09.05.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 34 / Tagesordnungspunkt 20

Marian WendtCDU/CSU - Vorratsdatenspeicherung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich klarstellen, worüber wir heute überhaupt debattieren. Auch den Anwesenden hier ist die Begrifflichkeit vielleicht nicht ganz klar geworden. Wir reden nicht über Vorratsdatenspeicherung, sondern nur über die Speicherung von Verbindungsdaten. Wir sprechen darüber, ob IP-Adressen oder Telefonnummern – wer wann wo angerufen hat – gespeichert werden,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Auf Vorrat! Genau! – Dr. Eva Högl [SPD]: Nein, man nennt das auch Vorrat! Sie werden schon auf Vorrat gespeichert!)

und das nicht durch staatliche Behörden, wie oft unterstellt wird. Nein, wir haben weder im Bundestag noch im Kanzleramt oder beim BKA Server stehen, auf denen die Telekommunikationsdaten gespeichert und genutzt werden. Das möchte ich ganz klar vorneweg stellen.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Selbstverständlich werden die gespeichert!)

Die Debatte über die Verbindungsdatenspeicherung haben wir in dieser Wahlperiode bereits zweimal geführt, das ist die dritte Debatte dazu. Auch nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts bleibt ganz klar zu sagen: Die Verbindungsdatenspeicherung ist grundsätzlich ein geeignetes und sinnvolles Mittel, um schwere Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Sie dient dem Gemeinwohl. – Das steht schwarz auf weiß in beiden Urteilen. Karlsruhe hat klipp und klar gesagt: Grundsätzlich ist die Verbindungsdatenspeicherung mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Sie ist nicht per se verfassungswidrig. – Diese Botschaften müssen auch die Oppositionsparteien anerkennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Notz zu?

Gern.

Das ist nett. Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie verweisen zu Recht auf beide Entscheidungen. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts taucht ein Schlüsselbegriff auf, der Begriff der Überwachungsgesamtrechnung. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht vor der NSA-Affäre getroffen, im Hinblick auf SWIFT, PNR und andere Dinge. Wie schaut das Bundesverfassungsgericht Ihrer Meinung nach, so vom Bauchgefühl her, jetzt auf die Überwachungsgesamtrechnung, jetzt, wo wir wissen, dass praktisch alle Kommunikationsdaten im Internet komplett gespeichert wurden und weiterhin gespeichert werden? Was denken Sie, wie würde das Bundesverfassungsgericht heute die Frage der Überwachungsgesamtrechnung bewerten?

Ich denke, Herr Kollege, dass das Bundesverfassungsgericht heute genauso urteilen würde wie 2010; denn am Sachverhalt hat sich nichts verändert. Verbindungsdaten, Telefonnummern, Ort und Zeit, wurden bereits vor 10 bzw. 15 Jahren gespeichert. Damit hat man nicht erst vor zwei Jahren angefangen. Der Kollege Sensburg hat das an einem Beispiel eindrücklich erklärt. Wir alle haben sicherlich schon einmal eine Telefonrechnung erhalten, in der am Ende eine Verbindungsübersicht enthalten war. Das sind die Verbindungsdaten, über die wir hier sprechen. Wir sprechen nicht über Inhalte, die möglicherweise beim NSA-Skandal eine Rolle gespielt haben. Nein, wir sprechen nur über die Frage: Wann hat man eventuell jemanden angerufen? Dabei geht es nicht um den Inhalt, sondern nur um die Frage, ob Kommunikation stattgefunden hat. Darum geht es. Deswegen, denke ich, würde das Bundesverfassungsgericht nicht anders urteilen, als es geurteilt hat, auch weil das Grundgesetz diesbezüglich seit dieser Zeit nicht geändert wurde.

