Helga Kühn-MengelSPD - Finanzstruktur und Qualität in der GKV
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einiges ausführen zum Institut für Qualitätssicherung und Transparenz. Dadurch wird meiner Meinung nach die Versorgungslandschaft in Deutschland in erheblicher Weise beeinflusst und zumindest langfristig verbessert. Ich danke dem Kollegen Terpe für seine Aussagen hierzu und auch überhaupt für seine ausgewogene Kommentierung des Gesetzentwurfs.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die westfälische Weisheit, Frau Vogler, von der Sau, die vom Wiegen nicht fett wird, hat mich in den zurückliegenden Minuten beschäftigt, und ich kann dieser Weisheit bedingungslos zustimmen.
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist schön, dass Sie das meinen!)
Ich will zunächst betonen, dass wir sehr viel Geld im System haben. Wir sprechen nicht über ein System, bei dem es an allen Ecken und Enden knapp ist. Wir haben viel Geld im System, aber es kommt nicht immer dazu, dass am Ende auch Qualität gegeben ist. Ich sage: Die Nichtqualität kostet auch.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
In vielen Krankenhäusern wurde die Zahl der Ärzte und Ärztinnen aufgestockt und die Zahl der Pflegekräfte abgebaut.
(Zurufe von der SPD: So ist es! – Richtig! – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Leider!)
Es gibt viele Krankenhäuser – auch das ist eine Wahrheit –, die Überschüsse erwirtschaften, diese aber lieber auszahlen, als in Qualität und Personal zu investieren. Sie finden für alles eine Weisheit und eine Wahrheit. Das ist das Problem.
Das geplante Institut wird nicht nur Patienteninformationen und Patientenkompetenz stärken. Es wird auch nicht nur die in § 137 a SGB V bereits vorgegebenen Aufgaben wahrnehmen, nämlich Indikatoren und entsprechende Instrumente für die Messung von Qualität zu suchen und zu entwickeln. Es wird auch neue Aufgaben bekommen: den Krankenhausvergleich im Internet, die Qualitätsmessung und die Qualitätsdarstellung der ambulanten und vor allem der stationären Versorgung auf der Basis von Sozialdaten. Natürlich kann man neben den Daten der Krankenkassen auch die der Kassenärztlichen Vereinigungen nehmen. Das ist auch vorgesehen.
Es wird des Weiteren eine öffentliche Bewertung von Zertifizierungen und Qualitätsaussagen geben. Das halte ich für sehr wichtig. Was da zum Teil an den Wänden hängt, ist den Rahmen nicht wert. Sowohl ich als auch die Kolleginnen und Kollegen wissen, welches Krankenhaus in der jeweils eigenen Region gut ist und für welches sich Patienten und Patientinnen bei Operationen entscheiden sollten. Das wissen aber noch längst nicht alle Nutzer und Nutzerinnen des Systems. Deswegen wird das Qualitätsinstitut diese Informationen in verständlicher Sprache – dies ist ein wichtiger Punkt für Patienten und Patientinnen – veröffentlichen.
Natürlich, Kollege Terpe, ist es wichtig, Vertreter von Patientenorganisationen, denen wir viel zu verdanken haben, im Vorstand und im Stiftungsbeirat zu verankern. Ich meine, bei der Beauftragung und bei bestimmten Aufträgen sollte dieses Experten- und Expertinnenwissen genutzt werden.
(Beifall der Abg. Hilde Mattheis [SPD])
– Ich mache immer zu wenig Pausen für den Applaus, sagt mein Büro.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
– Danke.
Das Ganze hat eine Vorgeschichte. Wir hatten strukturierte Behandlungsprogramme, die zum ersten Mal die Qualität und das Miteinander von ambulanter und stationärer Behandlung gegen enormen Widerstand definiert haben. Wir hatten die BQS, die uns Zahlen zu den Auffälligkeiten in der Endoprothetik, bei Bypassoperationen und bei Krebsoperationen gegeben hat. Wir hatten als dritte Bank – sie ist in Sachen Qualität unentbehrlich – die Unterstützung der Selbsthilfe, des Patientenbeauftragten sowie des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, das deutlich gemacht hat, dass zum Beispiel Seitenverwechslungen selten vorkommen, aber es trotzdem zu ein paar Hundert dieser extremen Fälle kommt. Sie haben Prozeduren für Operationen entwickelt. All das ist ganz wichtig.
Wenn das WIdO zum Beispiel deutlich macht, dass es in der Krankenhauslandschaft 1 Prozent Behandlungsfehler gibt, dann sagen manche: 1 Prozent ist wenig. In Zahlen ausgedrückt sind das 190 000 Fälle, und diese Zahl finde ich dann schon beeindruckend. Es gibt Schicksalhaftes, es gibt Vermeidbares, es gibt Unnötiges, das im Krankenhaus passiert. Darüber muss man reden. Man muss sichere Daten gewinnen und nach ihrer Auswertung die Landschaft verändern. Ich sage noch einmal: Das hat nicht nur mit der Menge des Geldes, sondern auch mit der Verteilung des Geldes zu tun. Damit will ich nicht sagen, dass man nicht hier und da aufstocken muss.
Die Zahlen von WIdO und anderen Instituten, denen wir viel zu verdanken haben und deren Wissen man nutzen muss, sind schon erschreckend, zum Beispiel die Auffälligkeiten bei der Versorgung mit Herzschrittmachern, aber auch bei den Hüftoperationen, bei denen es bei 7,4 Prozent der Patienten der AOK 2012 zu Komplikationen oder Revisionen kam. In Zahlen heißt das: Es handelte sich um 11 000 Patienten, und 6 000 mussten neu operiert werden. Ich finde, dass das eine beeindruckende Zahl ist. Ich könnte diese Reihe fortsetzen.
Warum ist die Zahl der Operationen zwischen 2005 und 2011 überhaupt so sehr gestiegen, nämlich um mehr als ein Viertel, von gut 12 Millionen Operationen im Jahr 2005 auf über 15 Millionen Operationen im Jahr 2011? Im gleichen Zeitraum, 2005 bis 2011, gab es eine Verdoppelung der Zahl der Wirbelsäulenoperationen. Das ist doch nicht nur mit der Demografie zu erklären; da kann man den Eindruck haben, dass nicht in allen Krankenhäusern nur aufgrund medizinischer Erkenntnisse operiert wird.
Ich erinnere auch an eine kleine, aber doch sehr nette Studie, die es vor vielen Jahren einmal gab: Sie stellte dar, dass es unter den Frauen von Anwälten und von Ärzten weniger Gallenblasenoperationen gibt. Ich war damals sehr beeindruckt.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist wichtig, dass wir die Daten aus dem ambulanten Bereich – –
Ein sicher hochinteressanter Aspekt, Frau Kollegin, der aber nicht mehr im Einzelnen entfaltet werden kann.
Ich komme zum Schluss. – Wir müssen die Patientensouveränität und die Patientenkompetenz stärken, auch bei der UPD. Wir werden dafür sorgen, dass dieses Erfolgsprojekt unterstützt wird.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt fast genau das Ende der vereinbarten Debattenzeit erreicht, aber es gibt noch drei Redner. Deswegen bitte ich um Nachsicht, dass ich keine Zwischenfragen mehr zulassen möchte.
Der nächste Redner ist der Kollege Dietrich Monstadt für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3392530 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 34 |
Tagesordnungspunkt | Finanzstruktur und Qualität in der GKV |