08.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 33 / Tagesordnungspunkt 14

Fritz FelgentreuSPD - Unterhaltsvorschuss

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Zollner, ich gebe Ihnen absolut recht: Gerade die Alleinerziehenden leisten besonders viel. Gerade deswegen haben die Alleinerziehenden einen Anspruch auf unsere besondere Solidarität und Unterstützung dabei, gemeinsam mit ihren Kindern ihren Alltag zu meistern. Deswegen machen wir eine ganze Menge. Die Große Koalition hat – angetrieben von den Forderungen der SPD – etliche Vorhaben geplant oder auf den Weg gebracht, von denen gerade Alleinerziehende profitieren werden. Dabei geht es um den Ausbau und die Qualitätsverbesserung der Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur, um die Möglichkeiten der Wiederaufstockung auf Vollerwerbstätigkeit, um die Einführung des ElterngeldPlus, um die Arbeit am Konzept der Familienarbeitszeit, um die Einführung des Mindestlohns und um die Initiativen zur Beseitigung von Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern. Damit werden wir Alleinerziehende besser als bislang in ihrem Wunsch unterstützen, berufstätig zu sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Darüber hinaus müssen wir gerade die Instrumente in den Blick nehmen, die auf die besondere Situation von Alleinerziehenden zugeschnitten sind. Dazu zählt neben dem Entlastungsbetrag der Unterhaltsvorschuss. Grundsätzlich sind wir uns in diesem Haus alle einig, dass der Unterhaltsvorschuss eine wichtige Leistung für Alleinerziehende ist und sinnvoll weiterentwickelt werden muss. Mit Ausnahme der Linken sind wir uns darin einig, dass nicht alles Wünschenswerte auch finanzierbar ist. Umso mehr gilt es, Reformvorschläge genau zu durchdenken und abzuwägen. Die Vorschläge der Linksfraktion sind Antworten auf reale Lücken in der Ausgestaltung des Unterhaltsvorschusses. Sie liefern aber noch kein durchdachtes Konzept, und Sie unterschlagen ein besonders wichtiges Detail; denn Sie erwähnen bei Ihren Forderungen nicht – auch in Ihrer Rede habe ich es nicht gehört, Herr Kollege Wunderlich –, dass eine enge Abstimmung mit den Ländern erforderlich ist, die schließlich zwei Drittel der Kosten tragen. Ihr Anspruch ist es, dass künftig mehr Familien länger vom Unterhaltsvorschuss profitieren sollen. Das macht auch Sinn. Der Unterhaltsvorschuss soll in die Versorgungslücke treten, die entsteht, wenn das getrennt lebende Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann. Wenn das stimmt, dann erschließt sich wiederum nicht, warum Sie die Anhebung des Bezugsalters nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres fordern. Warum sind Sie dann nicht so konsequent und orientieren sich am Unterhaltsrecht, das besagt, dass Eltern dem Kind bis zum Abschluss einer Berufsausbildung Unterhalt zahlen müssen?

(Diana Golze [DIE LINKE]: Dann hätten Sie uns vorgeworfen, das sei zu teuer! 12 ist genauso willkürlich!)

– Mir geht es nur darum, dass wir nicht mit willkürlichen Zahlen arbeiten. Frau Brantner hat kritisiert, dass die Zahl 12 willkürlich sei. Es gab dazu unterschiedliche Beschlusslagen: Die SPD-Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode beschlossen, dass sie die Bezugsdauer gerne bis zum 14. Lebensjahr ausdehnen würde.

Das Gleiche hatte die schwarz-gelbe Koalition in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Aus unterschiedlichen Gründen ist das bisher nicht umgesetzt worden. Das Problem ist ja erkannt. Aber lassen Sie uns doch nicht mit willkürlich gegriffenen Zahlen arbeiten, sondern lassen Sie uns überlegen, wie wir das Ganze in ein stimmiges Konzept überführen können, das dann auch finanzierbar ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Felgentreu, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wunderlich?