Auf zwei Punkte möchte ich noch eingehen. Die Ausgangssituation wurde bereits beschrieben. Für mich ist es ganz wichtig, dass wir die Verbindungsdatenspeicherung nicht nur zur Ermittlung bei schweren Straftaten brauchen, sondern wir brauchen sie auch zur Gefahrenabwehr. Die Polizei, das Bundeskriminalamt, der Richterbund und die Innenminister der Bundesländer haben einheitlich entschieden: Wir brauchen dieses wichtige Instrument. Ich möchte ein Beispiel nennen; denn es geht nicht immer nur um Terroranschläge, die vielleicht weit weg zu sein scheinen, sondern auch um ganz praktische Dinge. Nehmen wir folgendes Beispiel: Die Eltern haben am Donnerstagabend mit ihrem pubertierenden Mädchen oder Jungen einen Streit. Am Freitag kommt das Kind nicht nach Hause. Das ist ein Fall, der in Deutschland sehr häufig auftritt. Das muss man ganz eindeutig sagen. Das ist kein an den Haaren herbeigezogenes Beispiel, sondern das passiert. Die Frage ist jetzt: Ist das Kind nicht nach Hause gekommen, weil es den Streit aussitzen möchte und vielleicht zur besten Freundin gegangen ist, oder wurde es vielleicht doch entführt? Um diesen Sachverhalt aufzuklären, ruft die Polizei beim Telekommunikationsunternehmen an und fragt nach: Wer wurde zuletzt angerufen, und wo befindet sich eventuell das Handy? Das alles geschieht im Einvernehmen mit dem zuständigen Ermittlungsrichter. Dann ist es dem guten Willen bzw. dem Zufall überlassen, ob die Polizei eine Auskunft erhält. Die Telekom speichert diese Verbindungsdaten nämlich von sich aus, aber Vodafone zum Beispiel nicht. Wir können es doch nicht dem Zufall überlassen, ob Straftaten aufgeklärt werden und eine Gefahrenabwehr stattfindet. Das kann doch nicht davon abhängen, ob das jeweilige Telefonunternehmen diese Daten gespeichert hat. Deswegen brauchen wir einen ganz konkreten rechtlichen Rahmen, der verfassungsgemäß ist; das haben wir ganz klar gesagt. Das Bundesverfassungsgericht und der EuGH haben uns dazu entsprechende Aufträge und Auflagen gegeben. Diese werden wir jetzt umsetzen.

Damit komme ich zum zweiten Punkt. Es ist richtig, dass wir das Problem in Europa lösen müssen. Gemeinsam mit unseren Partnern müssen wir jetzt schauen, wie wir das machen können. Ich bin Herrn Bundesinnenminister Thomas de Maizière dankbar, dass er Anfang Juni auf der Innenministerkonferenz in Athen dazu die Initiative ergreifen wird. Er wird die Punkte, die uns wichtig sind, dort vorbringen und für eine europäische Lösung werben. Es muss ganz klar sein: Einerseits müssen wir Straftaten effektiv verhindern, und wir müssen andererseits die Bedingungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichtes einhalten. Dabei geht es um Datensicherheit, Verhältnismäßigkeit und angemessene Speicherfristen. Dies müssen wir zielgenau umsetzen. Wir werden einen ausgewogenen Kompromiss ermöglichen.

Wir müssen uns alle bewusst sein, da wir für die Sicherheit die Verantwortung tragen, dass es hierbei nicht um etwas Banales geht. Es geht hier, wie gesagt, um schwerste Eingriffe. Wir werden uns für eine gute Lösung einsetzen.

Ich fasse also zusammen: Wir brauchen Mindestspeicherfristen, die nach wie vor dazu da sind, Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Wir brauchen auf europäischer Ebene schnell eine verfassungsmäßige und mehrheitsfähige Regelung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Die uns vorliegenden Anträge der Grünen und Linken werden dem nicht gerecht. Deswegen werden wir sie ablehnen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3394451
Wahlperiode 18
Sitzung 34
Tagesordnungspunkt Vorratsdatenspeicherung
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