09.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 18

Karl LauterbachSPD - Finanzstruktur und Qualität in der GKV

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Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal muss man feststellen, dass diese Große Koalition im Bereich Gesundheit relativ geräuschlos zuverlässig Arbeit macht, die in allererster Linie den Bürgern, den Patienten und den Versicherten zugutekommt. Dafür und auch für die gute Zusammenarbeit möchte ich bei dieser Gelegenheit Herrn Gröhe meinen ausdrücklichen Dank, auch im Namen unserer Fraktion, aussprechen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du hast es nötig, oder? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was will man denn noch mehr?)

Ich verzichte auf Vergleiche mit anderen Ministern und komme sofort zum Inhalt dieses Gesetzes.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich kann mit Ehrlichkeit behaupten: Es ist ein gutes Gesetz. Es ist ein Gesetz, das die Solidarität in unserem Gesundheitssystem stärkt.

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für einen Sozialdemokraten wirklich gewagt! Das ist ein Gesetz zulasten der Versicherten!)

Es ist richtig, Herr Weinberg, wenn man sagt, dass diese Lösung ausbaufähig ist. Aber haben Sie doch die Größe, zuzugeben, dass einiges erreicht wurde.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist doch damals von uns gemeinsam gefordert worden – ich erinnere die Grünen daran, und ich erinnere Sie von der Linken daran –, dass die kleine Kopfpauschale weg muss,

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber stattdessen kommt ein anderer Zusatzbeitrag!)

weil sie Rentner, Geringverdiener und Familien belastet. Das haben wir doch gemeinsam gefordert. Erinnern Sie sich nicht daran? Jetzt kommt Ihnen nicht ein einziges Wort der Anerkennung über die Lippen, dass wir diese Kopfpauschale beerdigen konnten. Das finde ich unfair.

(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wurde der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben!)

Sie würdigen auch mit keinem Wort, dass wir zum Beispiel bei Arbeitslosengeldempfängern, bei Empfängern von Arbeitslosengeld I und II, diesen von Ihnen gegeißelten einkommensabhängigen Zusatzbeitrag gar nicht erheben. Arbeitslose müssen ihn nicht bezahlen. Sie sind doch normalerweise die Partei, die uns vorwirft, dass wir für die Arbeitslosen zu wenig machen – fast immer zu Unrecht.

(Lachen bei der LINKEN)

Bringen Sie doch die Größe auf, zu sagen, dass Arbeitslose diesen Zusatzbeitrag nicht zahlen müssen. Sagen Sie: Zumindest das erkennen wir an, weil das im Vergleich zu der Situation, die wir jetzt haben, ein Ausbau der Solidarität ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie haben vorgetragen, dass wir den Bundeszuschuss kürzen. Es ist richtig, dass wir den Bundeszuschuss vorübergehend kürzen, und zwar deshalb, weil er derzeit nicht gebraucht wird.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Die 6 Milliarden sind weg!)

Überlegen Sie doch selbst: Ein Bundeszuschuss, der derzeit höher ist, als er gebraucht wird, bringt so gut wie keine Zinsen, derweil wir das Geld für Investitionen in Bildung und Infrastruktur und für familiäre Projekte unbedingt benötigen. Ich frage Sie: Welchen Sinn macht es, den Bundeszuschuss jetzt in dieser Höhe zu belassen, wenn er doch höher ist, als wir ihn benötigen, derweil das Geld an anderer Stelle dringend gebraucht wird? Ich kann es Ihnen sagen: Das macht keinen Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil es das Geld der Versicherten ist!)

Sie vergessen auch, zu erwähnen, dass wir den Bundeszuschuss für das Jahr 2017 über die langfristige Planung hinaus sogar um eine halbe Milliarde Euro erhöhen. Sie haben auf der Grundlage von vollkommen unnachvollziehbaren Prognosen darüber spekuliert, was im nächsten Jahr passiert. Gehen Sie doch auf das ein, was sicher ist, nicht auf Spekulationen. Gehen Sie darauf ein, dass sicher ist – das haben wir gesagt –, dass der Bundeszuschuss ab 2017 im Vergleich zur ursprünglichen Planung sogar um eine halbe Milliarde Euro höher sein wird.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Trotzdem sind die 5,5 Milliarden weg!)

Das wäre ehrlich gewesen, und das ist eine Leistung, meine Damen und Herren.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Rechnen muss man können! Mengenlehre!)