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Zahl 18 ist keine willkürliche Zahl; es ist zufällig die Altersgrenze zur Volljährigkeit. Sie argumentieren jetzt, man könne sich bei der Zahlung des Unterhaltsvorschusses an der Berufsausbildung bzw. am Unterhaltsrecht orientieren, also möglicherweise bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung oder des 27. Lebensjahres zahlen. Das ist dann ja noch teurer. So weit wollten wir gar nicht gehen. Wir wollten so weit gehen, dass Kinder unterstützt werden, solange sie minderjährig sind. Wenn sie volljährig sind, können sie sich selbst um diese Sachen kümmern und eigenständig ihre Ansprüche geltend machen.

Die geringe Rückholquote – das haben wir vorhin schon mal bilateral besprochen – ist ein echtes Problem. Aber Sie wissen genauso gut wie ich: Teilweise kann das Geld nicht zurückgeholt werden, weil die Väter – Sie sagten, einem nackten Mann könne man nicht in die Tasche greifen – gar nicht in der Lage sind, Unterhalt zu zahlen, sodass der Unterhaltsvorschuss als Ersatzleistung gezahlt wird.

Dass das Ganze finanzierbar ist, habe ich dargelegt. Insofern haben wir schon ein stimmiges Konzept. Der Antrag ist schon vor acht Jahren – ich wiederhole: vor acht Jahren – von der damaligen Großen Koalition als guter Lösungsansatz deklariert worden. Es hieß nur, der Antrag komme leider aus den falschen Reihen. Ich habe es gesagt: Die Lösungsansätze sind genau die gleichen, die Probleme sind dieselben, die Lösung ist da – es muss nur umgesetzt werden.

Verehrter Herr Kollege Wunderlich, ich wundere mich trotzdem ein bisschen,

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das macht nichts! Das wundert mich nicht!)

dass Sie mich dafür kritisieren, dass ich das Nachdenken über den Unterhaltsvorschuss mit dem Unterhaltsrecht in Verbindung bringe. Ich finde das konsequent.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dass Sie an dem Punkt auf einmal fiskalische Aspekte entdecken, die Ihnen in Ihrem eigenen Antrag völlig unwichtig waren, erschließt sich mir auch nicht.

Lassen Sie mich meinen Gedankengang zu Ende bringen. Ich bin gerne bereit, mich auf Ihre Argumentation und Ihre Forderungen einzulassen, die SPD-Fraktion ist es auch. Wir müssen nur überlegen, wie man sinnvoll vorgehen kann, und wir müssen das vor allen Dingen gemeinsam tun.

Sie nehmen einige Probleme, die mit dem Unterhaltsvorschuss verbunden sind, nur in der Debatte in den Blick, nicht aber in Ihrem Antrag. Dazu gehört die Schwierigkeit, ausstehende Zahlungen einzutreiben. Ich denke, um da wirklich zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, brauchen wir genauere Erkenntnisse darüber, woran es eigentlich liegt, dass jemand nicht zahlt.

Die ursprüngliche Idee war, dass der Unterhaltsvorschuss eine nicht auf Dauer angelegte Leistung des Staates ist. Dieser Anspruch scheint den Lebensverhältnissen heute aus vielen Gründen nicht mehr gerecht zu werden. Es gibt beim Unterhaltsvorschuss noch eine ganze Reihe offener Fragen. Auch wenn es im Koalitionsvertrag keine Erwähnung findet, halte ich es für richtig, dass wir uns des Themas weiterhin annehmen.

Wir müssen auch darauf reagieren, dass es sich bei Alleinerziehenden nicht mehr um eine gesellschaftliche Randerscheinung handelt, sondern um eine Familienform, die häufig ist und immer häufiger wird. Laut der kürzlich erschienen Bertelsmann-Studie ist das Armutsrisiko von Kindern, die mit nur einem Elternteil aufwachsen, statistisch betrachtet fünfmal höher als bei anderen Kindern. Nach meiner festen Überzeugung helfen wir diesen Familien am besten, indem wir die Infrastruktur im Bereich der zuverlässigen, ganztägigen Betreuung und Bildung konsequent ausbauen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber wir müssen – –

(Abg. Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Ja, bitte schön.

