDU/CSU - Arbeitnehmer-Entsendegesetz (Fleischwirtschaft)
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein nicht ganz unbedeutender Fraktionsvorsitzender in diesem Hohen Hause wird immer wieder gerne mit folgenden Worten zitiert: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war ein berühmter baden-württembergischer Philosoph! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, ganz unbedeutend ist der!)
Unter diesem Motto habe ich mich vor etwa drei Wochen auf den Weg gemacht und mit den Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamtes Osnabrück an einer Kontrolle der Arbeitsverhältnisse in einem großen norddeutschen Schlachtunternehmen teilgenommen. Wissen Sie: Die dort gemachten Beobachtungen sind so zahlreich, dass fünf Minuten Redezeit einfach nicht ausreichen, um Ihnen diese Eindrücke auch nur ansatzweise zu schildern.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fünf Minuten reichen nie!)
Gestatten Sie mir deshalb das Arbeiten mit folgendem Bild: Wie wir alle wissen, hat jede Medaille zwei Seiten, redensartlich eine gute und eine schlechte. Es wirkten in der Vergangenheit unterschiedliche Einflüsse auf die Fleischbranche ein, die, wie bei einer Medaille eben auch, besagte Seiten mit sich bringen. Auf die einzelnen Einflüsse möchte ich im Folgenden eingehen.
Einfluss Nummer eins: der Wert von Lebensmitteln. In kaum einem anderen Land der Welt ist es für Menschen so günstig, sich mit Lebensmitteln zu versorgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten müssen wir einen immer geringeren Anteil des Einkommens für die Waren des täglichen Bedarfs ausgeben; das ist die gute Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sorgen aber auch die preisbewussten Verbraucher für einen knallharten Wettbewerb im Handel, der weltweit ebenfalls seinesgleichen sucht.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)
Discounter befördern die Suche nach immer neuen Schnäppchen, indem sie den Preisdruck an die Produzenten weitergeben. Dies hat den Kostendruck in der Fleischbranche befeuert.
Einfluss Nummer zwei: wirtschaftliche Zwänge in einer globalisierten Welt. Kein Land auf dieser Welt hat von den offenen Märkten derart profitiert wie die Bundesrepublik Deutschland. Mit technischen Neuerungen sind Unternehmen Vorreiter, verkaufen erfolgreich ihre Produkte, sichern den hiesigen Wohlstand auch durch hohe Exporte. Wettbewerb ist allerdings nie nur einseitig. Der Transport spielt für die Warenpreise kaum mehr eine Rolle. So steht die Fleischbranche einer harten Konkurrenz von günstigen Fleischimporten aus aller Welt gegenüber. Also: Der Druck im Kostenkessel steigt und hat damit folgende Einflüsse voll durchschlagen lassen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das musst du jetzt aber nicht auch noch entschuldigen!)
Einfluss Nummer drei: Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Kein Land in Europa ist so gut durch die Krise gekommen wie Deutschland. Das hat viel mit unserem flexiblen Arbeitsmarkt und dem partnerschaftlichen Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu tun. Die funktionierende Sozialpartnerschaft hat viele Menschen in Arbeit gebracht und gehalten. Nicht umsonst ist das Beschäftigungsniveau so hoch wie nie zuvor. Die Kehrseite gilt aber auch hier: Diese Partnerschaft, diese Erfolgsgeschichte endet dort, wo die flexiblen Arbeitsmarktinstrumente bis an die Grenzen des Vertretbaren ausgereizt werden. In der fleischverarbeitenden Industrie ist der Lohnkostenanteil in der Produktion sehr hoch. Deshalb hat es hier diese extremen Auswüchse gegeben.
Vor diesem Hintergrund möchte ich mich herzlich bei der ehemaligen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bedanken. Unter ihrer Führung hat es die letzte Regierung geschafft, die Tarifvertragsparteien an einen Tisch zu holen. Dies hat sicherlich auch mit dem politischen Druck unter anderem der Kirchen zu tun. Auch ihnen sei an dieser Stelle gedankt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Hier hat die Gesellschaft ihre Verantwortung wahrgenommen. Demokratie funktioniert also.
Bleibt noch Einfluss Nummer vier, nämlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa. In der Europäischen Union gibt es keine Grenzen mehr. Dies bietet Chancen nicht nur für junge Menschen, obwohl gerade sie im Moment das Sinnbild für ein zusammenwachsendes Europa mit einem gemeinsamen Arbeitsmarkt sind. Die Suche nach einem Arbeitsplatz fernab von der eigenen Heimat verknüpfen sie mit vielen Hoffnungen. So weit die gute Seite der Medaille.
Wir mussten in der Vergangenheit aber feststellen: Solche Hoffnungen wurden ausgenutzt. Einzelne Unternehmen sind vom Irrglauben ausgegangen, sich in einem rechtsfreien Raum nach Wildwestmanier bewegen zu können. Durch Werkverträge, die mit aus dem europäischen Ausland stammenden Vertragsfirmen abgeschlossen wurden, haben sie vorhandene Mindestlöhne umgangen. Einziges Ziel war es, die Lohnkosten zu senken. Dies war aber definitiv nie die originäre Intention der Arbeitnehmerfreizügigkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das jetzt zu beschließende Gesetz schiebt solchem Handeln einen Riegel vor. Durch die Aufnahme der Fleischindustrie in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gilt dann der bereits beschlossene Mindestlohn auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer.
Meine Damen, meine Herren, heute ist ein guter Tag für die Fleischbranche. Dieser Wirtschaftszweig ist viel gescholten. Ein ursprünglicher Grund liegt im knallharten Wettbewerb. Dieser hätte jedoch nie so weit führen dürfen, dass die Menschenwürde, wie in der Vergangenheit viel zu oft geschehen, dem Schlachtermesser zum Opfer fällt. Ich hoffe sehr, dass wir heute einen Beitrag dazu leisten, dass die Fleischbranche uns in der Zukunft, ab heute, die gute Seite der Medaille zeigt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege.
Jetzt würden wir natürlich alle sehr gern wissen, wer der nicht ganz unbedeutende Fraktionsvorsitzende ist; aber vielleicht kann uns Herr Kauder das ja sagen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sagen Sie es! Frau Roth, sagen Sie es doch bitte!)
Nächster und letzter Redner in dieser Debatte: Tobias Zech für die CSU/CDU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die gekommen sind, um sich an der Abstimmung zu beteiligen, bitten, sich an dieser Debatte zuhörend zu beteiligen. Es lohnt sich nämlich wirklich sehr.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt sowieso: bei Herrn Zech!)
Bitte, Herr Zech.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3391202 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 33 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitnehmer-Entsendegesetz (Fleischwirtschaft) |