– Nein, das ist keine Mengenlehre. Sie können, wenn Sie wollen, eine Zwischenfrage stellen; dazu ermuntere ich Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann auf jeden Fall gut genug rechnen, um zu wissen, dass der Bundeszuschuss für 2017 im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung von Herrn Schäuble durch die Änderungen, die wir jetzt vorgenommen haben, um eine halbe Milliarde Euro erhöht wird. Das ist fest.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wenn Sie das bestreiten, dann stellen Sie eine Zwischenfrage. Aber das hat nichts mit Rechnen zu tun, sondern das hat mit Ehrlichkeit, mit Redlichkeit zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie vergessen auch, zu erwähnen: Wir führen beim Risikostrukturausgleich einen vollständigen Einkommensausgleich durch. Das ist doch eine Stärkung all jener Krankenkassen, die einkommensschwache Rentner und Geringverdiener versichern. Sie müssen doch zugeben: Das ist eine Stärkung der Solidarität. Davon profitieren diejenigen, die in Krankenkassen versichert sind, die wenig Beitragseinnahmen haben. Auch das ist eine Stärkung der Solidarität; das können Sie nicht abstreiten.

Herr Kollege Lauterbach, der Kollege Weinberg ist Ihrer Ermunterung prompt gefolgt und hat sich nun zu einer überraschenden Zwischenfrage gemeldet.

(Heiterkeit)

Wollen Sie die zulassen?

Das kann ich jetzt nicht ablehnen. Ich nehme die Frage sehr gerne an.

Bitte schön.

Herr Kollege Lauterbach, das haben Sie sich jetzt ein Stück weit selbst zuzuschreiben. Jetzt nur einmal ganz kurz für mich zum Nachvollziehen – vielleicht bin ich ja in der Tat auf die falsche Schule gegangen

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das glaube ich auch!)

und kann nicht rechnen –: Eine Kürzung um 3,5 Milliarden Euro und danach eine Kürzung um 2,5 Milliarden Euro ergibt erst einmal eine Kürzung um 6 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 soll dann eine halbe Milliarde obendrauf kommen. Dann sind immer noch 5,5 Milliarden Euro weg. – Stimmt das, oder stimmt das nicht?

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das stimmt schlicht und ergreifend deshalb nicht, weil nach der ursprünglichen Planung für 2017 im Vergleich zu heute eine Veränderung um 4 Milliarden Euro vorgesehen war. Jetzt sind es 4,5 Milliarden Euro. Das ist eine halbe Milliarde mehr. Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Ich vergleiche einfach das, was 2017 absolut geflossen wäre,

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Hütchenspieler!)

mit dem, was nach der jetzigen Planung 2017 absolut fließen wird. Das ist eine halbe Milliarde mehr; daran können Sie nichts ändern. So einfach ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange braucht man, bis man 6 Milliarden Euro in 500-Millionen-Euro- Schritten aufgefangen hat? – Gegenruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU]: Zwölf Jahre! – Gegenruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau: Zwölf Jahre! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das haben jetzt alle verstanden!)

Relevant sind doch nicht die Zwischenschritte, sondern das Gesamtergebnis, und das Gesamtergebnis ist: eine halbe Milliarde mehr – da können Sie so lange rechnen, wie Sie möchten.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ich gebe es auf! Bei dieser höheren Mathematik komme ich nicht mit!)

Ich komme zum Qualitätsinstitut. 95 Prozent der Leistungen, die derzeit in unserer gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, sind weder neu noch steht deren Erstattung infrage; sie werden somit durch die Qualitätsanforderungen des IQWiG, die sich auf die Erstattungsfähigkeit neuer Leistungen beschränken, nicht erfasst. Für diese 95 Prozent der Leistungen gilt: Sie entscheiden über die Qualität unseres Gesundheitssystems.

Derweil ist richtig, was Minister Gröhe sagte: Obwohl die Qualität gut ist, haben wir auch große Defizite. Das räumen wir ein. Das Qualitätsinstitut ist ein Quantensprung bei der Verbesserung der Qualität der Versorgung in Deutschland, von dem alle profitieren werden. Wir werden durch dieses Qualitätsinstitut, durch die Zusammenführung der Daten, erstmalig wissen: Wie gut ist welches Krankenhaus? Wie gut ist welche medizinische Leistung? Wie lange hält welcher Eingriff? Gibt es regionale Unterschiede? – Wenn man ehrlich ist, muss man zugeben: All dies weiß man derzeit in vielen Bereichen nicht. Auf der Grundlage dieser Daten können wir dann auch die Vergütung steuern und durch einen neu gegründeten Innovationsfonds innovative Projekte fördern. Das ist ein echter Schritt nach vorn, das ist ein Quantensprung für die Versorgungsqualität in Deutschland.

Ich hoffe, wenigstens Ihre Nachrednerin, Frau Vogler, wird dies würdigen, anders als Sie, der Sie nicht die Größe hatten, die Stärkung der Solidarität hier zu begrüßen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So was ist unglaublich!)

Die Kollegin Klein-Schmeink ist nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nächste Rednerin.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3392445
Wahlperiode 18
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Finanzstruktur und Qualität in der GKV
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