Herr Kollege, ich gestatte das jetzt. – Bitte schön.

(Heiterkeit)

Das nehme ich gerne hin, Frau Präsidentin.

Herr Kollege Felgentreu, da Sie wie ich die Situation in Berlin gut kennen, ist Ihnen doch sicherlich genau wie mir bekannt, dass der DGB Bezirk Berlin-Brandenburg dieses Thema, speziell die Berliner Situation, einmal untersucht hat: Woran liegt es, dass die Kinderarmut in Berlin so hoch ist und die Alleinerziehenden in Berlin finanziell so schlecht dastehen? Dann wird Ihnen doch wie mir bekannt sein, dass es eben nicht so sehr an den Kitas und Schulen liegt. Da können wir in Berlin noch besser werden, aber wir sind da im Bundesvergleich relativ gut: Die Kitaabdeckung ist sehr gut; auch im Ganztagsschulbereich gibt es inzwischen einiges. Das zentrale Problem ist vielmehr die sonstige finanzielle Situation der Alleinerziehenden, die dazu führt, dass Kinder in Armut sind. Das liegt wiederum daran, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende in Berlin so schwierig ist, weil sie hier nicht auf einen entsprechenden Arbeitsmarkt und auf entsprechende Arbeitgeber treffen.

Zu meiner Frage. Es ist richtig, dass wir Infrastruktur brauchen, aber wie können Sie gerade aufgrund Ihrer Berliner Erfahrung behaupten: Wenn die Infrastruktur da ist, dann ist alles gut? Wir wissen doch beide, dass es nicht so ist, dass es anders ist. Deswegen bitte ich darum, noch einmal über den vorliegenden Antrag nachzudenken.

Liebe Kollegin Paus, erstens bin nicht ich, sondern sind die Linken der Antragsteller, und zweitens habe ich nicht behauptet, dass bereits mit dem Ausbau der Bildungsinfrastruktur alle Probleme gelöst werden. Ich halte das aber dennoch für den allerbesten Weg. Das ist der Punkt, an dem wir als Familienpolitiker ansetzen müssen. Das ist ein neuer Weg, den wir beschreiten müssen, weil wir als Familienpolitiker in der Vergangenheit gar nicht über die Verbindung von Bildungspolitik und Familienpolitik und die kommunizierenden Röhren, die es in diesem Zusammenhang gibt, hinreichend nachgedacht haben. Das ist ein Weg, der sicherlich in die Zukunft führt. An diesem Punkt müssen wir weiterarbeiten. Zu glauben, dass wir mit einem einzigen Instrument alle Probleme lösen werden, so naiv ist in diesem Hause keiner.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nein, wir müssen eben nicht nur über den einen Weg, den ich für den besten halte, nachdenken und diesen weiterentwickeln, sondern wir müssen auch die Instrumente der individuellen Armutsvermeidung weiterentwickeln. Dazu gehört neben dem Kinderzuschlag natürlich auch der Unterhaltsvorschuss. Insofern besteht Anlass, den Kolleginnen und Kollegen der Linken für ihren inhaltlichen Vorstoß zu danken, mit dem sie das Thema erneut auf die Tagesordnung setzen. Aber zugleich bitte ich auch um Verständnis, dass eine Regierungskoalition nur auf der Grundlage einer soliden Finanzierung und eines Gesamtkonzepts arbeiten kann.

Zu einem solchen Gesamtkonzept gehört im Falle des Unterhaltsvorschusses in jedem Fall das, was die Länder dazu zu sagen haben, die den Löwenanteil an den Kosten tragen. Zu einem solchen Gesamtkonzept gehört auch, dass wir die unterschiedlichen Instrumente der Familienförderung, die wir einsetzen, aufeinander abstimmen und gemeinsam an ihnen weiterarbeiten. Das ist der Weg, den die SPD-Fraktion an dieser Stelle für richtig hält. Wir sind aber gerne bereit, ihn mit allen Fraktionen dieses Hauses intensiv zu diskutieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Markus Koob, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3391579
Wahlperiode 18
Sitzung 33
Tagesordnungspunkt Unterhaltsvorschuss
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