Volker KauderCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit einiger Zeit bewegt uns das Schicksal von 200 jungen Mädchen und Frauen – vielleicht sind es auch ein wenig mehr –, die in Nigeria brutal entführt wurden und nach Ankündigung der Gruppe, die sie entführt hat, als Sklavinnen verkauft oder zwangsverheiratet werden sollen. Diese Gruppe, Boko Haram, hat sich nicht nur zu der Entführung bekannt, sondern hat diese jungen Mädchen und Frauen in einer widerlichen Art und Weise öffentlich zur Schau gestellt. Sie hat damit gezeigt, was für einen Charakter sie hat.
Wir alle – bis vielleicht auf diejenigen, die schon vor Ort waren – haben unsere Informationen nur aus zweiter oder dritter Hand. Deswegen habe ich mich heute mit Menschen unterhalten, die im Norden Nigerias unterwegs sind und die einen genaueren Überblick über das haben, was dort passiert. Dazu gehören beispielsweise die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „Open Doors“, aber auch von anderen Organisationen.
Es gibt in den großen Zeitungen eine ganze Reihe von analytischen Berichten darüber, was hinter dieser Tat steckt. Es wird über Machtfragen, Geldfragen, ethnische Fragen und Landfragen spekuliert. Das ein oder andere spielt natürlich eine Rolle. Wir brauchen aber gar nicht zu spekulieren. Es gibt nämlich eine Fülle von Dokumenten von Boko Haram, die den Kern der Gruppe aufzeigen. In diesen Dokumenten wird eindeutig und klar formuliert: Wir wollen – zumindest im Norden Nigerias –, eine islamische Republik, einen Teil Afrikas, in dem ausschließlich die Scharia herrscht. – Das ist nicht einfach so dahingesprochen. In beachtlichen Teilen im Norden des Landes wurde die Scharia bereits überfallartig eingeführt.
Boko Haram hat nicht nur erklärt, dass die Scharia in ganz Nigeria eingeführt werden soll, sondern auch, dass sie in diesem Land keine Christen haben will. Es ist also nicht wie in anderen Staaten, wo man die Scharia auch auf Minderheiten ausdehnt. Boko Haram will, dass die Christen aus Nigeria verschwinden. Das ist eine klare Andeutung, die zeigt, dass es im Kern nicht um eine ethnische Auseinandersetzung oder etwas anderes geht. Im Kern geht es vielmehr darum, dass Boko Haram die Christen aus dem Land verdrängen will und nicht davor zurückschreckt, Kindern – es sind übrigens auch Jungen überfallen worden – in brutalster Art und Weise ein solches Verbrechen anzutun, und zwar, weil sie auch Christen sind oder vielleicht, weil sie Christen sind. Ich finde, wir haben daher allen Grund, dies auch offen anzusprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Sie wissen alle, dass mich die Frage der Religionsfreiheit seit vielen Jahren beschäftigt. Ich bin sehr vorsichtig, wenn es um die Frage geht: Wo handelt es sich um ethnische Konflikte, und wo geht es tatsächlich um Religionsfreiheit? In diesem Fall in Nigeria geht es um Religionen.
Warum sich Boko Haram so hat ausdehnen können, hat viele Gründe. Wir stellen seit einiger Zeit eine Veränderung fest. Waren es früher vor allem Staaten, die Gläubige, darunter Christen, verfolgt haben, so sind es nun zunehmend Gruppen, die deswegen stark sind, weil das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr existiert. Genau dies ist auch in Nigeria der Fall. Um diese Probleme zu bekämpfen, müssen wir alles daransetzen, dass der Staat seinen Aufgaben nachkommen kann. Wir müssen klar und deutlich sagen: Wir werden die Verfolgung von Menschen, die glauben, nicht zulassen. Dabei geht es uns um die Glaubensfreiheit generell. Aber die Wahrheit ist leider, dass die am meisten verfolgte Gruppe die Christen sind, und zwar vor allem dort, wo Muslime in der Mehrheit sind und die Macht haben. Dies muss offen angesprochen werden. Die Wahrheit ist politisch immer korrekt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Annette Groth, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3436402 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 35 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den entführten Schulmädchen in Nigeria |